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Vor Bachmann-Prozess
Pegida hat Dresden gespalten

Pegida-Gründer Lutz Bachmann steht ab heute vor Gericht. Er muss sich wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten, wofür ihm eine Gefängnisstrafe droht. Nach anfänglichen Massenveranstaltungen ist Bachmanns islamfeindliche Bewegung inzwischen geschrumpft. Doch noch immer jubeln ihm Montag für Montag Hunderte Menschen zu.

Von Bastian Brandau | 19.04.2016
    Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann bereitet sich am 21.03.2016 auf eine weitere Kundgebung der islamfeindlichen Pegida-Bewegung auf dem Theaterplatz in Dresden (Sachsen) vor.
    Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann muss sich wegen des Vorwurfes der Volksverhetzung vor Gericht verantworten. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Das Café Aha in der Dresdner Innenstadt, direkt gegenüber der Kreuzkirche. Montag Nachmittag, die Tische im Außenbereich sind leer. Drinnen gibt es fair gehandelten Kaffee, Bio-Produkte. Eine Treppe führt in den Keller zum Eine-Welt-Laden. Geschäftsführerin Claudia Greifenhahn, kurze schwarze Locken, ist gut gebräunt aus vier Wochen Urlaub im Vietnam wiedergekehrt. Dieser Montag ist ihr erster Arbeitstag. Und schon wieder sagt sie, ist da dieser Kloß im Hals:
    "Also ich gehe montags nicht gerne zur Arbeit, erstens. Zweitens gewöhne ich mich dran, obwohl ich das nicht möchte. Und versuche ab Dienstag den Abstand wieder zu kriegen. Aber ich merke, dass ich montags ab 14:15 Uhr wenn auch die Gäste ausbleiben, wenn auch die ersten Fahnen hier ankommen, doch eine große Bedrücktheit sich meiner bemächtigt. Und ich auch eine Wut kriege und mich gleich wieder hinsetzen würde und gleich wieder Briefe schreiben."
    "Man gewöhnt sich dran"
    Im Dezember hat Claudia Greifenhahn in einem offenen Brief an Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert geschrieben. Und dabei klar das benannt, was sie als Mensch und Geschäftsfrau in Dresden stört: Protest schön und gut, aber warum bekommt eine offen rassistische Gruppierung Woche für Woche Raum zum Hetzen in der Dresdner Innenstadt? Jetzt, einige Monate später, überlegt sie, was sich seitdem verändert hat.
    "Man gewöhnt sich dran, lebt damit und wartet, bis es vorbei ist. Ich habe ein bisschen die Hoffnung, dass dadurch, dass auch wirklich dort nichts passiert, also auch inhaltlich nicht und nichts nach außen geht, was sich irgendwie verändern könnte, sondern einfach nur geschimpft, gemeckert und vor allem aber gehetzt wird und das im großen Stil, dass vielleicht immer mehr Leute aufwachen und sagen: Das ist eigentlich nicht, was wir wollen."
    Nach anfänglichen Massenveranstaltungen ist Pegida inzwischen auf einen Kern von 2.000 bis 3.000 regelmäßigen Teilnehmern geschrumpft. Weniger Teilnehmer, dafür eine immer schärfere Rhetorik bei den Pegida-Anführern wie Lutz Bachmann. Der muss sich nun wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung vor Gericht verantworten. Der verurteilte Einbrecher und Drogendealer, der vor den Behörden nach Südafrika geflohen war. Dessen Persönlichkeit ein ebenso großer Widerspruch ist wie seine Reden. Und dem Montag für Montag die Menschen zujubeln.
    Claudia Greifenhahn: "Für die Leute, die uneingeschränkt hinter ihm stehen, wird es in Richtung Märtyrertum gehen, und es wird wieder von "Lügenpresse" und falscher Politik gesprochen werden. Aber es wäre für all die anderen ein sehr gutes Zeichen, wenn da endlich mal was passieren würde und man sich nicht duckt vor dieser sogenannten Besorgnis. Die keine Besorgnis ist, sondern Hass. Also ich würde es mir wünschen, dass da endlich mal ein Zeichen gesetzt wird."
    Ab 17 Uhr Aufbau der Pegida-Bühne
    Von Greifenhahns Aha-Café sind es nur wenige Schritte, an der Kreuzkirche vorbei, bis zum Altmarkt.
    Gegen 17 Uhr ist ein LKW vorgefahren, mehrere Männer beginnen mit dem Aufbau der Pegida-Bühne. Kaum beachtet von den Passanten, die in der Abendsonne sitzen. In 90 Minuten werden hier Fahnen wehen und fremdenfeindliche Parolen von der Bühne gebrüllt werden.
