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Vor der Übernahme des Kommandos der Afghanistan-Schutztruppe

Am kommenden Montag übernimmt die Bundeswehr gemeinsam mit den niederländischen Streitkräften die Führung der Internationalen Schutz- und Unterstützungstruppe in Afghanistan, ISAF. Das deutsch-niederländische Korps, normalerweise in Münster in Westfalen stationiert, hat seinen Stab nach Kabul verlegt, um dort für zunächst sechs Monate der Übergangsregierung Karsai beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Dass dieser Einsatz mit hohen Risiken verbunden ist, wird täglich berichtet: Unterschiedliche Gruppen kämpfen in Afghanistan um die Vorherrschaft, und diese Kämpfe werden wieder mehr mit Gewalt ausgetragen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die Bundeswehr mit der Übernahme dieser Führungsrolle den Prozess des Hineinwachsens in internationale Verantwortung abgeschlossen hat. Seit 1992 hat sie sich langsam in diese internationalen Aufgaben fast hineingeschlichen. Aber begonnen haben die internationalen Einsätze viel früher als beim ersten Ausrücken von Bundeswehrsanitätern vor elf Jahren nach Kambodscha.

Rolf Clement | 08.02.2003
    Schon 1973 hat die Bundeswehr erstmals die UNO bei Blauhelm-einsätzen unterstützt. Damals haben Transportflieger der Bundeswehr von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt mit Unterstützungsflügen in den Nahen Osten Nachschubleistungen für die dort eingesetzte UN-Truppe erbracht. 1978 haben Bundeswehrflugzeuge norwegische UN-Soldaten nach Israel gebracht. Von dort aus reisten diese in ihr Einsatzgebiet im Libanon. Es war das erste Mal, dass ein Flugzeug der Bundeswehr in Israel gelandet ist.

    Spektakulärer, weil für die Öffentlichkeit sichtbar, war dann der Einsatz von Bundesgrenzschutzbeamten bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen in Namibia 1988. Während die Bundesregierungen in diesen Zeiten den Einsatz der Bundeswehr "out of area", wie es später heißen sollte, also außerhalb des NATO-Bündnisgebietes, noch für verfassungswidrig erklärten, wurde diese Diskussion beim Einsatz des Bundesgrenzschutzes nicht geführt.

    Drei Jahre später, 1991, stellte die Bundeswehr Experten für Verifikation und Abrüstung sowie Transportkapazitäten und Hubschrauber mit Besatzungen zur Durchsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates im Irak zur Verfügung, also Inspekteure, die als zivile Experten eingesetzt wurden, und Soldaten, die die Hubschrauber bedienten. Damals wurde Fluggerät der Bundeswehr erstmals weiß umgespritzt und mit dem UN-Zeichen versehen.

    1992 wurde die Bundeswehr erstmals mit einem größeren Kontingent im Rahmen einer UN-Mission eingesetzt. Auch die UNO betrat damals Neuland: Zum ersten Mal hat sie in Kambodscha in einem Land praktisch die Regierung übernommen. Heute nennt man das Nationbuilding. 22.000 Zivilisten, Polizisten und Soldaten sollten binnen eines Jahres dafür sorgen, dass in Kambodscha, das gerade einen Bürgerkrieg hinter sich hatte, eine Regierung demokratisch gewählt werden kann. Deutschland entsandte in diese Mission 75 Polizisten des Bundesgrenzschutzes und 140 Sanitätssoldaten der Bundeswehr. Sie stellte den Leiter des Sanitätsdienstes der UNO-Mission. Damals wurden die Einbindungen von Polizisten und Soldaten in die UN-Missionen noch unterschiedlich gehandhabt. Der Chef der 75 deutschen UN- Polizisten, Detlef Buwitt, damals zur Rolle seiner Truppe:

    Wir sind Teil der zivilen Untac-Polizeikomponente und haben wie alle Polizeibeamten, die hier im Bereich von Untac tätig sind - es sind insgesamt 3 600 - den Auftrag, die örtlich zuständige Polizei zu begleiten, zu überwachen, zu kontrollieren, vor allen Dingen auch Beschwerden aus der Bevölkerung entgegenzunehmen, die in zunehmendem Maße jetzt auf uns zukommen, dann vor allen Dingen auch ein großes Programm im Bereich der Flüchtlingsrückführung mitzusteuern und mitzusichern. Und dann natürlich ist der Hauptteil der zu erledigenden Arbeit die Wahlvorbereitung und Durchführung der Wahl. Das sind Probleme der inneren Sicherheit, die da ganz frontal auf uns zukommen und natürlich große Anstrengungen, auch viel Manpower bedeuten.

