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Vor allem mangelt es am Opferschutz

Sie war damals 19 Jahre alt, sie war mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden, es wurde ihr versprochen, dass sie hier als Erntehelferin tätig sein kann, dass sie für drei Monate hier irgendwo arbeiten würde und dann wieder zurück in ihr Land zu ihren Eltern könnte. Sie hat das geglaubt, sie hatte keine Ahnung, was sie hier erwarten wird....

Ursula Welter | 11.02.2003
    Sie war damals 19 Jahre alt, sie war mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden, es wurde ihr versprochen, dass sie hier als Erntehelferin tätig sein kann, dass sie für drei Monate hier irgendwo arbeiten würde und dann wieder zurück in ihr Land zu ihren Eltern könnte. Sie hat das geglaubt, sie hatte keine Ahnung, was sie hier erwarten wird....

    Deutschland im dritten Jahrtausend: Frauen und Kinder gehalten wie Sklaven, prostituiert, der Menschenrechte und ihrer Würde beraubt !

    Gesicherte Statistiken gibt es nicht. Hier sprechen Schätzungen von jährlich 200tausend Opfern europaweit, dort von 500tausend. Die wenigsten Fälle werden bekannt oder gar geahndet. Das Lagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes mit rund 300 Gerichtsverfahren und mehr als 900 Opfern in einem Jahr legt nur die Spitze des Eisberges frei. Der Nachschub für die Bordelle von Flensburg bis Friedrichshafen kommt meist aus Osteuropa. Im Juli letzten Jahres stellen Vereinte Nationen, OSZE und Unicef in einer gemeinsamen Studie die These auf:

    Der Balkan ist zur Drehscheibe des internationalen Menschenhandels in Europa geworden. 90 Prozent aller Prostituierten auf dem Balkan sind als "Ware" an Zuhälter und Bordelle verkauft worden. Der Kaufpreis beträgt in Rumänien zwischen 50 und 200 Euro, im Kosovo werden 700 bis 2500 Euro für eine Frau gezahlt. Immer häufiger geraten Teenager und sogar Kinder in die Fänge der Händler.

    Viele werden weiterverkauft, in die wohlhabenderen Länder. Andere werden angeworben oder - unter Vortäuschung alternativer Arbeitsangebote – angelockt. Deutschland ist Ziel- und Transitland für den Frauenhandel. Neben dem Balkan sind Litauen, Russland, Weißrußland, die Ukraine und Polen die Hauptherkunftsländer. Nur 5 Prozent der Opfer von Menschenhandel in Deutschland stammen aus Asien. Auf einer Fachtagung in Bologna erläutert Professor Dagmar Oberlies vom Frauenforschungszentrum der hessischen Fachhochschulen:

    Frauenhandel ist kein ausschließliches Männerdelikt: Fast jeder fünfte Tatverdächtige war im Jahr 2000 eine Frau. Ein Drittel der Tatverdächtigen sind in Deutschland geborene Deutsche; ein weiteres Drittel kommt aus den mittel- und osteuropäischen Staaten, wenn man die dort geborenen Deutschen hinzurechnet; jeder siebte Tatverdächtige ist türkischer Staatsangehöriger."

    Frauenhandel ist etwas substanziell anderes als die Einreise ausländischer Prostituierter mithilfe von Schleuserorganisationen. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes weiß nur jede fünfte Frau bei der Einreise, dass sie der Prostitution nachgehen soll. Mehr als die Hälfte der Frauen wird über den tatsächlichen Grund der Einreise getäuscht, jede zehnte Frau wird gewaltsam aus ihrem Heimatland verschleppt.

    ....Sie wurde dann hier in ein Hotel gebracht und wurde schon gleich am ersten Abend von dem Hotelbesitzer vergewaltigt, um zu begutachten, ob sie für die Prostitution für tauglich gehalten wird. Diesen Test in Anführungsstrichen hat sie bestanden und wurde dann an ein Bordell in Norddeutschland verkauft.

    Die juristische Definition von Menschenhandel setzt dort an, wo Zwang ins Spiel kommt. Im deutschen Strafgesetzbuch findet sich seit 1992 die geltende Fassung der Paragraphen 180b und 181. Hier sind die Straftatbestände "Menschenhandel" und "schwerer Menschenhandel" geregelt. Der Unterschied wird dort gemacht, wo Drohung mit einem empfindlichen Übel, physische und psychische Gewalt ins Spiel kommen.

