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Vor 70 Jahren
Als der Zweite Weltkrieg in Europa endete

Heute vor 70 Jahren wurde in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet. Der Zweite Weltkrieg hatte damit sein Ende genommen, jedenfalls in Europa.

Von Bernd Ulrich | 08.05.2015
    Der Kapitulationssaal im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst, fotografiert am 08.04.2015 in Berlin. Am 8. Mai 1945 wurde an diesem Ort in Berlin-Karlshorst mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa beendet.
    Der Kapitulationssaal im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst in Berlin. Am 8. Mai 1945 wurde an diesem Ort in Berlin-Karlshorst mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa beendet (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Am 9. Mai 1945 jubelten die Menschen in den Hauptstädten der Sieger über das Ende des Zweiten Weltkriegs. Einen Tag zuvor, am Dienstag, den 8. Mai, war die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte an allen Fronten ab 23:01 Uhr in Kraft getreten. Vorausgegangen waren bereits mehrere Teilkapitulationen, so in Italien und Berlin – aber immer noch standen zu diesem Zeitpunkt Wehrmachts- und SS Einheiten etwa in Dänemark, den Niederlanden oder auf den Inseln Rhodos und Kreta. In London nahm unterdessen der englische König Georg VI. eine Rundfunkansprache zum Tag des Sieges in Europa auf:
    "Heute danken wir dem Allmächtigen Gott für eine große Befreiung. Deutschland, der Feind, der ganz Europa in den Krieg trieb, ist schließlich überwunden worden."
    Bedingungslose Gesamtkapitulation
    Um genau dies zu besiegeln, hatte kurz nach Mitternacht, - der 9. Mai war eben erst angebrochen -, im Offizierskasino der ehemaligen Heerespionierschule in Berlin-Karlshorst ein feierlicher Akt stattgefunden: Unter Rückdatierung auf den 8. Mai erfolgte in jener Nacht die Unterzeichnung der bedingungslosen Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht. Im ersten Paragrafen heißt es:
    "Wir, die hier Unterzeichneten, handelnd in Vollmacht für und im Namen des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, erklären hiermit die bedingungslose Kapitulation aller am gegenwärtigen Zeitpunkt unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkräfte auf dem Lande, auf der See und in der Luft gleichzeitig gegenüber dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions-Streitkräfte und dem Oberkommando der Roten Armee."
    Mit der Unterzeichnung in Berlin wurde eingelöst, was zum großen Ärger Stalins am
    7. Mai 1945 versäumt worden war. An diesem Tag nämlich hatte im französischen Reims - Standort des westalliierten Hauptquartiers unter Dwight D. Eisenhower - schon eine Kapitulation der Wehrmacht stattgefunden - allerdings ohne dass hohe sowjetische Offiziere dabei sein konnten.
    Viele Menschen auf der Flucht
    Das waren zwar mehr als nur protokollarische Feinheiten. Doch die große Mehrheit der Menschen in Europa interessierte das kaum. Nach sechs langen Jahren Krieg, nach Jahren des Grauens und Leidens, markierte der 8. Mai als offizieller Tag der Kapitulation, wenn überhaupt, nur einen kurzen Moment des Innehaltens. Dann setzte sich fort, was schon seit Ende 1944 allerorten zu beobachten war:
    Sowjetische Kriegsgefangene, Ort unbekannt, 1941/42
    Sowjetische Kriegsgefangene, Ort unbekannt, 1941/42 (Deutsch-russisches Museum Berlin-Karlshorst)
    Viele Menschen befanden sich auf der Flucht oder auf dem Weg nach Hause - und gerieten auf den überfüllten Straßen in das blutige Chaos jener April- und Maitage. So auch die Deutsche Anja Lundholm, die als sogenannte Halbjüdin und Widerstandskämpferin in das KZ Ravensbrück verschleppt und auf den "Todesmarsch" gezwungen worden war. In einem Interview berichtete sie:
    "Da hatte sich ein ungeheuer langer Treck formiert. Die Bauern flohen, die Bäume brannten, das Vieh war schon tot, lag da überall auf den Feldern. Von der andern Seite her kamen schon die Russen, von der Seite kamen geflohene Häftlinge von Zwangsarbeitslagern und so weiter - es war ein Heidendurcheinander auf dieser Straße."
    Kaum ein Neuanfang
    In der Nähe von Schwerin und damit auch in der Nähe von Anja Lundholm hielt sich zu dieser Zeit auch Johann Dötsch auf, ein deutscher Sozialdemokrat, der seit 1939 das KZ Sachsenhausen durchleiden musste. Auch er hatte den Todesmarsch mit viel Glück überstanden - und notierte acht Tage nach der Kapitulation in seinem Tagebuch:
    "Im Gespräch mit den zahlreichen Flüchtlingen hört man immer wieder die panische Angst vor dem ‚Iwan'. Nie finde ich einen Flüchtling, der auch nur mit einem Gedanken an die grässlichen Untaten der SS in Polen, der Ukraine und in allen besetzten Teilen Europas denkt. Der deutsche Spießer hat nur Gefühl für seine eigene Not. Die Strafe der Sieger wird diesmal fürchterlich sein, und wir haben kein Recht, uns zu beklagen."
    Frauen wie Anja Lundholm und Männer wie Johann Dötsch konnten sich im Mai 1945 befreit fühlen. Doch viele andere deutsche Flüchtlinge etwa oder Kriegsgefangene - empfanden den Tag der Kapitulation kaum als Neuanfang nach einem schrecklichen Ende.