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Vor 90 Jahren
Der Serienmörder Peter Kürten wird verhaftet

Neun Menschen hat Peter Kürten in den 1920er Jahren auf brutalste Weise umgebracht. Das monströse Ausmaß dieser Verbrechen beschäftigte die Menschen weit über die Weimarer Republik hinaus. Am 24. Mai 1930, heute vor 90 Jahren, wurde Peter Kürten verhaftet. Ausschlaggebend war ein Zufall.

Von Jürgen Bräunlein | 24.05.2020
    Der Serienmörder Peter Kürten mit und ohne Hut auf einem zeitgenössischen Foto.
    Doppelporträt: Peter Kürten gilt seinen Nachbarn zunächst als unauffälliger Mann mit gepflegtem Äußeren (imago / United Archives International)
    Ein Massenmörder spielt mit einer Stadt. Düsseldorf fiebert! Das Rheinland zittert. 2.000 Zeugen. Wenige Spuren. 15.000 Mark Belohnung!"
    Heißt es in einer Broschüre, die von der Düsseldorfer Polizei im Januar 1930 in großer Stückzahl an die Bevölkerung verteilt wird.
    "Helft den Düsseldorfer Massenmörder unschädlich zu machen!"
    Acht Menschen - Hausangestellte, junge Mädchen, Kinder, ein Invalide - wurden in nur wenigen Monaten auf grausame Weise ermordet. Die Tatwerkzeuge: Schere, Hammer, Kaiser-Wilhelm-Messer. Und immer sticht der Mörder wie besessen zu. Einmal scheint ihn die Tat sexuell zu erregen, das andere Mal saugt er von seinen Opfern Blut."Vampir von Düsseldorf" wird er genannt.
    Angst in den Straßen
    Die Menschen fürchten sich mehr vor ihm als vor der Wirtschaftskrise, die viele Düsseldorfer schon arbeitslos gemacht hat. Tagsüber spielt kein Kind mehr draußen, abends und nachts patrouillieren Polizei und private Bürgerwehren durch die leeren Straßen. Dank der Broschüre treffen Hunderte von neuen Hinweisen bei der Polizei ein. Doch alles nur falsche Spuren oder Trittbrettfahrer:
    "Schaffen Sie die kurzen Röcke ab, das macht die Männer pervers. Sonst morde ich noch mehr Weiber. Der Unbekannte."
    Währenddessen hört der echte Täter nicht auf, nach Opfern zu suchen. Doch die überfallenen Frauen können rechtzeitig fliehen oder überleben den Angriff schwer verletzt. Das Problem ist: Ihre Hinweise helfen der Polizei nicht weiter. Erst bei Maria Butlies, die dem Mörder ebenfalls entkommt, wendet sich das Blatt. Sie beschreibt den Tathergang in einem Brief an eine Freundin. Doch der Brief wird falsch zugestellt - und landet bei der Polizei. Einen Tag später, am 24. Mai 1930, kann die Kripo den Täter verhaften.
    "Peter Kürten, 46 Jahre alt, Eisengießer, wohnhaft Mettmanner Straße 71, derzeit arbeitslos."
    Jeden Abend auf der Suche nach einem Opfer
    Bislang hatte die Polizei keinerlei Verdacht gegen den Mann. Auch Peter Kürtens Nachbarn sind erstaunt über die Festnahme. Kürten gilt als höflicher, stets elegant gekleideter Mann mit besten Manieren. Ein Putztuch für die Schuhe trägt er immer bei sich. Umso mehr erschüttert sein Geständnis. In Seelenruhe schildert er seine Taten in blutrünstigen Details und weidet sich an den angeekelten Gesichtern der Beamten, die ihm tagelang zuhören müssen.
    "Ich hatte eigentlich dauernd die Stimmung, Sie werden es Drang nennen, zum Umbringen. Ich wollte das Blut der Opfer rauschen hören. Wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte, hätte ich ganze Massen umgebracht. Jeden Abend, wenn meine Frau Spätdienst hatte, bin ich herumgestreift nach einem Opfer."
    Sadistisch, aber zurechnungsfähig
    Doch Peter Kürten wurde schon vorher straffällig. Insgesamt mehr als 20 Jahre hat er bereits in Gefängnissen zugebracht: Unterschlagung von Lohngeldern, Handtaschenraub, Einbruch, Brandstiftung, Fahnenflucht – die Liste war lang.
    "Es wäre wohl niemand, der in meinen Kinderschuhen gesteckt hätte, unbeschadet durchs Leben gegangen. Aber höchstwahrscheinlich auch schwer verunglückt."
    Kürten hatte zwölf Geschwister. Sein Vater war Alkoholiker, der Frau und Kinder schlug und sich an der eigenen Tochter verging. Doch wird man deswegen zum Massenmörder? Acht Wochen lang wird Kürten in einer Heil- und Pflegeanstalt von Ärzten untersucht. Das Ergebnis des tausendseitigen Entlassungsberichts: Kürten hat sadistische Neigungen, doch keine Symptome einer Geisteskrankheit. Er ist zurechnungsfähig und für seine Taten verantwortlich.
    "Neun Morde, 32 Mordversuche, drei Überfälle, eine versuchte Notzucht und 27 Brandstiftungen."
    Hinrichtung im Kölner Klingelpütz
    Peter Kürten wird der Prozess gemacht und am 22. April 1931 zum Tode verurteilt, sein Gnadengesuch lehnt man ab. In seinen letzten Stunden schreibt er Entschuldigungsbriefe an die Angehörigen seiner Opfer und denkt über sich nach:
    "Das einzige, was mir noch Leid tut, ist, dass ich nicht mehr lesen kann, wenn ich geköpft bin."
    Vorbild für "M - eine Stadt sucht einen Mörder"
    Im Morgengrauen des 2. Juli 1931 stirbt Peter Kürten im Gefängnis Köln-Klingelpütz unter dem Fallbeil. Noch im selben Jahr lässt sich Regisseur Fritz Lang durch den Fall zu seinem ersten Tonfilm inspirieren: "M – eine Stadt sucht einen Mörder." Wissenschaftler sezieren kurze Zeit später Peter Kürtens Gehirn, können aber keine Abnormitäten feststellen. Seine Verbrechen bleiben bis heute beunruhigend, weil sie weder zu erklären noch zu verstehen sind. Auch Gottfried Benn, Dichter und Arzt, zerbrach sich darüber vergeblich den Kopf, als er 1952 sinnierte:
    "Kürten – seinerzeit in Düsseldorf – von sieben bis neun abends Lustmörder, im übrigen Kegelbruder und Familienvater."