    Aber in der Praxis tun sich die Europäer schwer, dem organisierten Verbrechen die Geldquelle "Frau" abzugraben. Die anstehende Osterweiterung der Europäischen Union verschärft das Problem. Korruption im Beamtenapparat, mangelndes Bewusstsein der ermittelnden Behörden, das Fehlen einer Struktur von Nichtregierungsorganisationen, die sich um die Opfer kümmern könnten – das alles erschwert den Kampf gegen den Menschenhandel.

    Aber selbst dem Thema gegenüber aufgeschlossene Länder, wie Deutschland, haben Schwierigkeiten, die Täter angemessen zu verurteilen und damit abzuschrecken. Das Höchststrafmaß von zehn Jahren in Fällen von schwerem Menschenhandel wird selten ausgeschöpft. Geringe Strafen von ein bis vier Jahren sind die Regel, Bewährungen an der Tagesordnung. Renate Augstein vom Bundesfrauenministerium:

    Es ist ein generell schwer nachweisbares Delikt. Wir haben zwei Komponenten, wir haben einmal die Anwerbung und Täuschung der Frauen im Herkunftsland. Und dann haben wir den zweiten Teil, die Ausbeutung der Frauen hier in Deutschland. Und jedes Mal muss auch der subjektive Tatbestand dargelegt werden, das heißt die Absicht. Die Absicht, die Frauen anzuwerben, um sie dann nachher auszubeuten und die Absicht, die getäuscht worden ist, auszubeuten. Das ist sehr, sehr schwierig alles nachzuweisen. Von daher wollen wir den Blick auch darauf legen, nicht nur den Straftatbestand zu erweitern sondern auch zu schauen, wie wir ihn entkomplizieren können. Damit er besser nachweisbar ist, denn was nutzt uns der beste Straftatbestand, wenn nachher kaum jemand danach verurteilt wird.

    Hinzu kommt: Menschenhandel ist ein sogenanntes Kontrolldelikt. Die Polizei muss aus eigenen Erkenntnissen heraus ermitteln, ohne Razzien keine Täter. Aber sind es nur die geltenden Gesetze, die unzureichend für dieses Delikt sind, oder steckt etwas anderes dahinter ? Warum ist die massenhafte sexuelle Ausbeutung von Frauen ein weithin unterschätztes Phänomen ? Liegt es vielleicht auch daran, dass in deutschen Gerichtssälen ein Geist herrscht, der augenzwinkernd vom "ältesten Gewerbe der Welt "fabuliert und die Opfer nicht ernst nimmt ? Die Ordensschwester Lea Ackermann von SOLWODI. hilft mit Ihrem Verein "Frauen in Not" und kümmert sich intensiv um das Thema Menschenhandel. Im vergangenen Jahr veranlasste SOLWODI eine Studie, die herausarbeiten sollte, warum die Taten in Deutschland selten und meist zu milde geahndet werden :

    Manche Verfahren laufen sehr gut und die Zeugin macht Aussagen, sehr glaubwürdig, und der Täter kriegt kaum mehr als eine Strafe, die für ein Kavaliersdelikt ist. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen. Es war ein Verfahren in Köln, dem Täter wurde durch die Zeuginnen dreimal schwerer Menschenhandel nachgewiesen, der Täter war geständig und hat dann zwei Jahre auf Bewährung bekommen. Und das finde ich eine Ungeheuerlichkeit. Einerseits sagt man: Menschenhandel ist en schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit, was es tatsächlich auch ist, wenn man sieht, wie die Frauen fertig gemacht sind, und die stecken das nie mehr weg, nie mehr in ihrem Leben und je jünger sie sind um so kaputter macht sie das und dann kriegt so ein Täter eine Strafe auf Bewährung. Das ist ungeheuerlich.

    Der Täter hat versucht, sie einem neuen Bordell zuzuführen, das hat nicht geklappt, er hat sie dann privat weitervermittelt an andere Männer in Privatwohnungen - oder auch, sie schildert eine Situation, die für sie besonders traumatisch und schlimm war, wo sie auf eine Waldlichtung gefahren wurde, wo dann zehn bis fünfzehn Autos angefahren kamen mit entsprechenden Männern und die im zehn-Minuten-Takt über sie herfielen.

