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Vor dem Gipfel im Kanzleramt

Am Mittwoch findet in Berlin erneut ein Konjunkturgipfel statt - offiziell soll es dabei nur um eine bessere Koordinierung der Maßnahmen gehen. Dennoch: Die Abwrackprämie entwickelt sich zum Straßenfeger, Betriebe sind dankbar für das verlängerte Kurzarbeitergeld, Kommunen stehen mit ihren Bauprojekten in den Startlöchern und schon wird der Ruf nach mehr laut. Ein weiteres Konjunkturpaket müsse her, tönt es aus Ländern und Kommunen.

Von Melanie Hinter, Tonia Koch, Claudia van Laak |
    Wittenberge an der Elbe, eine Kleinstadt auf halbem Wege zwischen Hamburg und Berlin. Eine Arbeiterstadt, der die Arbeit nach der Wende abhanden gekommen ist. Die Großbetriebe wurden abgewickelt, Industrieruinen bestimmen das Stadtbild. Wittenberge hat seit 1990 ein Drittel seiner Einwohner verloren, ist von 30.000 auf 20.000 Einwohner geschrumpft.
    Industrie- und Gewerbebetriebe, die neue Arbeitsplätze schaffen, werden dringend gebraucht. Deshalb freut sich Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann besonders über das Konjunkturpaket II. Neben dem Geld, das jede Kommune für die Sanierung von Schulen, Kindergärten und anderen Bildungseinrichtungen erhält, bekommt Wittenberge ein zusätzliches Geschenk: Für 4,3 Millionen Euro kann der Elbhafen der Stadt ausgebaut werden:

    "Also ich verspreche mir nicht nur einen Impuls für das Industriegebiet oder für Wittenberge, sondern für die Region, dass man sagt, hier passiert was, hier wird ein logistischer Knoten geschaffen. Sie müssen wissen, es ist nicht nur der Hafen, sondern auch die A 14, die kommen wird, und die Bahnlinie, die wir hier haben, das ist ein so genannter trimodaler Knoten, den man hier schaffen kann, und dass das ein echter Standortvorteil gegenüber anderen Regionen sein kann, um neue Unternehmen hier anzusiedeln."
    60 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II gibt Brandenburg für überregional bedeutsame Infrastrukturprojekte aus. Dazu zählen unter anderem Kliniken, Olympiastützpunkte und der Ausbau zweier Elbhäfen - in Mühlberg und Wittenberge. Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann, SPD:

    "Wir haben uns entschieden, dass wir uns kümmern werden um zwei konkrete Hafenausbauprojekte. Da mag der ein oder andere fragen, ist das tatsächlich notwendig, ist das richtig? Da kann ich nur sagen, das ist richtig. Es gibt einen Pool von Unternehmen, die sich in Wittenberge ansiedeln wollen und den Elbhafen mit nutzen wollen."
    Bei der Umsetzung der beiden Konjunkturpakete stehen Länder und Kommunen allerdings unter Zeitdruck. Die Vorgabe lautet: bis Ende 2009 soll bereits die Hälfte der Mittel ausgegeben sein. Alle zu fördernden Projekte müssen bis Ende 2010 begonnen werden.
    Außerdem müssen die Vorhaben zusätzlich sein, dürfen noch nicht in den Haushaltsplänen von Ländern, Kreisen und Kommunen veranschlagt sein. Der Ausbau des Elbhafens Wittenberge entspricht diesen Vorgaben. Die Pläne lagen zwar bereits in der Schublade, konnten aber bislang aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden. Nun jedoch können die Bauarbeiten zügig beginnen, verspricht Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann:

    "Wir haben ja einen Vorteil, dass da schon ein Bebauungsplan vorliegt. Weil das schon immer Hafen sein sollte und auch schon Hafen war, noch aus DDR-Zeiten, vom Zellstoffwerk, und deshalb sind die Voraussetzungen da, schnell anzufangen."
    Doch es gibt Politiker, die Wasser in den Wein des Bürgermeisters gießen. Cornelia Behm ist der Ansicht, dass der Ausbau des Wittenberger Elbhafens unsinnig ist. Der Wasserstand des Flusses sinke seit Jahren, sagt die Bundestagsabgeordnete der Grünen, deshalb sei die Güterschifffahrt auf der Elbe nicht wirtschaftlich zu betreiben:

    "Es gibt ja auch Erhebungen des Bundesamtes für Güterverkehr, die festgestellt haben, dass sich die Binnenschifffahrt aufgrund der unsicheren Wasserverhältnisse immer stärker von der Elbeschifffahrt zurückzieht."
    Wissenschaftler des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung haben die Pegelstände der Elbe zwischen Dresden und Magdeburg während des letzten Jahrhunderts untersucht. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund des Klimawandels Niedrigwasserperioden zunehmen werden.
    Die knapp sieben Millionen Euro für den Ausbau zweier Brandenburger Elbhäfen in Mühlberg und Wittenberge seien deshalb in den märkischen Sand gesetzt, ist die Grünen-Politikerin Cornelia Behm überzeugt:

    "Und ich finde, dass das wirklich verantwortungslos ist. Weil die Konjunkturmittel sind doch dazu da, um die Wirtschaft langfristig, lang anhaltend, zu beleben."
    Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann widerspricht. Die Güterschifffahrt auf der Elbe sei durchaus wirtschaftlich zu betreiben, der Ausbau der beiden Elbhäfen eine sinnvolle Investition in die Zukunft. In Wittenberge rechnet man damit, dass bereits Ende des Jahres das erste Schiff im neuen Hafen anlegen kann.
    Wie das brandenburgische Wittenberge, freuen sich derzeit viele Kommunen darüber, dass sie endlich Projekte angehen können, die lange Zeit unmöglich schienen; dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung sei dank:

    "Wir wollen insgesamt stärker aus dieser Krise hervorgehen als wir hineingeraten sind. Und diese Chance haben wir, und diese Chance sollten wir nutzen. Und wir sollten dieses Paket auch nutzen, um den Menschen in unserem Lande wieder Mut zu machen."
    Sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Mitte Februar im Deutschen Bundestag. Das Konjunkturprogramm, um das es hier geht, ist das größte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es hat ein Volumen von 50 Milliarden Euro für die Jahre 2009 und 2010. Die Maßnahmen sollen Wachstumsimpulse auslösen, die von der Finanzkrise erschütterte Wirtschaft stützen und so die Rezession abmildern.
    Herzstück des Pakets ist ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von 17,3 Milliarden Euro. Zwei Drittel sollen in die Sanierung von Schulen, Kindergärten und Universitäten fließen. Der Rest soll für Straßen, Städtebau, Krankenhäuser, Schienen und den Ausbau der Internet-Infrastruktur eingesetzt werden. Der Bund unterstützt zusätzliche Investitionen der Kommunen und der Länder mit zehn Milliarden Euro und stellt vier Milliarden an zusätzlichen Bundesinvestitionen bereit.
    Da auch der Konsum angekurbelt werden soll, wird rückwirkend zum 1. Januar 2009 der Grundfreibetrag angehoben und der Eingangssteuersatz gesenkt. Zudem wird der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Juli 2009 von 15,5 auf 14,9 Prozent gesenkt - paritätisch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Möglich wird dies, weil der Bund mehr Steuergeld ins Gesundheitssystem steckt. Im laufenden Jahr steigt der Bundeszuschuss um drei Milliarden, 2010 um sechs Milliarden Euro. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird bei 2,8 Prozent stabilisiert. Maßnahmen, die die Bürger freuen, aber auch Kritiker auf den Plan rufen. So meint Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft:

    "Das tut man deshalb, weil man mit Steuersenkungen bestimmte Gruppen nicht erreichen würde. Aber ich halte es auch für falsch, denn eigentlich müssten die Beiträge so gesetzt werden, dass die Leistungen in der entsprechenden Sparte der Sozialversicherung finanziert werden können, und dieses Verschieben der Mittel vom Bund hin zur Krankenversicherung, die Krankenversicherungen erhalten ja einen Zuschuss vom Bund, damit die Beitragsausfälle kompensiert werden, diese Verschiebung ist in meinen Augen auch ein falscher Schritt."
    Große Hoffnungen setzt die Regierung auch auf das Kurzarbeitergeld. Im ersten Konjunkturpaket hatte die Koalition schon die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes von zwölf auf 18 Monate beschlossen. Nun soll der Staat die Hälfte der Sozialbeiträge für Kurzarbeit übernehmen. Finanziert wird das aus den Reserven der Bundesagentur für Arbeit, die dafür aufgestockt werden. Firmen, die gerade weniger Aufträge haben, soll es leichter gemacht werden, an ihrer Stammbelegschaft festzuhalten. Alfred Boss befürchtet aber:

    "Die Förderung der Kurzarbeit kann einen gewissen Erfolg bringen, man schafft es vielleicht, die Arbeitslosigkeit auf diese Art und Weise etwas kleiner zu halten als sie sonst wäre, allerdings ist das Problem folgendes: Es ist schwer zu sagen, ob da, wo Kurzarbeit geleistet wird, es sich um eine konjunkturelle Krise handelt oder ob es sich um eine Strukturkrise handelt. Und wenn letzteres der Fall wäre, dann würde sozusagen die Anpassung an neue Verhältnisse über das Instrument der Kurzarbeit erschwert."
    Für Bauchschmerzen sorgt bei Alfred Boss auch die Abwrackprämie für Altautos. Für ihn ist das

    "ein totaler Schuss in den Ofen, sie kostet viel Geld. Sie führt aber vor allem wohl dazu, dass Käufe vorgezogen werden, dass die Rabatte gekürzt werden, sie ist also ein Mittel dazu, die Gewinne des Autohandels zu steigern."
    Aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers mag das richtig sein. Doch die Abwrackprämie kommt an. Erst kürzlich hat die Regierung die Mittel dafür mehr als verdreifacht, damit kein Autokäufer leer ausgeht. Ob das den gewünschten Effekt hat, wird sich natürlich erst im Nachhinein herausstellen.
    Vom Sinn seines Handelns überzeugt ist Manfred Moser aus dem saarländischen Neunkirchen. Er ist dort Leiter des städtischen Amtes für Gebäudewirtschaft:

    "Das Gebäude ist aus den 50er Jahren, es wurde immer schon ein bisschen was gemacht, die Fenster haben wir erneuert und ein paar Kleinigkeiten, aber jetzt ist eine grundlegende Sanierung auch energetisch notwenig, das heißt hier wird saniert über alle Gewerke."
    Manfred Moser beschreibt das Feuerwehrgerätehaus im Ortsteil Wiebelskirchen, das mit einer Million Euro aus dem Konjunkturprogramm auf Vordermann gebracht wird. Es ist das größte Einzelprojekt der Stadt Neunkirchen. Ohne Programm hätte das Gerätehaus auf seine Sanierung noch warten müssen, sagt Moser. Das gilt auch für die nur wenige hundert Meter entfernte Grundschule in Wiebelskirchen:

    "Das Gebäude wird nicht zusammenbrechen, das ist klar, es hätte also schon noch ein wenig Zeit gehabt. Aber die Energieersparnis, die wir erzielen können, bewegt sich um zehn bis 15 Prozent."
    Der Architekt freut sich, dass der unerwartete Geldsegen über die Stadt hereingebrochen ist, denn jetzt kann das aus den 1970er Jahren stammende Schulgebäude neue Fenster bekommen und neue verputzt werden. Dann passt es auch optisch wieder zum Erweiterungsbau, der erst vor einiger Zeit hinzu gekommen ist. Darauf ist Manfred Moser mächtig stolz:

    "Ich hoffe, im nächsten Jahr können wir auch im Außenbereich noch ein bisschen was machen, Spielplätze, Hofgestaltung usw. Das ist eine Grundschule, an der immerhin 230 bis 240 Schüler unterrichtet werden, wo sie dann das entsprechende Umfeld haben, das man sich wünscht und wo man die Bildung, die immer propagiert wird, auch umsetzen kann."
    Wie die Stadt Neunkirchen setzen die meisten saarländischen Kommunen - wie vom Bund vorgesehen - ihre Prioritäten bei der städtischen Infrastruktur und der energetischen Sanierung von Kindergärten und Schulen. Genauer gesagt von Grundschulen. Denn die weiterführenden Schulen wie Gymnasien und Berufsschulen werden im Saarland von den Landkreisen verwaltet. Dieser Situation wurde Rechnung getragen. Friedrich Decker, Oberbürgermeister von Neunkirchen:

