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Vor dem Bundesverfassungsgericht

Wenn wir die Ökosteuer an so einem Standort betrachten, liegt die rund bei siebzig-, achtzigtausend Euro im Jahr. Und wenn Sie die dann in Personalkosten umlegen, dann sind das immer noch zwei bis drei Mann.

Von Gudula Geuther und Gerhard Schroeder |
    Die Betreiber gewerblicher Kühlhäuser klagen besonders über die Belastung durch die Öko-Steuer – so der Leiter einer Niederlassung der Markt- und Kühlhallen AG in Mannheim, Karl-Heinz Hoffmann. Die branchenspezifischen Nöte sollen nun die ganze Abgabe in Frage stellen. Denn Lagerhaus-Betreiber versuchten im vergangenen Dezember, die Karlsruher Verfassungsrichter von der Grundrechtswidrigkeit des ungeliebten Gesetzes zu überzeugen – ebenso wie diverse Spediteure, die die erhöhten Spritpreise beklagten. Morgen verkünden die Richter ihr Urteil.

    Dabei liegt eine Schwierigkeit für die Kühlhausbetreiber auf der Hand: Kälte wird mit Energie erzeugt. Dazu Hoffmann:

    Hier sind wir in einer Tiefkühlhalle mit einer Temperatur von minus sechsundzwanzig Grad – das werden Sie also selbst schon spüren. Und hier haben wir eine Halle mit einem Verschieberegal und mit etwa dreizehntausend Stellplätzen.

    Eine der Hallen nur, in der sich Kiste an Kiste auf meterhohen Regalen stapelt.

    Hier haben wir Rückenspeck, hier haben wir Stielkotelett, hier haben wir Kutterbauch – also alle Warensorten, die das Schwein hergibt.

    Hundertfünfundsechzigtausend Kubikmeter – Platz für sechsunddreißigtausend Paletten - werden hier auf teils klirrende Minus-Temperaturen gebracht. Das trägt sich nur, wenn die Anlage halbwegs ausgelastet ist. Das Ringen um Aufträge werde aber immer härter, so Hoffmann.

    In den letzten Jahren sei es nötig geworden, zusätzliche Serviceleistungen anzubieten:

    Wir sind jetzt in einem Raum, der bei plus vier, plus fünf Grad läuft. Und hier haben wir ein Projekt gestartet mit einem unserer wichtigsten Kunden und verlesen für den Obst und füllen diese dann in größere Gebinde ab, die dann anschließend direkt in die Produktion wandern.

    Solche zusätzlichen Leistungen mögen Arbeitsplätze schaffen – in Mannheim allerdings nur für Zeitarbeitskräfte. Oft lassen sich die zusätzlichen Kosten auch nicht weitergeben.

    Wenn auch solche Sorgen von Kühlhausbetreibern und – in anderer Weise – von Spediteuren den Schwerpunkt des Karlsruher Verfahrens ausmachen: Die Richter könnten auch zu dem frühen rot-grünen Prestigeprojekt als Ganzem Stellung nehmen. Wie steht die Steuer also nach fünf Jahren da?

    Nicht nur bei Spediteuren und Kühlhausbetreibern ist die Ökosteuer unbeliebt - auch in der Bevölkerung. Vor allem unter Autofahrern und Hausbesitzern ist mit dem rotgrünen Vorzeigeprojekt kaum Staat zu machen. Das räumt auch Reinhard Loske ein, Umweltexperte von Bündnis 90/ Die Grünen und einer der entschiedensten Verfechter der Ökosteuer.

    Die Ökosteuer ist zwar ein effektives Instrument, aber sie ist sehr unbeliebt. Das ist ja ganz offenkundig, wenn sie Umfragen machen. Das ist natürlich ein Teil des Problems. Das muss man sehen. Die Akzeptanz ist niedrig. Der Mechanismus ist nicht gut genug erklärt worden. Das ist bislang versäumt worden.