    Claudia Greifenhahn: "Also auf die Stimmung hat es keine Auswirkungen, das flacht glaube ich ab, das wird im Sand verlaufen, so wie es von der Politik sicher auch gewollt ist. Lachen, armes Deutschland. Es hat Dresden gespalten, definitiv. Es wird auch in den Medien immer mehr verbreitet, dass im Osten immer mehr Rechtsextremismus herrscht. Von daher ist es mit Vorsicht zu betrachten, hat auch was."
    An der Straßenbahnhaltestelle steht eine Gruppe Frauen um die Fünfzig. Sie halten Schilder hoch. "Dresden bleibt Deutsch" ist darauf zu lesen oder "Keine Moschee" oder "Wir wollen keine Asylantenheime".
    Reporter: "Hallo, ich komme vom Deutschlandradio. Darf ich Sie fragen, was Sie hier machen?"
    Passantin: "Das sehen sie doch. Wir stehen hier, weil wir Menschen sind, weil das unser Dresden ist und da stellen wir uns einfach hierher. Würden Sie bitte zur Seite treten, weil wir wollen dass die Menschen die Schilder sehen. Danke."
    Und was wohl in jeder anderen Stadt eine Satire-Aktion sein müsste, ist in Dresden montägliche Realität. Diskussion? Erklärung. Es scheint zwecklos.
    Gegendemo zwischen Semperoper und Schloss
    Zum Theaterplatz. Dresdens prächtigster Platz zwischen Semperoper und Schloss ist heute Schauplatz der Gegendemonstranten. Auf der Ladefläche eines LKW bewegen sich etwa 20 Musiker. Früher hießen sie Banda Comunale, nun hat die Band etwa 15 geflüchtete Musiker aufgenommen. Jetzt ist sie die Banda Internationale. Und lebt Integration vor. Die Musiker spielen hier auf Einladung von Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping. Sie will den Gegenprotest unterstützen; gekommen sind auch etwa 200 Teilnehmer des Bundeskongresses der Integrationsbeauftragten, der gerade in Dresden stattfindet. Klarinettist Michal Tomaszewski freut sich über den Zuspruch für den aus seiner Sicht immer noch notwendigen Protest gegen Pegida.
    "Ich habe echt die Schnauze voll und Gottseidank ebbt das in Dresden ein wenig ab. Was mich vielmehr erschreckt ist das, womit die AfD rauskommt, und wie ähnlich das letztendlich dem ist, was Pegida seit eineinhalb Jahren von sich gibt."
    Tomaszewski ist sauer, fühlt sich von der Politik und der Zivilgesellschaft im Kampf gegen rechts im Stich gelassen.
    "Für mich hat Dresden auf einer sehr breiten Front versagt. Und woran es jetzt an der Zeit wäre, ist sich darüber Gedanken zu machen. Vielleicht hilft es manchen, wenn er verurteilt wird, das bezweifle ich aber, ehrlich."
    Lutz Bachmann hat schon mehrfach klargemacht, dass er sich für unschuldig hält. Und das sehen auch seine Anhänger auf dem Altmarkt so.
    Pegida-Anhänger: "Also auf alle Fälle unschuldig. Auf alle Fälle. Er hat ja seine Meinungsfreiheit geäußert und von daher sehe ich da kein Problem. "
    "Was er da geäußert hat, hat jeder mal am Stammtisch geäußert."
    "Mir rutscht auch so was mal raus, ihnen vielleicht auch, jetzt vielleicht nicht gerade in der Beziehung. Aber Sie sagen auch manchmal zu einem Du Arschloch."
    Reporter: Sie sagen auch manchmal "Viehzeug"und "Pack" zu Asylbewerbern?
    Pegida-Anhänger: "Nee, noch nie. Weil ich finde, das hat er ja auch widerrufen, das ist vollkommener Quatsch, das ist nicht unsere Zielgruppe".
    Verhärtete Fronten auf beiden Seiten
    Auf ihrem Rundgang treffen die Gegendemonstranten am Altmarkt ein. Der Zug bleibt stehen. Nur die Straßenbahngleise und die Polizeibeamten trennen die beiden Lager, die Beschimpfungen und abwertende Gesten austauschen. Mehr scheint es, hat man sich in Dresden derzeit nicht zu sagen.
    Zu festgefahren sind die Diskussionen. Dann zieht der Tross, bestehend aus den rund 200 Integrationsbeauftragten und rund 400 jungen Gegendemonstranten los:
    "Wir waren mal weniger, jetzt sind wir ein paar mehr. Stört uns überhaupt nicht, finden wir ziemlich gut und andere Dresdner auch. Gleichzeitig auf dem Altmarkt versammeln sich seit ich weiß nicht wie viel Wochen Menschen, die Jungs und Mädels wie die hier auf der Bühne einfach nicht haben wollen. Am Wochenende sind wieder hundert Menschen im Mittelmeer ertrunken. Leute, wie unsere neuen Kollegen. Die wegen der geschlossenen Balkanroute Gummiboote nutzen müssen, um vor dem Krieg zu fliehen."