    Für die Bundeswehr galten andere Grundlagen. Ulrich Grüneisen, damals Oberfeldarzt in Pnom Penh:

    Wir sind keine UNO-Soldaten. Wir haben einen Status, wir sind assoziiert an die UNO. Wir genießen auch deren vollen Schutz, sind aber keine Blauhelme in dem Sinne. - Vom Gefühl her sind wir UNO-Soldaten. Vom Gefühl her sind wir Deutsche unter vielen, vielen anderen Nationen hier UNO-Soldaten.

    Das Spannungsfeld, in dem die Soldaten damals ihren Dienst versahen, zeichnen zwei Äußerungen nach. Zunächst der damalige Inspekteur des Gesundheitswesens der Bundeswehr, Generaloberstarzt Gunter Desch:

    Also, unsere Soldaten sind keine Uno-Soldaten. Das ist richtig. Sie tragen aber diese blauen Helme, die Halstücher und die Armbinden, damit sie in gleicher Weise wie die Uno-Soldaten geschützt sind. Was die Unterstellung angeht, so hat sich an ihrer Unterstellung in Deutschland nichts geändert.

    Der damalige Generalinspekteur Klaus Naumann machte deutlich, dass die deutschen Soldaten zwar auf die Zusammenarbeit mit dem damaligen australischen UN-Befehlshaber angewiesen sind, dass sie aber unter voller nationaler Verantwortung blieben. Der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe ergänzte dann:

    Sie genießen im übrigen genau denselben Schutz und genau dieselben Rechte wie andere UN-Soldaten, falls es zum Beispiel zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt, also Immunitätsfragen, die damit verbunden sind. Es ist nur diese eine Besonderheit, dass sie weiterhin Deutschland unterstellt sind, aber durch eine förmliche Absprache auf Zusammenarbeit mit dem UN-Kontingent verpflichtet sind.

    Damals schon ließ Rühe durchblicken, wohin der Weg nach diesem Einsatz gehen sollte:

    Das wird eine Komponente auch der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sein, sich mit allen Möglichkeiten bei den Vereinten Nationen zu engagieren, und ich glaube, Kambodscha ist dort ein glänzender Start.

    Der Einsatz in Kambodscha endete im November 1993. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bundeswehr ihren zweiten großen Einsatz bereits begonnen. Im somalischen Belet Huen waren rund 1.700 Bundeswehrsoldaten im Einsatz, nun auch formal schon unter UN-Kommando. Die UNO hatte auch hier nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung beschlossen, Nationbuilding zu betreiben. Das deutsche Kontingent war als Unterstützungstruppe für UN-Verbände vorgesehen, die im Raum Belet Huen die Friedenssicherung vornehmen sollten. Das indische Bataillon, das die deutsche Truppe unterstützen sollte, ist allerdings nie dort angekommen. Verteidigungsminister Volker Rühe zum Auftrag der Bundeswehr in Somalia:

    Der Unterstützungsverband Somalia hat den Auftrag, die logistische Unterstützung eines ca. 4000 Mann starken UNOSOM-2-Verbandes vorzubereiten und im Rahmen verfügbarer Kapazitäten humanitäre Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Der Verband mit dem logistischen Unterstützungskommando von UNOSOM 2 unterstellt.

    Der Somalia-Einsatz wurde wegen des Ausbleibens des indischen Kontingents in der Praxis doch anders als erwartet. Die Bundeswehr übernahm dort ein Krankenhaus, auch die Trinkwasseraufbereitung für die Region, aber sie musste sich zusätzlich den Aufgaben stellen, die mit dem Aufbau staatlicher Ordnung in der Region zu tun hatte. Sie wuchs damit schneller als erwartet in Aufgaben hinein, die sie zunächst noch nicht wahrnehmen sollte.

