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Vor den Toren Wiens

Im Herbst 1529 standen die Osmanen zum ersten Mal vor den Toren Wiens, 1683 umzingelten sie erneut die christliche Kaiserstadt. Doch dem bedrängten Kaiser kamen der polnische König und die Fürsten des Heiligen Römischen Reiches zur Hilfe. Dem Heer wurde eine Fahne mit dem Bildnis der Gottesmutter Maria vorangetragen. Papst Innocenz XI. erklärte nach dem Sieg der Christen das Fest "Mariä Namen" am 12. September für die gesamte katholische Kirche verbindlich.

Von Klaus Kühnel | 12.09.2008
    "Gottes Geisel heutigstags, seind der Türck, und rauhe Tarter,
    In die Christenheit gesendet mit grausamer Pein und Marter."


    Die Verse stammen aus einem Flugblatt, geschrieben um 1680. Die Türken hatten wieder einmal die Grenzen ihres Reiches überschritten, drangen bis ins zentrale Europa vor und vernichteten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Das spiegelte sich auch im - damals üblichen - Titel des Flugblattes wider:

    "Türckischer Jammer-Spiegel oder Bußspohrn. Worinnen vorgestellet wird, wie nicht allein viel Land und Leuthe, Städte, Kirchen, Altäre und Gotteshäuser, durch die verfluchten Hände des grausamen Türckischen Kirchen-Räubers zerstöret und in die Aschen geleget, sondern auch die unschuldigen Kinder im Angesicht ihrer lieben Eltern, diese, vor dem Angesicht ihrer lieben Kinder, ehrlichen Frauen und Jungfrauen, theils jämmerlich hingerichtet, theils von den übermüthigen Feinden, zu Erfüllung ihres schändlichen Muthwillens, in die erbärmliche, gantz klägliche Dienstbarkeit hinweggeführet werden."

    Die Christen hatten ihre Erfahrung mit den Türken. Im Herbst 1529 standen die Osmanen zum ersten Mal vor den Toren Wiens. Die Kaiserstadt, das Zentrum des Römischen Reiches Deutscher Nation, hatte nicht umsonst ihre Begierde geweckt. Für die Mohammedaner war die Stadt von besonderer Bedeutung:

    "Wien ist wie ein goldener Apfel. Wer ihn besitzt, hat sich das Tor nach dem Westen geöffnet."

    Wien, am Schnittpunkt der beiden im Mittelalter hochwichtigen Handelswege Donau und Bernsteinstraße gelegen, galt den Osmanen natürlich auch als Symbol christlicher Macht, die sie unbedingt durch ihre Expansion nach Europa zerschlagen wollten. 1529 war dieses Ziel gescheitert. Schuld daran war der frühe Wintereinbruch. Im Schneesturm konnten selbst die Osmanen keine Stadt erobern.

    154 Jahre brauchten die Türken, bis sie glaubten, die Kraft gefunden zu haben, diese Niederlage wettzumachen. Sultan Mehmed IV. regierte damals das Osmanische Reich, sein Großwesir Kara Mustafa Pascha jedoch übte die Macht aus.

    "Ein Gernegroß, dessen Prahlsucht und Gier seiner Unfähigkeit entsprachen."

    Ermuntert durch einen Aufstand in Ungarn, unterstützt vom katholischen Frankreich, marschierte Großwesir Pascha an der Spitze von 168.000 türkischen und tatarischen Soldaten mit 300 kleinkalibrigen Kanonen im Schlepptau plündernd, mordend und sengend von Ungarn aus direkt auf Wien zu. Wo immer er vorbei kam, hinterließ er verbrannte Erde.

    Am 16. Juli 1683 war das gut befestigte Wien eingeschlossen. Die Belagerer hoben Laufgräben aus, setzten Brandminen ein, berannten die Mauern. Verzweifelt wehrten sich die Wiener. Sie wussten, was ihnen geschehen würde, wenn die Stadt fiel. Sie erwarteten Hilfe von außen. Sie rechneten mit einem Entsatzheer ihrer Verbündeten, des Polenkönigs Jan Sobieski und einer vereinigten Streitmacht der Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Wien hungerte. Die Ruhr grassierte. Pulver und Blei wurden knapp. Die Chronisten fassten zusammen:

    "Die Not der einen, war die Ursache für die Hoffnung der anderen. Großwesir Kara Mustafa glaubte sich dem Sieg schon zum Greifen nah; die Schmach von einst schien abgewaschen."

    Das machte ihn arg- und sorglos und ließ ihn weder Sicherheits- noch Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, was die heranrückenden christlichen Heere nutzten. In aller Stille hatten sie den Wiener Wald durchquert, auf dem Kahlenberg Stellung bezogen und fielen von dort aus am 12. September 1683 plötzlich und unerwartet über die türkische Armee her, die ihr Heil in panischer Flucht suchte. Sogar die Fahne des Propheten Mohammed blieb zurück. Jan Sobieski schickte sie an Papst Innozenz XI. und versah sie mit der Siegesbotschaft:

    "Venimus. Vidimus. Deus vincit. - Wir kamen. Wir schauten. Gott siegte."

    Die vernichtende Niederlage vor Wien führte dazu, dass die Mohammedaner nie wieder versuchten, die Kaiserstadt zu bedrohen. Europa war und blieb "christliches Abendland". Großwesir Kara Mustafa Pascha wurde hingerichtet, weil er sich gegen ein zahlenmäßig viel kleineres Heer der Christen nicht behaupten konnte und weil er die Heilige Fahne des Propheten im Stich gelassen hatte.