    In fünf Stufen hat die rotgrüne Regierung die Energiepreise in den vergangenen fünf Jahren erhöht – und das stieß vielen bitter auf. Im Herbst 2000 schwoll die Wut über die hohen Spritpreise derart an, dass die Regierung sich zur Kompensation genötigt sah: Die Pendlerpauschale wurde erhöht.

    Damit durchkreuzte die rotgrüne Koalition allerdings genau das, was sie mit der Ökosteuer eigentlich erreichen wollte: Anreize zum sparsamen Verbrauch durch höhere Preise schaffen. Und beliebter wurde die Ökosteuer dadurch auch nicht. Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, kündigte im Wahlkampf 2002 an:

    Das wird eine meiner ersten Handlungen sein, die fünfte Stufe der Ökosteuer nicht in Kraft zu setzen.

    Solche Töne kommen vor allem bei den Wirtschaftsverbänden gut an. Der Bundesverband der Deutschen Industrie kämpft seit Jahren energisch gegen die Ökosteuer. Denn der Klimaaufschlag habe vor allem eine Wirkung: Er gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und forciere die Produktionsverlagerung ins Ausland. BDI-Geschäftsführer Klaus Bräunig:

    Die Ökosteuer bleibt ein grüner Irrweg, und sie hat ihre Ziele nicht erfüllt. Ihre ökologische Lenkungswirkung ist zweifelhaft. Sie ist ein Abkassieren an der Tanksäule. Die Ökosteuer ist eine nationale Steuer. Sie erschwert uns im internationalen Wettbewerb die Wettbewerbsstärkung.

    Selbst in der Koalition ist die Begeisterung über die einstige Wunderwaffe inzwischen verblasst. Am 1. April 2003 ist die fünfte – und vorerst letzte Stufe der Ökosteuer in Kraft getreten. Und damit soll es auch gut sein, meint Franz Müntefering, Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD:

    Da gehe ich davon aus, dass es weitere Erhöhungen nicht gibt.

    Die Ökosteuer also ein Auslaufmodell? Dabei war sie doch das Modellprojekt der rotgrünen Koalition. Der Hebel, um das Land – wie es so schön heißt – ökologisch zu modernisieren, und gleichzeitig neue Jobs zu schaffen. Ein Investment mit doppelter Dividende, meinten die Befürworter, denn die Einnahmen aus der Ökosteuer behält ja nicht der Staat für sich, sie fließen in die Rentenkasse und sorgen so dafür, dass die Sozialbeiträge entlastet werden, Arbeit also billiger wird.

    Und natürlich soll das Klima geschützt werden – und zwar ganz marktwirtschaftlich über den Preis, was unter Ökonomen Anklang findet. Der Würzburger Ökonom Wolfgang Wiegard, Vorsitzender des Sachverständigenrates:

    Ein Emittent von Schadstoffen verschmutzt die Umwelt, aber die dadurch entstehenden Schäden werden ihm selbst nicht in Rechnung gestellt. Dann besteht natürlich ein Anreiz, die Umwelt stärker zu verschmutzen, weil es ihn ja nichts kostet. Die Ökosteuer hat nun die Funktion, diese Kosten dem Verursacher in Rechnung zu stellen. Das ist der Sinn der Ökosteuer.

    Die Grundidee, den Schadstoffausstoß durch höhere Preise zu belasten und so das Klima zu schützen, hält auch Rolf Peffekoven für richtig. Aber – so der Mainzer Finanzwissenschaftler weiter - die Umsetzung sei nicht in allen Punkten gelungen, die Verwendung der Einnahmen für die Rentenkasse ein Fehler. Aber insgesamt sei die Ökosteuer durchaus erfolgreich gewesen, meint der Wirtschaftsprofessor Rolf Peffekoven.

