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Vor 75 Jahren
Der Tod des Malers Piet Mondrian

Er war einer der Pioniere der abstrakten Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Der niederländische Maler Piet Mondrian wurde besonders bekannt für seine Kompositionen aus schwarzen Linien und rechteckigen Farbfeldern. Er verstand sie als Brücke in eine utopische Zukunft.

Von Florian Ehrich | 01.02.2019
    Der niederländische Künstler Piet Mondrian sitzt vor einem seiner Werke, aufgenommen im Jahr 1942
    Mondrian reflektierte stets über die philosophischen Grundlagen seiner Kunst (imago / WHA UnitedArchives)
    "Ich habe sehr früh angefangen zu malen. Am liebsten malte ich Landschaften und Häuser bei grauem, dunklem Wetter oder in starkem Sonnenlicht, wenn die Dichte der Luft die Einzelheiten verwischt und die großen Konturen der Dinge hervorhebt."
    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist Piet Mondrian noch von der impressionistischen Haager Schule geprägt und malt stille Landschaften mit Wasserspiegelungen und dunstigen Fernsichten. Dass der 1872 im Amersfoort geborene Künstler dann immer freier mit der Farbe zu arbeiten beginnt, ist auch dem Erleben der Bilder Vincent van Goghs geschuldet. Seine kühne Palette stößt jedoch auch auf Ablehnung:
    Mondrian schreibt kommentierende Texte zu seiner Kunst
    "Eine blutüberströmte Mühle vor einem gelben Himmel mit Löchern wie ein Schweizerkäse", schreibt ein Kritiker über ein 1908 entstandenes Hochformat, das eine Mühle in gleißendem Sonnenlicht zeigt. Mondrian hat jedoch mit solch entschieden modernen Bildern Erfolg, wie die Kunsthistorikerin Susanne Deicher erklärt:
    "Er ist ja in dem Augenblick ein gut im Geschäft stehender Maler in den Niederlanden. Und ist eigentlich auch das Schulhaupt der Luministen, malt diese leuchtenden Landschaften, die ja viele für seine besten Bilder halten bis heute."
    Zeitlebens reflektiert der Maler über die philosophischen Grundlagen seiner Kunst und schreibt kommentierende, erklärende Texte. Die Vergeistigung ist in seiner streng calvinistischen Erziehung angelegt und noch verstärkt durch die Mitgliedschaft in der theosophischen Gesellschaft. Der enthusiastische Jazzfan und Tänzer unterwirft sich jedoch keiner Dogmatik, sondern strebt stets nach neuen malerischen Lösungen:
    "Mondrian versteht sich natürlich als Avantgardist, das heißt, er will an der Spitze der Entwicklung der Malerei stehen."
    Um den Anschluss an die neuesten Tendenzen der Moderne zu halten, geht er Ende 1911 nach Paris. An der Seine beschäftigt sich Mondrian mit dem Kubismus eines Picasso, bleibt jedoch immer selbstständig:
    "Mondrian nimmt die Stadt durchaus wahr, aber er versteht sich selber nicht so, dass er jetzt Anschluss sucht an Picasso und an Braque. Er ist die ganze Zeit eigentlich seine eigene Schule."
    Schritt für Schritt in die Abstraktion
    Auf einer Auktion Anfang des Jahres wurde dieses Bild von Piet Mondrian für über 50 Millionen  Dollar verkauft.
    Auf einer Auktion wurde dieses Bild von Piet Mondrian für über 50 Millionen Dollar verkauft. (picture alliance / dpa)
    Vorerst bleibt das Thema der Landschaft zentral, etwa in den Baumstudien oder den Ansichten des Meeres, das er in rhythmisch gegliederte Striche auflöst. Von hier aus führt sein Weg in die völlig ungegenständliche Abstraktion:
    "Schrittweise wurde ich gewahr, dass der Kubismus die logische Folgerung aus seinen eigenen Entdeckungen nicht annahm. Er entwickelte die Abstraktion nicht zu ihrem letzten Ziel, dem Ausdruck der reinen Realität. Ich fühlte, dass sie nur erreicht werden kann durch reine Gestaltung, und diese darf nicht bedingt sein durch subjektives Fühlen und Vorstellen."
    Unter einer reinen Gestaltung versteht Mondrian die Beschränkung auf die Grundfarben sowie horizontale und vertikale Linien. Als Ausdruck des Universellen sucht er diese Bildelemente in ein dynamisches Gleichgewicht zu setzen. Der Kunstwissenschaftler Karl Ruhrberg sprach von "unpersönlichen Meditationstafeln" Mondrians. Der Künstler jedoch sah die neuen Gestaltungsprinzipien als Brücke in eine utopische Zukunft:
    "Wir werden keine Bilder und Skulpturen mehr nötig haben, weil wir in verwirklichter Kunst leben. Kunst wird verschwinden in dem Maße, als das Leben selbst an Gleichgewicht gewinnt."
    Künsterlische Wende kurz vor seinem Tod
    Der niederländische Staat hat für 80 Millionen Gulden (72 Millionen Mark) das letzte Gemälde des Malers Piet Mondrian (1872-1944) gekauft. 
    Das Werk "Victory Boogie Woogie" von Mondrian (picture-alliance / dpa / epa ANP)
    1938 vertreibt ihn die drohende Kriegsgefahr aus Paris. Er geht über London nach New York, wo er ein neues Atelier einrichtet und in Kontakt mit jüngeren Malern und Malerinnen tritt. Sein letztes, vom Rhythmus New Yorks befeuertes Bild "Victory Boogie Woogie" scheint eine neue Wendung seiner abstrakten Bildwelt anzukündigen: Die schwarzen Linien sind ersetzt durch vertikale und horizontale Geraden, die von kleinen Farbflächen in rot, gelb und blau gebildet werden. Anlässlich dieser weniger strengen und heiter wirkenden Komposition vermutet Susanne Deicher:
    "Es ist natürlich möglich, dass das ein stark experimentelles Verfahren ist, dass Mondrian an dem Punkt in eine andere kunsthistorische Epoche übergeht, und er kommt jetzt dazu, nur mit der reinen Farbe zu arbeiten und zu versuchen, das Bild aus dem Farbfleck heraus zu gestalten. Das ist ja der Versuch, den er in New York macht."
    Als Piet Mondrian am 1. Februar 1944 stirbt, hinterlässt er ein epochales Werk, das für folgende Generationen abstrakter Künstler Inspiration und Bezugspunkt bleibt.