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Vor dem Neustart

Tiermedizin. - Seit 2011 gilt die Rinderpest als ausgerottet. Forscher haben allerdings durchaus noch Fragen zu dieser verheerenden Krankheit. Ein paar Labore auf der Welt haben auch noch aktive Rinderpest-Viren – aber damit arbeiten durften sie zuletzt nicht: Ein Moratorium hat die Forschung untersagt. Nun wurde das Moratorium aufgehoben.

von Franziska Badenschier | 25.07.2013
    Im Jahr 1991 begann Michael Baron, mit Rinderpest-Viren zu forschen. 20 Jahre später, 2011, wurde die verheerende Tierseuche offiziell für ausgerottet erklärt. Dabei hatte der Forscher vom britischen Pirbright Institute noch einige Fragen:

    "Eine der Sachen, die wir nie verstanden haben, ist: Warum machen die Rinderpest-Viren nur große Wiederkäuer krank, also vor allem Rinder und Büffel? Das Virus ähnelt ja nämlich sehr den Erregern, die Masern beim Menschen hervorrufen und die Pest bei kleinen Wiederkäuern wie Schafen und Ziegen."

    Erstaunlich ist dabei auch: Das Virus für die Pest bei kleinen Wiederkäuern kann den großen Wiederkäuern nichts anhaben. Der Impfstoff gegen die Pest bei Schafen und Ziegen könnte aber durchaus vor Rinderpest schützen. Dafür gibt es erste Hinweise. Michael Baron wollte dem längst nachgehen. Immerhin hat er einige aktive Rinderpest-Viren in seinem Hochsicherheitslabor. Aber er durfte nicht. Ein Moratorium kam ihm dazwischen. Die Forschung mit aktiven Rinderpest-Viren sei vorerst nicht mehr erlaubt: Das verkündeten Anfang 2012 die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, kurz FAO, sowie die Weltorganisation für Tiergesundheit, kurz OIE. Der OIE-Generaldirektor Bernard Vallat erklärt, warum dieser Forschungsstopp nötig geworden war:

    "Zur gleichen Zeit, als die Rinderpest für ausgerottet erklärt wurde, haben wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedsstaaten begonnen, um herauszufinden, welche Länder aktive Viren in ihren Laboren oder Universitäten haben. Aktiver Virus bedeutet: Virus in einigen gefrorenen Proben von kranken Tieren oder Lebend-Impfstoff mit abgeschwächten Viren."

    Das deutsche nationale Referenzlabor für Rinderpest am Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit teilte dem Deutschlandfunk mit: In Deutschland gebe es nirgends aktive Rinderpest-Viren. Und man selbst arbeite nur mit inaktivem Material, etwa um Diagnose-Verfahren zu verbessern. Rund 40 Länder meldeten der FAO und der OIE bei der Umfrage aber zurück: Sie hätten durchaus aktive Rinderpest-Viren. Bernard Vallat:

    "Deswegen haben wir beschlossen, dass die Forschung mit dem Virus so lange gestoppt wird, bis wir bestimmte Regeln ausgearbeitet haben. Dafür haben wir einen gemeinsamen Beratungsausschuss gegründet, der die OIE und die FAO berät, wie sich verhindern lässt, dass das Virus aus Versehen oder absichtlich freigesetzt wird."

    Dieses Beratungsgremium hat nun Standards festgelegt, mit denen man wieder an aktiven Rinderpest-Viren forschen darf: Dazu gehören ein Hochsicherheitslabor, ausgebildetes Personal, unabhängige Kontrollen. Damit wurde das Moratorium nun gelockert. Allerdings sollen nicht alle gut 40 Länder forschen, sagt der Generaldirektor der Weltorganisation für Tiergesundheit:

    "Die meisten Labore, die momentan lebende Viren haben, werden gebeten, das Virus zu zerstören oder das Material an ein Labor zu schicken, das auf der offiziellen Liste ist."

    Nur wer auf dieser Liste steht, habe von der FAO und der OIE die Erlaubnis, aktive Rinderpest-Viren zu besitzen und damit auch zu forschen. Nur vier bis sechs der 40 bekannten Einrichtungen sollen letztlich dazuzählen. Der britische Rinderpest-Forscher Michael Baron möchte gerne zu den Auserwählten gehören:

    "Theoretisch könnte ich morgen starten, aber praktisch müssen wir erst unsere Bewerbung fertig machen und mit der OIE verhandeln."

    Wenn alles klappt, dann wird Michael Baron Rinder mit jenem Wirkstoff impfen, der gegen die Pest bei Schafen und Ziegen gedacht ist. Dann wird der Forscher die geimpften Tiere mit aktiven Rinderpest-Viren infizieren und schauen, ob oder wie krank sie werden.

    "Wenn wir zeigen könnten, dass das Vakzin gegen die Pest der kleinen Wiederkäuer gegen Rinderpest bei Rindern wirkt, dann bräuchten wir nicht länger große Vorräte mit Rinderpest-Impfstoff als Sicherheitsvorkehrung."

    Der Generaldirektor der Internationalen Organisation für Tiergesundheit sieht das ähnlich:

    "Viele Länder lagern schon den klassischen Impfstoff gegen die Pest bei kleinen Wiederkäuern. Und dann müssten wir keine Impfstoff-Vorräte speziell für die Rinderpest anlegen."

    Und das würde bedeuten: Man bräuchte keinen Lebendimpfstoff mit Rinderpest-Viren mehr.