    Die neuen Aufgaben, denen sich die bisher ausschließlich auf Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtete Streitkraft nun stellen musste, machte neue Ausbildungsgänge erforderlich. Die Bundeswehrführung stellte aus den Ausbildungsplänen verbündeter und befreundeter Nationen einen eigenen Plan auf und setzte ihn schnell um. Besonderes Gewicht legte die Bundeswehr dabei auf die politische Ausbildung: Die Soldaten sollten sich intensiv mit der Geschichte des Einsatzlandes, den Ursachen des Konflikts, nach dessen Beilegung sie eingesetzt würden, und mit den Sitten im Einsatzgebiet beschäftigen.

    Hinzu kam eine wichtige mentale Umstellung: Die Soldaten müssen deeskalierend wirken, wenn es zu Auseinandersetzungen in ihrem Einsatzgebiet kommt. Sie sind unparteiisch, das schreiben die Einsatzregeln der UNO vor. Selbst, wenn sie den Anstifter möglicher Übergriffe kennen, müssen sie alles tun, um die Neutralität zu wahren, die für den Einsatz wichtig ist.

    Die Einstellung auf die neuen Aufgaben fiel in der Bundeswehr nicht jedem leicht. Manch einer sagte, das sei nicht die Aufgabe, für die er zur Bundeswehr gekommen sei. Die bisherige Gewohnheit, dass die deutsche Armee Sicherheit nur durch blos-se Präsenz in den Kasernen zu Hause gewährleisten kann, durch Abschreckung also, wurde durch Auslandseinsätze in einem schwierigen Umfeld abgelöst.

    Der Einsatz in Somalia wurde vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen. Die Bundeswehr, so die damalige SPD-Opposition, dürfe solche Einsätze nicht mitmachen, da der Bund nach dem Grundgesetzatikel 87a Streitkräfte nur zur Verteidigung aufstellen dürfe. Der Einsatz in Somalia überschreite die Grenze des humanitären Einsatzes, weil dort Verbände unterstützt würden, die gegebenenfalls auch Gewalt anwenden dürften. Die Bundesregierung hielt dagegen, dass sie nach Art. 24 des Grundgesetzes ermächtigt sei, internationalen Bündnissen beizutreten, dann aber auch die daraus sich ergebenden Pflichten übernehmen müsse.

    Ein weiteres Verfahren vor dem Verfassungsgericht wurde angestrengt, als die Bundeswehr an der Durchsetzung des von der UNO über das damalige Jugoslawien verhängten Wirtschaftembargo beteiligt werden sollte. Dabei ging es um die Mitwirkung von Bundeswehrsoldaten in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO. Die AWACS-Verbände sind multinational zusammengestellt. Dort arbeiten Soldaten aus elf der 19 Bündnisnationen in einem Verband zusammen. Hätten die Deutschen herausgelöst werden müssen, wäre die Einsatzfähigkeit der Verbände in Frage gestellt gewesen.

    Das Bundesverfassungsgericht folgte in beiden Verfahren im wesentlichen der Auffassung der damals CDU-geführten Bundesregierung. Aber es stellte fest, dass für diese Einsätze ein Beschluss des Bundestages erforderlich ist. Das gilt bis heu-te.

    Was damals noch nicht bekannt war, ist, dass die Bundeswehr schon viel weiter gegangen war. Während des Krieges zur Beendigung der irakischen Besetzung Kuwaits 1991 wurden die AWACS-Flugzeuge im Luftraum über der Türkei eingesetzt. Sie dienten damals als Leitstelle für die Luftangriffe der Al-liierten Streitkräfte. Aus den AWACS-Flugzeugen heraus wurden die Operationen der Luftwaffen über dem Irak geleitet, also auch entsprechende Befehle gegeben. Das entspricht nach der deutschen Interpretation eindeutig einem Kampfeinsatz. Deutsche Soldaten waren damals an Bord der AWACS-Maschinen, und sie wirkten an den Operationen aktiv mit. Nur: Damals merkte das niemand. So galt: Wo kein Kläger ist, das ist auch kein Richter.

    Nach dem Dayton-Abkommen 1995 beteiligte sich die Bundeswehr an den Einsätzen zur Stabilisierung der brüchigen Lage in Bosnien-Herzegowina. Die Diskussion darüber wurde sehr strittig geführt. Wegen der Übergriffe der Deutschen Wehrmacht im zweiten Weltkrieg auf Jugoslawien sollten deutsche Soldaten dort keinen Dienst tun, argumentierten die Gegner des Einsatzes. Verteidigungsminister Rühe und Bundeskanzler Kohl argumentierten vorsichtig dagegen: Hatte es zunächst noch geheißen, deutsche Soldaten sollten nicht mehr auf dem Boden Jugoslawiens eingesetzt werden, sagten sie nun: Die Deutschen leisteten nur humanitäre Hilfe, sie unterstützten nur. Dann hieß es: Deutsche Soldaten sollten nicht nach Bosnien-Herzegowina gehen. Ihr Stationierungsort war damals Kroatien.

