"Nur im Zeichen der Wahrheit, nur im Zeichen der aufrichtigen Anerkennung unserer Kriegsschuld, nur im Zeichen der Wiedergutmachung, nur im Geiste eines streitbaren Demokratismus kann Deutschland von seinen furchtbaren Wunden genesen."
Johannes R. Becher ist einer der ersten Schriftsteller, die nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands aus dem Exil zurückkehren: mit einem Auftrag, den er im Moskauer Hotel Lux erhalten hat.
Nach dem Sieg der Roten Armee soll er in Berlin den "Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" gründen. Mit kulturellen Angeboten will man die Bevölkerung nach zwölf Jahren Hitler-Diktatur umerziehen. Gleichzeitig soll ihr der Sozialismus als die beste Lösung für ihre politische Zukunft schmackhaft gemacht werden.
Ende Juni 1945 lädt Johannes R. Becher Interessierte aller politischen Richtungen zu einem vorbereitenden Treffen ein: unter ihnen der Theaterkritiker Herbert Ihering, der Widerstandskämpfer Wolfgang Harich und der CDU-Bürgermeister Ferdinand Friedensburg. Doch sind sie nicht allein unter sich. Auch ein Offizier der sowjetischen Besatzungsmacht ist anwesend.
Das Nahziel: Man will die Öffentlichkeit informieren, bevor die Vertreter der anderen drei Besatzungsmächte anreisen.
Streitbarer Demokratismus nur zu Beginn
Am 4. Juli 1945 – manche Quellen nennen den 3. Juli – ist es soweit. Die Berliner Philharmoniker eröffnen den Abend im Haus des Rundfunks in der Masurenallee. Der "Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" wird gegründet.
"Alle Deutschen, die guten Willens sind, beschwören wir: Es werde Licht! Lasst endlich, endlich ein freiheitliches, wahrhaft demokratisches Deutschland auferstehen," verkündet Johannes R. Becher vor 1500 Gästen: "Es gibt keine geistige Erneuerung Deutschlands und auch keinen materiellen Aufstieg, wenn die Besten nicht in einer unverbrüchlichen antifaschistischen Einheit zusammenhalten."
Von einem "streitbaren Demokratismus", wie Becher gefordert hat, kann bald jedoch keine Rede mehr sein. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SED mischt sich immer stärker in die Arbeit des Kulturbundes und seiner von Klaus Gysi herausgegebenen Zeitschrift "Aufbau" ein.
Die Folge: 1947 verbieten Amerikaner und Briten die Organisation in ihren Zonen als kommunistische Agitationsplattform. Gleichzeitig öffnet sich der Kulturbund für Vereine von Briefmarkensammlern oder Heimatpflegern, die auf Subventionen hoffen, und treibt so die Mitgliederzahlen in die Höhe.
Doch der inhaltliche Prestigeverlust führt 1949 zum Austritt vieler Kulturschaffender. So organisieren sich die Schriftsteller in einem eigenen Verband.
Nur noch "Deutscher Kulturbund"
Mehr noch: Nach den Massenprotesten vom 17. Juni 1953 und den hohen Haftstrafen für die Reformen fordernde "Gruppe Harich" 1957 duldet die von Walter Ulbricht angeführte SED keine Abweichler mehr. Deshalb fällt auch das Ziel der "demokratischen Erneuerung" im Namen der Kulturbundes weg, wie der Literaturwissenschaftler Victor Klemperer in seinem Tagebuch vermerkt:
"Wir heißen von jetzt an 'Deutscher Kulturbund' und sind […]: Ulbrichtverein. Mich ekelt das alles an und doch bin ich beleidigt, nicht im großen Ehrenpräsidium […] zu sitzen."
Das Fazit des Sozialwissenschaftlers Andreas Zimmer in seiner großangelegten Kulturbund-Studie fällt ähnlich aus:
"Die offizielle Parteihierarchie sah [im Kulturbund] einen Transmissionsriemen ihrer Kulturpolitik, die den jeweils herrschenden innen- und außenpolitischen Wendemanövern angepasst wurde, schließlich auch ein Kontroll- und Disziplinierungsorgan [...] sowie einen Temperaturfühler für Stimmungen und Meinungen innerhalb der Bevölkerung."
Kultur und Meinungsaustausch ja, aber bitte DDR-konform – das bleibt die Devise, ganz gleich, ob man in den 1.800 Ortsgruppen Theater-, Schach- oder Malkurse besucht. Als die Berliner Mauer im November 1989 fällt, ist der Kulturbund eine Massenorganisation für kulturelle Freizeit mit 280.000 Mitgliedern.