Ziegler: Guten Tag, Herr Honecker!
Honecker: Frau Ziegler, welche andere Herangehensweise hat die Buchwissenschaft, die sich ja vor allem mit dem Medium, dem Transportmittel für Inhalte beschäftigt, an das Thema Bücherverbrennung?
Ziegler: Wir beschäftigen uns vor allem mit dem Medium, wie Sie sagen, in dem Fall mit dem Buch, teils eben auch mit dessen Geschichte. Die Geschichte des Buches ist eben zum Teil auch eine Geschichte seiner Kontrolle und seiner Verhinderung, was man in der Regel Zensur nennt. Eine ganz krasse Form davon ist die Bücherverbrennung. Insofern trifft dieses Thema voll in unseren Bereich und in unsere Arbeit.
Honecker: Sie haben ja vorhin gesagt, dass die Studierenden Ihnen förmlich die Bude einrennen. Woher, glauben Sie, kommt das große Interesse gerade der jungen Leute?
Ziegler: Ich stelle fest, dass es bei einem Teil der Studierenden ganz starkes historisches Interesse gibt. Es gibt auch ein Interesse an genauer wissenschaftlicher Information zu einem Thema wie Bücherverbrennung. Ich hätte von der Quantität des Interesses her in diesem Semester sicher drei Seminare zur Bücherverbrennung geben können und habe mich darüber auch sehr gefreut. Das Interesse ist allerdings schon auch praktisch gelenkt. Es ist nämlich ein politisches Interesse. Man will etwas zur Erinnerungskultur beitragen. Das machen wir ja in München gerade und sind in Kontroversen darüber, wie diese Kultur denn aussehen könnte. Das Interesse der Studierenden geht schon auch ganz stark auf die Inhalte. Sie wollen wissen, was das für Bücher sind, die da verbrannt worden sind, und welche Autoren diese Bücher geschrieben haben.
Honecker: Das heißt, das Seminar beschäftigt sich auch literaturwissenschaftlich mit diesem Thema.
Ziegler: Ja, so ist es. Es beschäftigt sich zum einen mit dem Medium, also auch mit der theoretischen Seite, mit dem Symbolcharakter einer solchen Aktion. Es beschäftigt sich aber auch ganz konkret mit der Erinnerung und mit der literarischen Resonanz beziehungsweise deren Verhinderung. Es geht dabei darum, was die Bücherverbrennung zum Beispiel für die literarische Kultur in Deutschland nach 1945 für eine Wirkung gehabt hat.
Honecker: Was hat sie denn für eine Wirkung gehabt?
Ziegler: Viele Autoren der Bücher, die da verbrannt worden sind, sind ja zunächst einmal in der Nachkriegsliteratur nicht mehr aufgetaucht. Das gilt natürlich primär für Exilautoren, denn die meisten der Autoren der verbrannten Bücher sind ja in das Exil gegangen. Die tauchten dann im offiziellen literarischen Kanon über sicherlich eine Schülergeneration hin nicht mehr auf.
Honecker: Die jungen Leute jetzt sind also ganz bewusst auf der Suche eben nach diesen Autoren, die so ein bisschen in Vergessenheit geraten sind.
Ziegler: Wenn man jung ist, beschäftigt man sich auch gerne mit Außenseitern und mit Symbolfiguren. Diese Autoren gehen ein bisschen in diese Richtung. Die haben ja den Anschein, Opfer zu sein. Man darf ja auch nicht vergessen, dass der heute gültige literarische Kanon, wenn es so einen überhaupt noch gibt, vielmehr aus Autoren verbrannter Bücher besteht als aus denen, die Persona Grata waren und die im Dritten Reich innere Emigration oder gar NS-nahe Literatur waren. Die kommen ja heute nicht mehr vor.
Honecker: Bücherverbrennung an sich ist nichts Neues. 1933, aber auch auf dem Wartburgfest und in der Antike sind schon Bücher verbrannt worden. In den letzten Jahren hat sich aber doch etwas geändert, denn es gibt ein neues virtuelles Verteilungsmedium, das Internet. Würde eine symbolische Aktion wie die Bücherverbrennung heute auch noch dieselbe Wirkung haben wie vor 70 Jahren? Was denken Sie?
Ziegler: Ich denke, dass das Buch auf der einen Seite und das Feuer auf der anderen Seite ihren Zeichen- und Symbolcharakter durchaus behalten haben. Nun heißt es zwar, auch das gehört ja zu den Medientheorien, dass das Medium die Botschaft sei. Wenn ich das Medium zerstöre, war natürlich die Schlussfolgerung der Initiatoren der Bücherverbrennung, dann zerstöre ich auch die Botschaft. Das war aber eine falsche Folgerung. Das Medium wurde zwar verbrannt, aber die Autoren der verbrannten Bücher haben damals schon gesagt: ''Unsere Stimme aber bleibt unversehrt.'' Diesen Zeichen- und Symbolcharakter hat das Buch heute auch noch, auch wenn die Botschaften anderweitig durchaus vielfältiger und schneller verbreitet werden können.
