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Vor dem Ende der Übergangsfrist beim Dosenpfand

Das Ende der Zettelwirtschaft beim Dosenpfand ist in Sicht. Ab 1. Oktober soll es möglich sein, Einwegverpackungen mit Pfand überall zurückzugeben. Ganz gleich, wo man sie gekauft hat. Darauf haben sich Handel, Industrie und Bundesumweltminister Jürgen Trittin Ende letzten Jahres geeinigt. Soweit zur Theorie. Hubertus Pellengahr, Pressesprecher beim Hauptverband des deutschen Einzelhandels, zur Praxis:

Von Anna Florenske |
    Nein, es wird überhaupt nicht an Rückholsystemen gebastelt. Im Einzelhandel stellt sich die Situation so dar, dass die meisten Lebensmitteleinzelhändler ganz auf den Verkauf von bepfandeten Einweggetränken verzichten. Sie setzen konsequent auf Mehrweg.

    Bereits Anfang Juni hatte die so genannte Lenkungsgruppe der Wirtschaft verkündet,den Aufbau eines bundesweiten Rücknahmesystems für Einweg-Getränkeverpackungen zu stoppen. Der Bundesumweltminister Trittin blieb gelassen:

    Ich werde da gar nichts tun. Die haben dann ein Problem - dass sie kein Einweg mehr anbieten können, weil sie keine Rücknahmesysteme haben.

    Auch Hubertus Pellengahr, Sprecher des Einzelhandels demonstriert Gelassenheit:

    Also der Fall ist relativ klar. Und wir werden eben nach dem 1. Oktober bestenfalls ein paar Insellösungen haben. Aber die Insellösung ist keinerlei Fortschritt im Vergleich zur gegenwärtigen Übergangssituation. Da sind die Verbraucher ja auch gezwungen, ihre Einwegflaschen dorthin zu bringen, wo sie gekauft haben. Das gleiche müssen sie bei den Insellösungen machen.

    Mehrere solcher Insellösungen sind bei einigen Discountern geplant, beispielsweise bei Lidl, Plus und Aldi. Sie werden spätestens zum Oktober individuelle Verpackungen für ihre Einweg-Getränke auf den Markt bringen, die nur bei der jeweiligen Kette zurückgenommen werden, die sie verkauft hat. Allerdings bundesweit - laut Verpackungsverordnung ist das erlaubt. Außerdem will die Lekkerland-Tobaccoland-Gruppe ein Rücknahmesystem anbieten. Sie beliefert fast flächendeckend Tankstellen und viele Kioske im Bundesgebiet und ist für weitere Mitstreiter offen. Gestern machte zudem die Spar-Handelsgruppe publik, dass sie sich ab Oktober einem unternehmensübergreifenden nationalen Rücknahmesystem des Kölner Entsorgungsunternehmens VfW anschließen wird. Dabei erhalten Kunden beim Kauf eines mit Pfand belegten Getränks einen Coupon, den sie allerdings überall einlösen können, wo Einweggetränke verkauft werden. Die meisten Handelsunternehmen halten sich allerdings bislang noch bedeckt, wie es nach dem 1. Oktober weitergehen wird.

    Soweit ich das überblicke, sind alle Beteiligten aber doch sehr vorsichtig, was die Investitionen in diese Dinge anbelangt. Weil sie auch nicht genau wissen, wie wird denn die Novelle ausgehen im September, wie wird dann die EU reagieren auf unsere Verpackungs-Verordnung. Und ist möglicherweise die Insellösung eine rechtlich wackelige Lösung?

    sagt Peter Traumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie.

    Am 26.September, also noch kurz vor Ende der Übergangsregelung, stimmt der Bundesrat ab über Jürgen Trittins Novelle der Verpackungsverordnung. Sie will die Pfandpflicht ausweiten auf fast alle Getränke und unabhängig machen von aktuellen Mehrwegquoten - anders als bisher. Bis dahin bleibt ungewiss, wie genau es weiter geht mit dem Dosenpfand. Nur: das es weitergeht, das ist für Umweltminister Trittin keine Frage. Er befürchtet in keinem Fall ein Vetragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, welches das deutsche Pfandsystem für Einweggetränke verbieten könnte:

    Denn das Vertragsverletzungsverfahren richtet sich gegen die Übergangsregelung. Und die ist am 1.10. beendet.

    Doch die Frage bleibt: wird es Anfang Oktober genug Möglichkeiten zur Rückgabe von Einweg-Verpackungen geben, um der Verpackungsverordnung und der EU-Kommission genüge zu tun? Jürgen Trittin geht davon aus. Der Europarechtler Andreas Haratsch von der Uni in Bonn ist da skeptischer - wichtig wird sein, ob das Rückgabesystem wirklich flächendeckend sein wird, meint er:

    Es ist natürlich eine schwierige Frage: wenn man zehn, 15 Kilometer fahren müsste, um wieder einen Laden zu finden, wo man seine Verpackung los wird, könnte man wieder argumentieren, dass es hier wieder ein Hemmnis ist, dass einen daran hindert, so verpackte Getränke überhaupt zu kaufen, weil man Schwierigkeiten hat, den Pfand wieder zu bekommen. Also: Es hängt vom Einzelfall ab. Und lässt sich so pauschal nicht beantworten. Aber es sind mehrere konkurrierende Rückgabesysteme durchaus denkbar und auch rechtlich unbedenklich.

    Gewisse Einschränkungen in der Warenverkehrsfreiheit - sprich bei der Rückgabe der Einwegverpackungen - sind nach EU-Recht zulässig, wenn sie z.B. dem Umweltschutz dienen. Doch, so ergänzt Andreas Haratsch: Sie müssen verhältnismäßig sein. Und das werde erst die Praxis zeigen. So bleibt vieles noch offen in Sachen Dosenpfand.