    Was nicht zu bestreiten ist, ist natürlich, dass über die Ökosteuer ein Prozess eingesetzt hat, auch z. B. bezinsparende Autos zu produzieren, dass in der Technik des Hausbaus viele Maßnahmen verwirklicht worden sind, die energiesparend wirken. Das lohnt sich ja auch letzenendes dann, wenn die Ökosteuer eine fühlbare Höhe hat. Und das hat sie ja inzwischen bei uns.

    Das gilt vor allem für die Autofahrer. Die haben in den vergangenen vier Jahren sensibel auf die höheren Preise reagiert. Um zehn Prozent ist der Spritverbrauch in Deutschland zurückgegangen, sagt der Grünen-Politiker Reinhard Loske:

    Summa summarum würde ich sagen: Die Lenkungswirkung der Ökosteuer lässt sich primär im Bereich Verkehr und etwas moderater im Bereich der privaten Haushalte zeigen. Im Bereich der Industrie ist sie nur sehr begrenzt.

    Dass die Einsparungen in der Industrie nicht so groß sind, überrascht nicht. Große Unternehmen können nicht von heute auf morgen ihren Energieverbrauch drosseln. Dazu sind meist große Investitionen in neue Anlagen nötig, und das dauert seine Zeit.

    Im Übrigen täten die Unternehmen ohnehin schon genug für den Klimaschutz, meint Klaus Bräunig vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Er verweist auf die Verpflichtung der Industrie, die Emissionen bis 2012 freiwillig zu senken. Die Ökosteuer sei daher überflüssig und habe nur eine Wirkung: Sie führe zu höheren Kosten und benachteilige die deutsche Industrie.
    Steigende Preise haben dann eine Lenkungswirkung, wenn ich darauf reagieren kann. Wenn ich meine Produktion mit Energie organisieren muss, habe ich schon betriebswirtschaftlich allen Grund, alle Energiereserven, Effizienzsteigerungen im Unternehmen durchzuführen. Wenn dann noch die Preise auf Energie heraufgesetzt werden, hat das keine zusätzliche Lenkungswirkung, sondern nur Verteuerung der Produktion. Das ist keine vorausschauende Umweltpolitik.

    Kritiker sehen allerdings noch einen anderen Grund für den geringen Elan der Wirtschaft beim Energiesparen: Viele trifft die Ökosteuer kaum, weil sie von den weitreichenden Ausnahmeregelungen profitieren. Das räumt auch der Grünen-Politiker Loske ein:

    In diesem Spannungsfeld hat sich die rotgrüne Koalition im Prinzip für eine Mischlösung entschieden, dass man sagt, grundsätzlich gilt die Ökosteuer für alle. Für diejenigen aber, die einen besonders hohen Anteil an Energiekosten haben, gilt eine Sonderregelung. Dass diese Sonderregelung insgesamt etwas zu günstig ausgefallen ist, das ist allerdings zutreffend, so dass wir da noch einmal früher oder später nachjustieren müssen.

    Auch der Wirtschaftswissenschaftler Peffekoven sieht die Ausnahmeregelungen kritisch, sie verwässerten das umweltpolitische Ziel, um die Nachteile für die Wirtschaft zu mindern. Ein schwieriger Balanceakt:

    Solche Entlastungen sind ja nun wiederum umweltpolitisch falsch, denn wenn etwa in der Zementindustrie, in Stahlwerken hohe Emissionen entstehen, dann muss da natürlich auch eine hohe steuerliche Belastung vorgesehen sein. Hier haben wir den typischen Zielkonflikt, den die Ökosteuer mit sich bringt, nämlich auf der einen Seite die umweltpolitische Zielsetzung - da muss man alle Emissionen mit dem möglichst gleichen Steuersatz belasten - und auf der anderen Seite die wirtschaftspolitische Problematik. Man kann die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft damit natürlich nicht unerheblich beeinträchtigen.