Honecker: Frau Ziegler, welche andere Herangehensweise hat die Buchwissenschaft, die sich ja vor allem mit dem Medium, dem Transportmittel für Inhalte beschäftigt, an das Thema Bücherverbrennung?
Ziegler: Wir beschäftigen uns vor allem mit dem Medium, wie Sie sagen, in dem Fall mit dem Buch, teils eben auch mit dessen Geschichte. Die Geschichte des Buches ist eben zum Teil auch eine Geschichte seiner Kontrolle und seiner Verhinderung, was man in der Regel Zensur nennt. Eine ganz krasse Form davon ist die Bücherverbrennung. Insofern trifft dieses Thema voll in unseren Bereich und in unsere Arbeit.
Honecker: Sie haben ja vorhin gesagt, dass die Studierenden Ihnen förmlich die Bude einrennen. Woher, glauben Sie, kommt das große Interesse gerade der jungen Leute?
Ziegler: Ich stelle fest, dass es bei einem Teil der Studierenden ganz starkes historisches Interesse gibt. Es gibt auch ein Interesse an genauer wissenschaftlicher Information zu einem Thema wie Bücherverbrennung. Ich hätte von der Quantität des Interesses her in diesem Semester sicher drei Seminare zur Bücherverbrennung geben können und habe mich darüber auch sehr gefreut. Das Interesse ist allerdings schon auch praktisch gelenkt. Es ist nämlich ein politisches Interesse. Man will etwas zur Erinnerungskultur beitragen. Das machen wir ja in München gerade und sind in Kontroversen darüber, wie diese Kultur denn aussehen könnte. Das Interesse der Studierenden geht schon auch ganz stark auf die Inhalte. Sie wollen wissen, was das für Bücher sind, die da verbrannt worden sind, und welche Autoren diese Bücher geschrieben haben.
Honecker: Das heißt, das Seminar beschäftigt sich auch literaturwissenschaftlich mit diesem Thema.
Ziegler: Ja, so ist es. Es beschäftigt sich zum einen mit dem Medium, also auch mit der theoretischen Seite, mit dem Symbolcharakter einer solchen Aktion. Es beschäftigt sich aber auch ganz konkret mit der Erinnerung und mit der literarischen Resonanz beziehungsweise deren Verhinderung. Es geht dabei darum, was die Bücherverbrennung zum Beispiel für die literarische Kultur in Deutschland nach 1945 für eine Wirkung gehabt hat.
Honecker: Was hat sie denn für eine Wirkung gehabt?
Ziegler: Viele Autoren der Bücher, die da verbrannt worden sind, sind ja zunächst einmal in der Nachkriegsliteratur nicht mehr aufgetaucht. Das gilt natürlich primär für Exilautoren, denn die meisten der Autoren der verbrannten Bücher sind ja in das Exil gegangen. Die tauchten dann im offiziellen literarischen Kanon über sicherlich eine Schülergeneration hin nicht mehr auf.
Honecker: Die jungen Leute jetzt sind also ganz bewusst auf der Suche eben nach diesen Autoren, die so ein bisschen in Vergessenheit geraten sind.
Ziegler: Wenn man jung ist, beschäftigt man sich auch gerne mit Außenseitern und mit Symbolfiguren. Diese Autoren gehen ein bisschen in diese Richtung. Die haben ja den Anschein, Opfer zu sein. Man darf ja auch nicht vergessen, dass der heute gültige literarische Kanon, wenn es so einen überhaupt noch gibt, vielmehr aus Autoren verbrannter Bücher besteht als aus denen, die Persona Grata waren und die im Dritten Reich innere Emigration oder gar NS-nahe Literatur waren. Die kommen ja heute nicht mehr vor.
Honecker: Bücherverbrennung an sich ist nichts Neues. 1933, aber auch auf dem Wartburgfest und in der Antike sind schon Bücher verbrannt worden. In den letzten Jahren hat sich aber doch etwas geändert, denn es gibt ein neues virtuelles Verteilungsmedium, das Internet. Würde eine symbolische Aktion wie die Bücherverbrennung heute auch noch dieselbe Wirkung haben wie vor 70 Jahren? Was denken Sie?
Ziegler: Ich denke, dass das Buch auf der einen Seite und das Feuer auf der anderen Seite ihren Zeichen- und Symbolcharakter durchaus behalten haben. Nun heißt es zwar, auch das gehört ja zu den Medientheorien, dass das Medium die Botschaft sei. Wenn ich das Medium zerstöre, war natürlich die Schlussfolgerung der Initiatoren der Bücherverbrennung, dann zerstöre ich auch die Botschaft. Das war aber eine falsche Folgerung. Das Medium wurde zwar verbrannt, aber die Autoren der verbrannten Bücher haben damals schon gesagt: ''Unsere Stimme aber bleibt unversehrt.'' Diesen Zeichen- und Symbolcharakter hat das Buch heute auch noch, auch wenn die Botschaften anderweitig durchaus vielfältiger und schneller verbreitet werden können.