    Später veränderten sie wieder die Argumentation: Deutsche Kampftruppen sollten nicht in Bosnien tätig werden. Schließlich wurden dort nur Unterstützungstruppen – im wesentlichen Transportverbände, Pioniere und Sanitäter – eingesetzt. Nicht wenig später übernahm die Bundeswehr die Leitung eines Bezirks in Bosnien. Sie war damit offiziell Teil der mittlerweile SFOR genannten Truppe mit einem eigenen Verantwortungsbereich und einem breiten Einsatzspektrum, zu dem auch Kampfverbände gehörten.

    Mit den Sanitätern in Kambodscha, den Logistikverbänden in Somalia und den Verbänden, die sich an der Stabilisierung Bosniens beteiligten, war die Bundeswehr langsam in die internationale Verantwortung hineingewachsen. Mit der Beteiligung an der Durchsetzung des Wirtschaftsembargos gegen Jugoslawien – übrigens nicht nur mit Überwachungsflugzeugen, sondern auch mit einem Marine-Verband in der Adria – hatte sie auch die Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen, also zur begrenzten Gewaltanwendung, erhalten.

    Nach der Vertreibung von Albanern aus dem Kosovo hat sich die Staatengemeinschaft entschlossen, dieser Politik des serbischen Diktators Milosevic mit Gewaltanwendung ein Ende zu bereiten. Die Luftwaffe war mit Tornado-Kampfflugzeugen am Kosovo-Krieg beteiligt. Mit dieser Entscheidung der mittlerweile ins Amt gekommenen rotgrünen Regierung war das Spektrum der Einsatzoptionen vervollständigt worden.

    Nach dem Kosovo-Krieg rückte die Bundeswehr ins Kosovo mit ein, als dort wiederum das Nationbuilding begann. Deutschland hat dort von Anfang an einen Sektor übernommen. Der damalige Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach zu den Aufgaben der Kosovo-Mission:

    Die prinzipiellen Aufgaben sind einmal: Schaffung eines sicheren Umfelds mit allem, was damit verbunden ist; das zweite ist: Hilfe im humanitären Bereich, d.h. zunächst mal, jedenfalls zu Anfang, Versorgung und sanitätsdienstliche Betreuung der intern Vertriebenen, Hilfe bei der Unterbringung. Um diese beiden großen Gruppen ranken sich eine Vielzahl von Einzelaufgaben.

    Im Kosovo stellte die Bundeswehr mit General Klaus Reinhardt den zweiten KFOR-Kommandeur. Reinhardt kommandierte damals ein NATO-Korps, war also formal ein NATO-General. Trotzdem war dies ein weiterer Schritt der Bundeswehr auf dem Weg zum völligen Hineinwachsen in die internationalen Aufgaben.

    Dieser Kurs wurde fortgesetzt. In Mazedonien übernahm die NATO im August 2001 die Aufgabe, die albanischen Rebellen zu entwaffnen. Die Diskussion über diesen Einsatz wurde im Bundestag, vor allem in der rot-grünen Koalition seit langem erstmals wieder sehr strittig geführt. Die Koalition hatte keine eigene Mehrheit, war also auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Verteidigungsminister Scharping machte im Bundestag deutlich, dass solche Einsätze immer noch gefährlich bleiben:

    Das ist eine riskante Operation, so wie jeder militärische Einsatz es ist, selbst wenn er den Verfassungsreformprozess in Mazedonien begleiten und unterstützen soll. Deswegen wird ja alles Erforderliche getan, um von der Ausbildung, von der Ausrüstung und vom Einsatzkonzept her ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten.

    Nach der Entwaffnung der Rebellen blieb die NATO-Truppe im Land, um die dort noch tätigen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit OSZE zu schützen, wie es offi-ziell hieß. De facto stabilisierte die Truppe den politischen Reformprozess im Lande. Die Bundeswehr übernahm erstmals für ein halbes Jahr die Führungsrolle in diesem im Vergleich zu anderen Missionen recht bescheidenen Einsatz. Auch dieser Ein-satz galt noch als sog. Blauhelmeinsatz.