    Allerdings wird die Wirtschaft durch die Ökosteuer auch massiv entlastet: Denn die Einnahmen fließen in die Rentenkasse. Im vergangenen Jahr allein rund 18 Milliarden Euro. Dadurch wurde der Rentenbeitrag relativ stabil bei 19,5 Prozent gehalten. Ohne den Klimaaufschlag wäre er auf über 21 Prozent gestiegen – mit fatalen Folgen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt.

    Ohne die Einnahmen aus der Ökosteuer, würde der Rentenversicherungsbeitrag heute bei 21,2 Prozentpunkten liegen und nicht bei 19,5. Unsere Theorie war ja immer, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Anreize zum Energieeinsparen und Anreize zur Beschäftigung von Menschen geben. Ich glaube, das ist positiv.

    Die Bilanz der Ökosteuer fällt gemischt aus. Sie hat zu sparsamerem Energieverbrauch geführt, wenn auch nicht so durchschlagend, wie Befürworter erwartet hatten. Sie hat die Rentenkasse entlastet, ist aber nach wie vor ausgesprochen unbeliebt, auch innerhalb der Regierungskoalition, weil sie die Wirtschaft belastet. Für Wirtschaftsminister Wolfgang Clement das falsche Signal in schwierigen Zeiten:

    Wir werden 2012 das Kyoto-Ziel erreichen, und wir werden auf der Welt, wahrscheinlich neben Großbritannien und Luxemburg, die einzigen sein, die sicher dieses Ziel erreichen. Wir sind absolute Weltspitze. Deshalb empfiehlt es sich doppelt, dass wir einmal überlegen: Sind wir nachher allein in der Weltspitze? Man muss ja mindestens die ersten drei und noch ein paar mit sich haben, sonst läuft man weit vor der Truppe und hat die Wettbewerbsfähigkeit verloren. Das ist nämlich das Problem.

    Clement hat die Zukunft der Ökosteuer insgesamt in Frage gestellt, und damit Krach mit dem Koalitionspartner provoziert. Anlass für die Kritik des Wirtschaftsministers ist die nun geplante Einführung von Verschmutzungsrechten, der so genannte Emissionshandel. Damit werde die Ökosteuer für die Industrie überflüssig, meint Clement.

    Wenn man ein neues Instrument einführt wie den Emissionshandel und wenn der dann mit wirklichen Wirkungen arbeitet, das wird etwa im Jahr 2007 der Fall sein, dann muss man zu dem Zeitpunkt fragen: Ist alles das, was wir nebeneinander in der Energiewirtschaft haben, noch vertretbar? Oder muss man da Veränderungen vornehmen? Das ist die Ökosteuer, das ist das Kraftwärmekopplungsgesetz, das ist das Energieeinspeisegesetz und das ist eben dann der Emissionshandel.

    Der Emissionshandel funktioniert nach einer simplen Idee: Den Unternehmen werden künftig Verschmutzungsrechte zugeteilt. Wer mehr Klimagifte ausstoßen will, muss zusätzliche Rechte kaufen, wer mit weniger auskommt, kann seine Rechte verkaufen. Ein zukunftsweisendes Modell, meint der Ökonom Rolf Peffekoven – vorausgesetzt die Verschmutzungsrechte sind teuer genug, sprich: Klimaschutz muss sich lohnen.

    Ich halte für richtig, dass solche Emissionsrechte handelbar sind. Die müssen auch knapp gehandelt werden. Denn wenn sie nicht knapp sind, haben sie auch keinen Preis, und dann ist es uninteressant, diese Emissionsrechte zu verkaufen, für jemand, der an sich technisch eine Verbesserung seiner Produktion durchführen könnte. In Zukunft wird er ja überlegen: Lohnt es sich nicht doch eine Produktionstechnik einzusetzen, bei der weniger Emissionen entstehen, und dafür die Emissionsrechte, die ich dann nicht mehr brauche auf dem Markt gegen gutes Geld zu verkaufen. Er würde ja dann praktisch zu seinen Investitionen eine Art Zuschuss bekommen.

