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Vor der Fassade

Einer der letzten großen Wettbewerbe um das neue Berliner Schloss ist entschieden. Den Vorplatz, das Entrée und die Umgebung des historischen Ortes wird Timo Hermann gestalten. Er ist ein nüchterner Entwerfer und so hat er sich gekonnt der Rekonstruktionsfalle entzogen.

Von Nikolaus Bernau | 17.01.2013
    Die von der 18-köpfigen Jury einstimmig zur Ausführung empfohlene Arbeit von "BBZ" Timo Hermanns, einem in Berlin und Bern ansässigen Büro, ist nicht geeignet, große Gefühle auszulösen. Hermann ist ein nüchterner Entwerfer. Er sieht vier Plätze um das gewaltige Rechteck des Humboldt-Forums mit seinen Museen, Bibliotheken und Veranstaltungsräumen vor, das gerahmt werden soll von den nachgebauten barocken Fassaden des Berliner Schlosses.

    Nach Süden denkt sich Architekt Hermann nun einen sehr urbanen, fast durchgängig gepflasterten Platz, so wie der alte Schlossplatz ja auch bis in die Kaiserzeit ein geradezu italienisch-städtischer Ort war. Nach Norden, Richtung Lustgarten und Museumsinsel, hat er einige schmale Staudenpakete vorgegeben, die präzis die Kanten der historischen Schlossterrassen nachformen. Einige Bäume sollen die Raumwirkung des Apothekerflügels imaginieren, der aus dem unerforschlichen Willen des Schlossarchitekten Franco Stella nicht wiederentstehen soll. Zur Spree hin denkt sich Hermanns breite Rampen und Terrassen für die Restaurants im Schlossbau, eine Trauerweide soll hier an den romantischen kleinen Schlossgarten erinnern.

    Gekonnt hat sich Hermann damit der Rekonstruktionsfalle entzogen, welche die Politik den Gartenarchitekten und Landschaftsplanern gestellt hatte und in die die Verfasser des zweiten Preises, WES aus Hamburg, voll hineingegangen waren. Sie haben in ihrem geradezu neubarocken Entwurf ein zwar völlig geschichtsfreies, aber irgendwie doch alt aussehendes Grasparkett hin zum Lustgarten, eine breite Treppe zur Spree und auf dem Schlossplatz die Wiedererrichtung des Neptunbrunnens vorgesehen. Dieser eine faszinierende Arbeit des Hochhistorismus steht bisher allerdings noch vor dem Berliner Roten Rathaus - als Zentrum einer zu DDR-Zeiten entstandenen und von der Denkmalpflege eifersüchtig gehüteten Platzanlage.

    Doch seit Jahren schon fordern in Berlin einflussreiche Gruppen, nicht nur die barocken Fassaden des Schlosses wiederaufzubauen, sondern auch nach 1945 in der Stadt verstreute Skulpturen wie etwa den Neptunbrunnen oder die sogenannten Rossebändiger wieder zurückzuführen, die jetzt am Kammergericht in Schöneberg stehen. Diese gewaltigen Pferdestatuen waren einst vom reaktionären russischen Kaiser Nikolaus I. ins kaum weniger konservative Preußen geschenkt worden und rahmten bis 1945 Portal vier des Schlosses. Wenigstens in der regionalen CDU, den Resten der devastierten Berliner FDP und weiten Teilen der kulturell immer konservativer werdenden Berliner SPD sind die Fechter für die Rückkehr der Skulpturen durchaus mehrheitsfähig.

    Die Vertreter des Bundes und des Landes Berlin in der Jury sollen dem Vernehmen nach zunächst ganz begeistert gewesen sein von dem Entwurf aus Hamburg. Scheint er doch mit seinen Barockelementen alle Sehnsüchte nach der schönen Vergangenheit zu befriedigen. Die Architekten in der Jury setzten dennoch den ersten Preis für Timo Hermann durch. Und zwar interessanter Weise nicht zuletzt mit einem ebenfalls historisierenden Argument: In die neubarocke Gartenanlage der Hamburger hätten die Rossebändiger nämlich nicht hineingepasst. Bei Hermanns hingegen könnten sie einfach an ihrem historischen Ort wieder aufgestellt werden. Wenn sich denn Berlin tatsächlich irgendwann entschließen sollte, diese Denkmäler des Kalten Kriegs und des Sieges über Hitler-Deutschland wieder triumphierend am Schloss aufzustellen. Bis dahin verspricht Hermann uns eine sicherlich kaum Enthusiasmus erregende, aber doch nüchtern-pragmatische Gestaltung der Schlossfassaden. Im Sommer soll mit der Ausschachtung der Fundamente begonnen werden.