    Nach den Anschlägen auf New York und Washington am 11. September 2001 beteiligte sich die Bundeswehr am internationalen Anti-Terror-Kampf. Spezialkräfte der Bundeswehr, Marineeinheiten am Horn von Afrika und die dazugehörenden Unterstützungsverbände wurden mit Kampfauftrag entsandt. Im Rahmen der internationalen Schutztruppe für Afghanistan übernahm die Bundeswehr eine gewichtige Rolle in Kabul.

    Nun übernimmt sie mit der Führung dieses Verbandes erstmals die Leitung eines großen multinationalen Einsatzes. Der Druck auf Deutschland, sich dieser Aufgabe zuzuwenden, wurde in den letzten Monaten systematisch aufgebaut. Zum einen hat Deutschland in Afghanistan ein hohes Ansehen, zum anderen ist es die einzige europäische Macht, die eine solche Aufgabe noch nicht übernommen hatte und die in den weiteren Aufgaben nicht so gebunden war, dass die Übernahme dieser Aufgabe ihre Kapazitäten übersteigen würde.

    Bei ihrem Auftreten in den vorangegangenen Missionen hat die Bundeswehr gute Kritiken erhalten. In Somalia verschaffte die Art, wie die Deutschen die Aufgabe der Befriedung der ihnen zugewiesenen Region gestaltete, hohen Respekt. Im Kosovo galt der von den Deutschen verwaltete Bezirk schnell als die Schweiz des Kosovo. Die mazedonische Regierung hatte die deutsche gebeten, dass die Bundeswehr in Mazedonien in der Leitrolle bleiben sollte. Auch in Afghanistan leisteten die Deutschen in den letzten Monaten beachtliches.

    So wurde und wird die Bundeswehr international immer wieder angefordert. Sollte es im Nahen Osten zu einer Friedensregelung kommen, käme die Bundeswehr wieder in die Diskussion. Sowohl Israel wie auch die Palästinenser haben schon durchblicken lassen, dass sie am liebsten die Deutschen in der Verantwortung für eine Friedensmission dort sähen. Aufgrund der Erfahrungen, die die US-Streitkräfte während des Kosovo-Krieges mit den deutschen Tornados gemacht hatten, gab es im Vorfeld der Überlegungen für einen möglichen Irak-Krieg eine informelle Anfrage der US-Luftwaffe an die deutsche, ob die Tornados dort wieder zum Einsatz kommen könnten. Dieses Ansinnen wurde schon auf der Arbeitsebene abgelehnt, so dass eine offizielle Anfrage nicht gestellt wurde. Spekulationen ranken sich jetzt um eine Beteiligung der Bundeswehr beim Wiederaufbau des Iraks nach einem Krieg.

    Die Übernahme der Führungsrolle in Afghanistan beendet nunmehr einen langen Weg der Bundeswehr von der Phase des Zuschauens, der zaghaften Unterstützung von UN-Missionen bis hin zu der verantwortlichen Leitung einer solchen Mission. Dieser Weg wurde begleitet durch weitere kleinere Engagements. So war die Bundeswehr beteiligt, als nach dem Golfkrieg Minen aus dem Persischen Golf geräumt werden sollten. Während des Golfkriegs waren deutsche Soldaten in der Türkei, um den Bündnispartner gegen mögliche Angriffe aus dem Irak zu schützen. In Georgien sind Deutsche an einer UN-Mission beteiligt. Dort kam der erste und bisher einzige Bundeswehrsoldat durch Einwirkung einer der Konfliktparteien ums Leben: Als ein UN-Hubschrauber abgeschossen wurde, starb ein Bundeswehrarzt. 44 Soldaten verloren in den Einsätzen ihr Leben durch Unglücke oder Unfälle. Die Bundeswehr wurde durch Umstrukturierungen und neue Ausrüstung auf die neuen Aufgaben vorbereitet. Aus einer Armee, die im Kalten Krieg rein defensive Aufgaben wahrzunehmen hatte und die in dieser Zeit nie in den Einsatz musste, ist eine Einsatzarmee geworden. Dieser Weg ist jetzt vollendet.