    Dieser Fall, den Renate Hoffmann von SOLWODI schildert, hat den Tätern immerhin acht Jahre Freiheitsentzug eingebracht – eine Ausnahme. Die Fachleute beobachten, dass im Süden Deutschlands, wenn Fälle von Menschenhandel vor Gericht kommen, das Strafmaß bereitwilliger ausgenutzt werde.

    Prostitution ist in Deutschland nicht verboten, kann aber von den Kommunen eingeschränkt werden. Auch verstößt Prostitution seit rund einem Jahr nicht mehr per se gegen die guten Sitten, seit der Gesetzgeber den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen geöffnet und Arbeitsverträge mit Bordellbetreibern ermöglicht hat.

    Diese gute Absicht des Gesetzgebers helfe etablierten Prostituierten, nicht aber den Frauen im Untergrund, denen, die gegen ihren Willen festgehalten und zum Sex gezwungen werden, kritisiert SOLWODI. Im Bundesfrauenministerium heißt es, hier habe der Gesetzgeber in einem Zielkonflikt gesteckt. Im Gerichtssaal jedoch, dort, wo die Fälle von Zwangsprostitution und Menschenhandel verhandelt werden, stellen Lea Ackermann und ihre Mitarbeiterinnen fest, dass die neue Gesetzeslage eine Haltung nährt, die den Opfern ihre Glaubwürdigkeit streitig macht und den Tätern Zwangsprostitution als Kavaliersdelikt auslegt. Ein Beispiel von vielen:

    Aachen. Der Prozess läuft fast 9 Monate, das Opfer muss immer und immer wieder aussagen – 22 Stunden insgesamt, Wartezeiten und Unterbrechungen nicht mitgerechnet. Dem Täter wird nachgewiesen, dass er hochorganisiert mithilfe von Kontaktpersonen Frauen aus Holland, Tschechien, Weißrussland und Litauen nach Deutschland holt und in die Prostitution zwingt. Im vorliegenden Fall wird er wegen Menschenhandels zu vier Jahren verurteilt, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Strafkammer will dem Täter, unter Hinweis auf den Resozialisierungsgedanken, zweihunderttausend Mark zurückgeben, die die Staatsanwaltschaft zur Gewinnabschöpfung beschlagnahmt hatte. Gleichzeitig sieht sich die Kammer im Schadensersatzverfahren außerstande, das Leid zu beziffern, das dem Opfer angetan wurde.

    "Sie hatte keine Chance, sich aus dieser Situation zu befreien, sie wurde in dieser Privatwohnung festgehalten, ihr wurde der Pass weggenommen, ihr wurde gesagt, wenn Du jetzt von der deutschen Polizei aufgegriffen wirst, dann kommst Du für zehn Jahre ins Gefängnis, weil Du ohne Pass und illegal hier in Deutschland bist, sie hatte keine Ahnung, wie die Situation hier tatsächlich ist, sie konnte kein Wort Deutsch- von daher hatte sie keine Möglichkeit, sich zu befreien.

    Werden die Frauen bei Razzien entdeckt und ist die ermittelnde Polizeibehörde ausreichend informiert, werden im Idealfall die meist nichtstaatlichen Fachberatungsstellen eingeschaltet . In Deutschland haben mutmaßliche Opfer von Menschenhandel das Recht, mindestens vier Wochen lang nicht abgeschoben zu werden und sich beraten zu lassen, ob sie in einem Prozess aussagen machen wollen oder nicht. So steht es auf dem Papier. Lea Ackermann:

    Es ist so das Klassische, wie es die Politiker sich gerne auf die Fahnen schreiben. Die Politiker sagen, sie können vier Wochen hier bleiben, können eine Aussage machen oder nicht, können sich das überlegen. Sie sagen überhaupt nicht, wer das finanziert und wo die Frauen untergebracht werden sollen. Denn, wenn diese Frauen in unseren Schutzhäusern untergebracht werden, und sie wissen nicht, ob sie aussagen machen, aber im Schutzhaus sind andere Frauen, die Aussagen machen , dann können die die leicht verraten. Also ist das ein Unsicherheitsfaktor. Die Polizei selber hat auch kein großes Interesses daran, Frauen zu betreuen, die eventuell aussagen werden. Diese Frauen sind schneller im Flugzeug oder im Zug als sie es sich überlegen können und wenn die Polizei die Haftzelle als den Ort sucht, wo die Frauen es sich überlegen können, dann fällt auch keiner Frau mehr was ein.