    Selbst der Grünen-Politiker Reinhard Loske, ein entschiedener Verfechter der Ökosteuer, könnte sich mit einem Verzicht auf die Ökosteuer anfreunden – wenn sich der Emissionshandel tatsächlich bewährt, denn dann wäre auch Schluss mit den großzügigen Ausnahmeregelungen für die Industrie. Loske sieht deshalb der Zukunft der Ökosteuer und auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit großer Gelassenheit entgegen.

    Wie wir die Lage heute einschätzen, wird das Gesetz bestätigt werden. Wenn es aber nicht so wäre, dann würde es nur um die Frage gehen: Wie gestaltet man die Sonderregelungen neu? Da gibt es so einen Abgrenzungsfall. Die Kühlhäuser sagen, wir haben auch viel Energieverbrauch, gehören aber dem Dienstleistungsgewerbe an und nicht dem produzierende Gewerbe und werden deshalb benachteiligt. Wir halten das Argument nicht für stichhaltig. Aber wenn es zu einem anderen Urteil käme, müsste man entsprechende Anpassungen vornehmen. Das heißt, die Ökosteuer selber steht nicht zur Debatte, sondern zur Debatte stehen die Sonderregelungen. Diese Sonderregelungen gehören abgeschmolzen, denn es ist auf Dauer nicht einsehbar, dass der Bürger zahlt, die Industrie aber nicht.

    In der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe im vergangenen Dezember versuchten die Verfassungsrichter dann allerdings doch, sich ein breiteres Bild vom Erfolg oder Scheitern der Ökosteuer zu machen. Schnell wurde aber deutlich: In fast allen Bereichen sind sich die Experten uneinig. Welches Plus für die Umwelt erreicht wurde, wie viele Arbeitsplätze geschaffen wurden – all diese Fragen sind schwer isoliert zu beantworten, ohne auch andere Wirtschaftsfaktoren in den Blick zu nehmen.

    Dann aber ließen sich die Richter ungewöhnlich tief auf die besonderen Nöte der Kläger ein. Aber auch die Auswirkungen der Steuer auf den Güterverkehr und die Speisekühlung sind kaum zu berechnen. Beispiel Speditionen: Ihr Hauptargument ist der Druck aus dem Ausland. Die Fernfahrer stünden in besonderem Maß im internationalen Wettbewerb, beklagte etwa der Speditionsinhaber Karl-Heinz Kohn:

    Wir können die Kosten auf den Verbraucher überhaupt nicht mehr abwälzen. Das ist uns eindeutig immer von unseren Auftraggebern bedeutet worden. Bei der Konkurrenz sieht’s wesentlich günstiger aus – ich meine jetzt die ausländische Konkurrenz, da sie weniger Kosten haben. Und durch diese Wettbewerbsverzerrung, die wir haben, die Marktanteile teilweise an die Konkurrenz verloren gehen.

    Dass die wirtschaftliche Situation schwierig ist, gestanden auch Vertreter der Bundesregierung zu. Sie bestritten aber, dass dafür die Ökosteuer verantwortlich sei. In anderen Ländern würde der Fernverkehr teilweise sogar subventioniert, Vergleiche taugten also nichts. Und im übrigen hätten die meisten Wirtschaftsbereiche – ganz unabhängig von der Steuer - unter der flauen Konjunktur zu leiden.

    Ähnlich schwer zu beurteilen ist auch die Situation der Kühlhausbetreiber. Auch hier stellt sich die Frage: Wie weit sind wirtschaftliche Erschwernisse ein rechtliches Argument für die Verfassungsrichter? Denkbar ist das, wenn durch erdrückende Politik das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb praktisch leer laufen würde. Aber ob die Argumente der Kläger dafür genügen, ist fraglich – vor allem, weil Prognosen Sache der Politik sind, nicht der Richter. Sieht man sich derzeit etwa in Mannheim um, so sind die Lagerflächen ausgelastet – eine Folge des vergangenen Jahrhundertsommers, heißt es.

