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Vor dem Genfer Gipfel

Der erste Anlauf scheiterte. Der Versuch einer Vermittlung in Genf, bei dem es nicht gelang, Vertreter Russlands und Georgiens an einen Verhandlungstisch zu bringen. Das war im Oktober. Seitdem schwelt der Konflikt um Abchasien und Südossetien. Die Prognosen für die Friedensgespräche heute in Genf fallen nicht allzu positiv aus. Dennoch wollen es Vertreter der EU und der Vereinten Nationen noch einmal probieren.

Von Robert Baag |
    Dmitrij Medwedew, Russlands Staatspräsident, hat sich festgelegt. Seinen Standpunkt, die Haltung der russischen Führung im Vorfeld der für heute angesetzten Kaukasus-Friedensgespräche, machte er beim jüngsten EU-Russland-Gipfel, Ende vergangener Woche, im südfranzösischen Nizza in aller Öffentlichkeit unmißverständlich klar:

    "Wir waren gezwungen, zwei neue Subjekte des Völkerrechts - Südossetien und Abchasien - anzuerkennen. Das ist auch weiter unsere Position. Dies ist endgültig und unumkehrbar!"

    Und um gleichsam mäkelnden Nachfragen nach der von der EU stets eingeforderten territorialen Integrität Georgiens zuvorzukommen, sprach Medwedew auch diesen Punkt offensiv an:

    "Russland", so Medwedew, "erkennt die territoriale Einheit Georgiens in vollem Umfang an." - Um dann aber nachzuschieben: "Unter Bezug der vorher erfolgten Anerkennung Südossetiens und Abchasiens als unabhängige Subjekte des Völkerrechts." - Vorläufiger Schlusspunkt einer Argumentationslinie, die schon Anfang November von Konstantin Kossatschov zu hören war, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses in der russischen Duma, dem Parlament:

    "Diese anfängliche, übermäßig radikale Position, die von eingefleischten Feinden, mindestens aber Gegnern Russlands formuliert worden ist, also den Balten, den Polen, war nach Prüfung für die Mehrzahl der EU-Mitglieder, vielleicht sogar die USA, nicht länger annehmbar. Diese Position - 'Russland muss die Anerkennung zurücknehmen und seine Truppen aus Südossetien und Abchasien abziehen sowie EU-, vielleicht sogar NATO-Beobachter in diesen Territorien zulassen!' - dies erkannten sie augenscheinlich als nicht realisierbar und nur als Weg in eine Sackgasse. Genau das aber will unter den ernsthaften Politikern im Westen niemand!"

    Doch auch in Moskau ist man sich nach Ansicht von Alexej Venediktov bewusst, dass sich der Kreml bei der heute in Genf geplanten zweiten Sondierungs-Runde zum Südkaukasus-Konflikt nicht mit Maximalpositionen begnügen kann. Venediktov, Chefredakteur des unabhängigen Radiosenders "Echo Moskvy":

    "Russland wird sich auf einen Kompromiss zubewegen, denn es will den Status seiner Streitkräfte im Kaukasus legalisieren. Und um dies zu erreichen, ist es am Zustandekommen der Gespräche interessiert."

    Und noch eins sei auffällig, fügt Venediktov hinzu:

    "Wenn am 18. November die Genfer Gespräche abgebrochen werden sollten", ist er sich sicher, "dann könnte sich das negativ auf die jetzt in Nizza vereinbarte Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Russland und der EU auswirken." - Diese zeitliche Reihenfolge hätten sich die Europäer bestimmt mit Absicht ausgedacht. - Und schon am Wochenende ließ Russlands Außenminister Sergej Lawrow durchblicken, wie die allgemeine Sprachregelung für den heutigen Gesprächsauftakt lauten könnte - ein Stück diplomatischer Ziselierarbeit, um alle verfeindeten Parteien -Georgier einerseits, Russen, Osseten und Abchasen andererseits -zusammenzubringen:

    "Es geht nicht um Gespräche sondern um 'Diskussionen'! Die Terminologie ist hier sehr wichtig! Medwedew und Sarkozy haben sich in Gegenwart von EU-Kommissionspräsident Barroso verabredet, in Genf 'Diskussionen' zu führen. Dies hat am 15. Oktober begonnen und war ein erster, nicht völlig misslungener Versuch. Denn: Hier kam es zu einem ersten Kontakt, bei dem klar geworden ist, dass man sich auf sicherheitspolitische Fragen im Kaukasus konzentrieren, nicht aber formal-prozedurale Spielchen spielen sollte."