    "Die Landkreise sind mit einem eigenen Titel bedacht worden, speziell für ihre Schulen, der andere Teil wurde auf die Kommunen verteilt."
    Jene Städte und Gemeinden, die im Saarland Schulzentren beherbergen und deshalb einen erhöhten Sanierungsbedarf haben, müssen daher nicht fürchten, bei der Vergabe der Mittel zu kurz zu kommen. Das Geld aus dem Konjunkturprogramm kann deshalb auch nach einem einfachen Schlüssel, nach der Zahl der Einwohner auf die Kommunen aufgeteilt werden, sagt Friedrich Decker:

    "Jede Gemeinde hat noch eine Grundschule, und daher ist der Einwohnermaßstab auch gerechtfertigt."
    Auch mit der Forderung des Bundes, dass die Finanzmittel nur für zusätzliche Baumaßnahmen verwendet werden dürfen, hätten die Städte und Gemeinden im Saarland kein Problem, sagt der Neunkirchener Oberbürgermeister, der seit Jahren dem saarländischen Städte- und Gemeindetag als Präsident vorsteht:

    "Es gibt einen Stau in der Unterhaltung in allen Kommunen, und der ist in Teilen sehr ausgeprägt."
    Ob eine Baumaßnahme als zusätzlich gelten kann, wird an der durchschnittlichen Investitionsquote der Städte und Gemeinden gemessen. Das heißt, mindestens 60 Prozent dessen, was die Kommunen in den vergangen Jahren investiert haben, muss auch in diesem und im kommenden Jahr aus eigenen Mitteln finanziert werden. Und nur solche Aufwendungen, die diese 60-Prozent-Quote übersteigen, gelten als zusätzlich. Das schaffen alle Kommunen im Land, stellt der saarländische Innenminister Klaus Meiser mit Genugtuung fest.

    "Die saarländischen Kommunen werden das Investitionsvolumen halten, und diese Maßnahmen, das Konjunkturprogramm zusätzlich, das macht auch Sinn."
    Meiser hat in den letzten Wochen mit sämtlichen 52 saarländischen Gemeinden Gespräche geführt. Er weiß genau was sie vorhaben, und die kommunalen Projekte sind von der Koordinierungsstelle bereits grob darauf geprüft worden, ob sie die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen und förderfähig sind. Die Kommunen hätten diesen Service dankbar angenommen, so Meiser:

    "Denn später werden natürlich Verwendungsnachweise verlangt. Der Bundesrechnungshof wird sie prüfen, und wir wollen dafür sorgen, dass keine Rückzahlungsforderungen kommen."
    128 Millionen Euro stehen für die saarländischen Kommunen bereit, die sie je nach Finanzkraft mit fünf bis 25 Prozent aus eigenen Mitteln ergänzen müssen. Die Antragsformulare für die Zuschüsse, die vereinfachte Ausschreibungs- und Prüfverfahren vorsehen, sollen noch diese Woche an die Kommunen verschickt werden. Die bereits besprochenen Projekte müssten nur noch eingetragen werden, bewilligt seien sie dann sehr schnell sagt der Innenminister:

    "Der nächste Schritt ist, dass wir nur eine Schlüssigkeitsprüfung durchführen und nicht wie normalerweise eine fachtechnische Prüfung, so dass wir im Mai bereits Zuwendungsbescheide machen können."
    Für die Kommunen ist dieser Termin gerade noch rechtzeitig, befindet der Neunkirchener Oberbürgermeister Friedrich Decker:

    "Ein Teil der Maßnehmen, zumindest in den Schulen und Kindergärten, muss in den großen Ferien erfolgen, das heißt im Mai müssen Ausschreibungen raus, und im Juni müssen Vergaben erfolgen."
    Bei Aufträgen unter einer Million Euro können die saarländischen Gemeinden auf öffentliche Ausschreibungen verzichten und sich im sogenannten "beschränkten Ausschreibungsverfahren" damit begnügen, Vergleichsangebote einzuholen. Viele Kommunen wollen trotzdem öffentlich ausschreiben, um bei den Angebotspreisen für möglichst viel Transparenz zu sorgen. Denn dass die neuen Fenster, Türen und Heizungsanlagen, die ab Sommer eingebaut werden, teuer werden, daran zweifelt kein erfahrender Kommunalpolitiker. Allen Warnungen des saarländischen Innenministers zum Trotz:

    "Handwerk und Mittelstand entscheiden, ob die Aufträge im Saarland bleiben, indem die Kirche im Dorf bleibt und nicht ortsübliche Preise massiv nach oben angehoben werden, nach dem Motto. Mitnahmeeffekte aus dem Konjunkturprogramm."
    Wie sich das entwickelt, was gerade quer durch die Republik anläuft, kann niemand genau vorhersagen. Auch Jan Hagen nicht. Dennoch glaubt der Finanzexperte von der European School of Management and Technology in Berlin, dass die Entscheidungen der Bundesregierung im Grundsatz richtig waren:

    "Vor dem Hintergrund der Krise ist es schon unabdingbar, dass jetzt Zeichen gesetzt werden, dass man tatsächlich etwas anstößt. Ich glaube, die Erwartung, dass man jetzt mit dem Konjunkturprogramm die Rezession stoppt und es nur eine kurze konjunkturelle Delle geben wird, die ist, glaube ich, völlig übertrieben. Ich denke, was das Konjunkturprogramm machen kann, ist, eine tiefgreifende Depression, die ja durchaus im Raume steht, zu verhindern."
    Konjunkturpakete kosten Geld - viel Geld. Das beunruhigt nicht nur Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft:

    "Es sind in dem Programm Maßnahmen enthalten, die man begrüßen muss, es sind aber auch Maßnahmen enthalten, die der Bundesrepublik Deutschland letztendlich schaden werden, schaden werden deshalb, weil neue Schulden angehäuft werden, Schulden, die bedient werden müssen und die wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft schwieriger machen als sie sein könnte."
    Gedanken darüber, wer das alles am Ende bezahlen soll, macht sich auch Clemens Fuest vom wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums in Berlin:

    "Die Schulden, die heute aufgenommen werden, das sind die Steuern von morgen. Die kommenden Generationen müssen dann höhere Steuern zahlen oder müssen mit weniger staatlicher Leistung leben als heutige Generationen."
    Die Finanzierung der Konjunkturmaßnahmen wird zum Teil über den Nachtragshaushalt abgedeckt. Andere Bereiche werden in ein Sondervermögen ausgegliedert, das Tilgungfonds genannt wird. Vorbild ist der Erblastentilgungsfonds, der Schulden aus der deutschen Einheit gebündelt hatte. Grundlage für das Sondervermögen, das insgesamt ein Volumen von rund 25 Milliarden Euro hat, ist ein Gesetz, das gleichzeitig Tilgungsregeln enthält. Torsten Albig, Sprecher des Bundesfinanzministers erklärt:

    "Man darf einen Fehler nicht machen, es ist immer am Ende der Haushalt, der es bezahlt. Die Frage ist nur, in welcher Reihenfolge wird es bezahlt. Dadurch, dass wir wie beim Erblastentilgungsfonds wieder einen Tilgungsfonds gewählt haben, stellen wir sicher, dass die Belastungen, für die das Konjunkturprogramm steht, vorrangig getilgt werden. Es ist kein geheimer Topf, den wir aufgemacht haben, sondern nur das Signal, diese Mittel sehr schnell und zwar vor allen anderen Dingen im Haushalt zurückzuführen."
    Die Abwrackprämie entwickelt sich zum sprichwörtlichen Straßenfeger, Betriebe sind dankbar für das verlängerte Kurzarbeitergeld, Kommunen stehen mit ihren Bauprojekten in den Startlöchern, da wird schon der Ruf nach mehr laut. Ein weiteres Konjunkturpaket müsse her, tönt es aus dem In- und Ausland. Der Sprecher des Finanzministers, Torsten Albig, mahnt jedoch:
    "Wie fast alle großen Volkswirtschaften hat Deutschland ein massives Konjunkturprogramm, mehrere sogar auf den Weg gebracht, mit einem Volumen von über 80 Milliarden Euro, damit ist das gemessen an der Größe unserer Volkswirtschaft das drittgrößte Programm, was aufgelegt worden ist. Und dieses zeitigt auch die ersten Wirkungen, aber man muss sehen, dass all diese Programme immer einen kleinen Nachlauf haben, bis sie auch wirklich funktionieren. Aber schneller kann das dann auch nicht gehen. Wer erwartet, Beschluss im Frühjahr und am nächsten Tag passiert etwas, der tut so als würde er über eine andere Welt reden, das ist nicht real."
    Bleibt abzuwarten, wie real das ist, was beim anstehenden Konjunkturgipfel - an diesem Mittwoch - im Kanzleramt herauskommt. Offiziell soll es dabei ja nur um eine bessere Koordinierung gehen.