    Es mangelt an Geld. Der Staat delegiert die Opferbetreuung an die Nichtregierungsorganisationen, nennt ihre Arbeit wertvoll – so auch in den neuesten Papieren, die in Brüssel formuliert wurden – tut dies allerdings aus seiner Finanznot heraus. Denn die Betreuungsarbeit für die Opfer ist aufwendig . Die Frauen brauchen Kleidung und nicht zuletzt Sprachunterricht. Sie sind traumatisiert und müssen psychologisch betreut werden. Zumal sie in den Prozessen im Angesicht der Täter aussagen müssen.

    Die Frau, als sie zu uns kam, hat recht schnell viele körperliche Symptome produziert, sie hatte Unterleibsschmerzen, es wurde deutlich, dass sie sich da auch eine Eileiterentzündung und irgendwelche Bakterien geholt hatte durch diese vielfältigen Geschlechtsverkehre ohne Kondom auch, sie hatte größte Schwierigkeiten überhaupt Nahrung, Flüssigkeit zu sich zu nehmen, sie konnte nachts nicht schlafen, ist immer wieder aufgeschreckt, hatte Alpträume, hatte Depressionen, spricht heute auch immer noch von Suizidgedanken und gerade vor den Prozessen tauchen all diese Symptome wieder auf.

    Die Zeugin lebt in einer Schutzwohnung in ständiger Angst vor Rache . Auch diese Schutzwohnungen werden von den nicht-staatlichen, häufig kirchlich und karitativ unterstützten Vereinen, gestellt und finanziert. Ob SOLWODI, COBRA, AGISSRA oder COFRA - die meisten Vereine in Deutschland sind auf Spendengelder angewiesen. Die Helfer versuchen den Frauen eine Lebens-Perspektive zu geben. Dazu, sagt Lea Ackermann, brauche es allerdings kalkulierbare Rahmenbedingungen und nicht behördliche Hürdenläufe. Duldung der Frauen helfe nicht weiter, alle drei Wochen zur Ausländerbehörde zu laufen auch nicht. Es müsse von vorneherein Aufenthaltstitel für zwei oder drei Jahre geben.

    So weit geht der jüngste Vorschlag der EU-Kommission allerdings nicht. Der Aufenthaltstitel, über den in Brüssel verhandelt wird, soll sechs Monate betragen. Michael Gahler, Abgeordneter der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament:

    Wir haben jetzt den Vorschlag der Kommission zum Kampf gegen den Menschenhandel, wo man sich zunächst mal auf eine Definition des Menschenhandels geeinigt hat, wo man auch möchte, dass das Strafmaß für Menschenhandel , wenn damit Gewalt auch verbunden ist, auf mindestens 8 Jahre in allen Mitgliedsländern vereinheitlicht wird und auch, dass die Opfer geschützt werden und vor allen Dingen auch dadurch, dass sie in dem Land der EU, in dem sie sich aufhalten bis zu sechs Monate ein Aufenthaltsrecht bekommen, wenn sie mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten – dazu haben sie 30 Tage Bedenkzeit, wenn sie das möchten.

    Diese Vorlage der EU-Kommission wird in Berlin im Grundsatz begrüßt, allerdings – so Renate Augstein vom Frauenministerium – zeige sich auch hier, dass Fälle von Menschenhandel gerne in einen Topf mit illegaler Einreise geworfen würden:

    Da geht es um einen kurzfristiges Aufenthaltsrecht für mitwirkungsbereite Opfer von Schleusung und von Menschenhandel – und diese Vermischung finden wir sehr daneben, das geht einfach nicht. Schleusung ist ein ganz anderes Delikt als Menschenhandel. Menschenhandel ist eine Menschenrechtsverletzung, mit Opfern von Menschenhandel müssen wir ganz anders umgehen, das dürfen wir nicht davon abhängig machen ob die mitwirkungsbereit sind oder nicht und Schleusung ist etwas ganz anderes und diese Vermischung, die nervt.

