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Vor der Bürgerschaftswahl

Das Jahr 2011 könnte als Superwahljahr für die Grünen in die Geschichte eingehen. Bei allen Landtagswahlen haben sie dazugewonnen. Am 22. Mai steht nun die Bürgerschaftswahl in Bremen an - und auch diesmal sehen die Wahlprognosen für die Partei um Karoline Linnert mehr als gut aus.

Von Christiane Selzer |
    Bremen, kurz vor der Wahl. Im Stadtteil Hastedt steht Karoline Linnert an einem Stand vor einem Einkaufszentrum, dem "Hanse-Carree". Es ist Linnerts Wahlkreis, ein paar Straßen weiter wohnt sie. Auf dem Stehtisch liegen Broschüren, für die Kinder gibt es Brausepulver. Besonders beliebt sind grüne Windrädchen für den Blumentopf auf dem Balkon. Linnert verteilt Flyer, tritt auf die Leute zu.

    "Guten Tag, möchten Sie noch gerne etwas zur Bürgerschaftswahl wissen?"

    "Bitte was?"

    Eine ältere Dame geht erst vorbei, murmelt, sie habe schon Briefwahl gemacht. Dann kommt sie doch zurück, schaut genau hin und fragt: "Sind Sie die Frau Linnert", nickt ihr dann verschmitzt zu und wünscht ihr viel Erfolg.

    "Danke!"

    Die meisten kennen sie:

    "Persönlich nicht, vom Plakat, ich würde ihr eine Stimme geben." - "Unschlüssig." - "Gute Finanzsenatorin, die den Daumen auf dem Geld draufhält."

    Die 52-jährige rothaarige Politikerin gehört zu den beliebtesten Politikern in Bremen. Obwohl sie ein Ressort hat, mit dem man sich so gar nicht beliebt macht. Sie ist Finanzsenatorin in einem hoch verschuldeten Bundesland, Stellvertreterin von Jens Böhrnsen, dem SPD-Bürgermeister und ebenso wie er überzeugte Anhängerin von Rot-Grün.

    Wahlarena im Regionalfernsehen von Radio Bremen: Die Spitzenkandidaten aller sechs im Parlament vertretenen Parteien treffen aufeinander – die CDU-Kandidatin Rita Mohr-Lüllmann wiederholt ihre Kritik an Rot-Grün. Linnert verdreht genervt die Augen. Man sieht sofort: Zwischen Grün und Schwarz funkt es nicht. Die inhaltlichen Differenzen sind unüberbrückbar, sagen die Grünen. Und die CDU? Sie würde gerne nach dem letzten Strohhalm greifen und mit Hilfe der Grünen die SPD nach mehr als 60 Jahren aus dem Rathaus katapultieren. Der Moderator stellt Rita Mohr-Lüllmann die Frage, ob sie gerne eine Koalition mit den Grünen bilden würde.

    "Wenn die Wähler so wählen, dass alle Konstellationen möglich sind, dann ist es doch legitim zu denken, dass man ein Gesprächsangebot hat."

    Dann die Frage an Frau Linnert: Ist eine schwarz-grüne Koalition undenkbar?

    "Ja, die ist undenkbar. Wir haben eine klare Wahlaussage. Unsere Mitgliederversammlung hat beschlossen, dass wir dieses erfolgreiche Regierungsbündnis fortsetzen wollen. Warum sollte man das wechseln, dafür gibt es gar keinen Grund."

    Die Kontrahentinnen schauen sich dabei nicht an. Jens Böhrnsen dagegen schielt zu seiner Finanzsenatorin rüber und lächelt still in sich hinein. Er weiß, er kann sich auf sie verlassen.

    "Das funktioniert gut, wir arbeiten vertrauensvoll zusammen, wir achten die Befindlichkeiten des anderen, es ist gute gedeihliche Zusammenarbeit, das muss so sein. Ich hab mir das ja in der Großen Koalition angeguckt, wo keiner dem anderen getraut hat, wo Energie verplempert wurde, statt für Bremen zu arbeiten, sich gegenseitig in die Beine zu treten. Das war widerlich. Böhrnsen und ich stehen für eine Politik, wo die gegenseitige Wertschätzung handlungsleitend ist, das hat auch ne Ausstrahlung im Umgang mit Menschen."

    Harmonie, mit diesem Begriff beschreiben sowohl Linnert als auch Böhrnsen das Verhältnis in den vergangenen vier Jahren. Vielleicht hat ja das Wissen um die aussichtslose finanzielle Lage Bremens zusammengeschweißt. Nie sagt einer ein böses Wort über den anderen. Und auch größere Streitereien zwischen SPD und Grünen treten dadurch kaum zutage. Es hat ganz andere Zeiten gegeben. Karoline Linnert kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als Bremen von einer großen Koalition regiert wurde. zwölf Jahre lang saß sie auf der Oppositionsbank in der Bremischen Bürgerschaft. Alles prallte an der Großen Koalition ab, erzählt sie und schüttelt sich noch heute, wenn sie daran denkt.

    Der damalige Bürgermeister Henning Scherf war Groß-Koalitionär durch und durch und entschied sich 2003 für die CDU als Koalitionspartner, statt für die Grünen. Die Grünen seien von oben herab behandelt worden, damals. Als die Grünen bei den letzten Bürgerschaftswahlen mit Spitzenkandidatin Linnert 16 Prozent bekamen, war Scherff weg und sein Nachfolger Böhrnsen bereit für den Blick nach links. Endlich waren die Grünen am Ziel. Sie hat es nicht vergessen, ist deshalb ihrem SPD-Weggefährten treu. Solange das Tandem Linnert-Böhrnsen funktioniere, so lange funktioniere auch das Bündnis, sagt der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst

    "Die SPD hat es mit einem durchaus selbstbewussten Koalitionspartner zu tun, der seine eigenen Akzente versucht zu setzen. In der Umweltpolitik, aber auch Frau Linnert in der Finanzpolitik. Und das wird akzeptiert. Wichtig ist immer das Kommunikationsmanagement von oben."

    Ob die Weggefährten auch noch so harmonisch miteinander regieren, wenn die Grünen stärker werden, und einen dritten Senatorenposten fordern, wird sich zeigen. Nach der Wahl.