    Genau genommen müssten die finanziellen Nachteile der Steuer außerdem gegen die Vorteile aufgerechnet werden: Denn die geringeren Sozialabgaben kommen auch diesen Betrieben zu Gute, wie Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks in der Verhandlung betonte:

    Hätten wir die Ökosteuer nicht, müssten wir jetzt schon 1,7 Prozentpunkte mehr als den jetzigen Satz von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Unternehmen abverlangen.

    Ein Faktor, der nicht zu vernachlässigen ist, denn die Personalkosten liegen selbst hier um mehr als das Doppelte über den Energiekosten.

    All das sind Punkte, die die Richter noch in der Verhandlung zweifeln ließen, ob die Verfassungsbeschwerden nicht sogar unzulässig sind – zumindest, was die wirtschaftliche Argumentation betrifft. Ein Verfahren erst bis in die mündliche Verhandlung zu treiben, um es dann an dieser ersten Hürde scheitern zu lassen, wäre zwar ungewöhnlich, undenkbar ist es aber nicht.

    Trotzdem bliebe selbst dann zumindest den Kühlhausbetreibern ein letztes Argument: In dieser Form trifft die Steuer nur gewerbliche Kühlhäuser. Das produzierende Gewerbe zahlt einen niedrigeren Satz auf Energie, und wird dadurch zur möglicherweise gleichheitswidrig besser gestellten Konkurrenz. Dass Eiskrem- oder Pizzahersteller eigene Kühlungen haben, ist nicht neu, sagt Niederlassungsleiter Karl-Heinz Hoffmann. Wohl aber der Umfang, in dem sie genutzt werden.

    Jedes produzierende Gewerbe hat ein eigenes Werks-Kühlhaus gehabt. Weil die Ware, die produziert wird, die muss ja erst gehärtet werden, damit sie über den Transportweg dann ins Kühlhaus wandert. Dort hat man eigentlich die Tagesproduktion dann immer über drei Tage gehalten; die Ware war mit minus achtzehn Grad versehen und ist dann über den Transport in die gewerblichen Kühlhäuser gewandert. Heut versucht man das an sich etwas zu ziehen. Man hat also auch die Werkskühlhäuser erweitert – mit Einführung der Ökosteuer. Und kann somit mit gewisser Puffergestaltung auch schon ein Werk betreiben.

    Bis vor kurzem betrug der Aufpreis auf Energie für das produzierende Gewerbe ein bloßes Fünftel von dem, was die reinen Kühl-Lageristen zahlen. Zweihundertsechzigtausend Palettenplätze gingen den Gewerblichen angeblich dadurch verloren, hieß es in der Verhandlung. In einzelnen Extremfällen sollen schon Lebensmittel-Hersteller freie Kapazitäten in ihren Lagerhäusern weiter vermietet haben. Als subventionierte Konkurrenz sozusagen. - Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks verteidigte diese Ungleichbehandlung:

    Wir haben bewusst das produzierende Gewerbe mit positiven Ausnahmen – also mit Begünstigungen – versehen, weil ja das produzierende Gewerbe sich ja mit seinen Produkten auf dem Weltmarkt behaupten muss. Dagegen werden Dienstleistungen lokal und regional angeboten. Und da muss man eben nur mit denjenigen, die auch im lokalen und regionalen Markt sind, Wettbewerbsgleichheit haben.

    Ob dann aber nicht zumindest eine Feinabstimmung mit der inländischen Konkurrenz nötig ist, müssen nun die Verfassungsrichter entscheiden. Wie immer ihr Urteil morgen ausfallen wird: Die heftigsten Diskussionen über die Ökosteuer – sei es die zu fünf Mark pro Liter Benzin oder zur vermeintliche "Abzocke" an der Tanke - werden sich darin kaum wieder finden.