    Die Angst der Innen- und Justizbehörden vor Einfallstoren für Einwanderer ist groß. So ist selbst die 30-Tage-Frist nicht unumstritten und es wird sich zeigen, ob der Europäische Rat der Vorlage von Kommission und Parlament zustimmt. Ob in Resolutionen der Vereinten Nationen oder in konkreten Vorschlägen der Europäischen Union, Zwangsprostitution und der Handel mit Frauen und Kinder zur sexuellen Ausbeutung erfreut sich intensiver politischer Beachtung . In der Praxis jedoch fehlt es an Erfolgen, klingt die Absicht der EU einen Raum "der inneren Sicherheit, der Freiheit und des Rechts" schaffen zu wollen, wie blanker Hohn. Vor allem mangelt es am Opferschutz. Regelmäßig werden Frauen, sobald sie in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, von Schleppern aufgespürt und erneut in die Prostitution gedrängt. Trotz dieser Bedrohungslage wurden in Deutschland im Jahr 2000 gerade einmal 4,9 Prozent der Frauen in polizeiliche Schutzprogramme aufgenommen – meldet das Bundeskriminalamt. In einer SOLWODI-Studie heißt es dazu:

    "Dies hängt damit zusammen, dass die Gefährdungslage häufig nicht ernst genug genommen wird und sie zweitens nicht als wichtige Zeuginnen eingestuft werden, da ihre Kenntnisse über die Hintermänner und die Täterstrukturen als zu gering angesehen werden. Die persönliche Gefahr, der sie ausgesetzt sind, und die sich auf Grund ihrer Aussage noch verschärft, wird insgesamt als nicht ausreichend bewertet. Seit Dezember 2001 gilt das neue Zeugenschutzharmonisierungsgesetz. Jedoch wurden die Kriterien der Aufnahme in den Zeugenschutz nicht verändert. Die Frauen gelten nur als schützenswert, wenn sie wesentliche Angaben zur Aufklärung machen oder voraussichtlich machen werden. Sonst ist die persönliche Gefährdung der Frauen durch die Zuhälter und Händler, die eine Aussage verhindern wollen, nach wie vor irrelevant."

    Die polizeilichen Schutzprogramme bedeuten Aufenthaltsrecht, finanzielle Absicherung und Schutz der Angehörigen - sind aber nach Auffassung der Bundesregierung in ihrer jetzigen Form für die Opfer von Menschenhandel nicht geeignet. Renate Augstein vom Bundesfrauenministerium :

    Das Zeugenschutzprogramm ist mehr so auf Kronzeugen zugeschnitten, die eine neue Identität bekommen, die dann irgendwo in Hintertupfingen ein neues Leben anfangen – das kann man aber mit solchen Opfern von Menschenhandel schlicht nicht machen, die brauchen eine besondere Betreuung. Und deshalb hat die Arbeitsgruppe Frauenhandel ein neues Konzept erarbeitet, das so genannte Kooperationskonzept – das ist also ein besonderes Zeuginnenschutzprogramm, da arbeiten Polizei und Fachberatungsstellen zusammen, die Polizei ist zuständig für den Schutz der Frauen und die Fachberatungsstelle für die Betreuung der Frauen, was eben in normalen Zeugenschutzprogrammen, wo die Polizei all das machen muss, nicht möglich ist, die Polizei wäre schlicht überfordert.

    Alle Ansätze des Gesetzgebers, diesen Zweig der Organisierten Kriminalität austrocknen zu lassen, liefen jedoch ins Leere, sagt Lea Ackermann von SOLWODI, wenn sich an der Grundhaltung in der Gesellschaft nichts ändere. Es werde von den Tätern und von den Opfern gesprochen, nicht aber von den Kunden. Von den Männern, der zahlenden Kundschaft, die sich viel zu häufig nicht dafür interessiere, in welchem Zustand die meist jungen Frauen seien, und die die Hilferufe nicht ernst nähmen.

    Es wäre eigentlich doch mal wichtig, dass die Kunden über ihr Sexualverhalten mal nachdenken … was in den Bordellen passiert, hat nicht viel mit Sexualität zu tun, es hat mit Machtmissbrauch zu tun, "Ich zahle und Du machst, was ich will", und dass das in der Gesellschaft kaum angesprochen wird.