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Vor der WTO-Konferenz in Katar: Feilschen um Fairness

Der letzte Anlauf scheiterte kläglich. Als Handelsminister aus aller Welt vor zwei Jahren im nordamerikanischen Seattle am Konferenztisch Platz nahmen, wurde das Treffen der Welthandelsorganisation WTO nach tagelangen Verhandlungen ergebnislos abgebrochen. Es war den Beteiligten nicht gelungen, sich über die Agenda für eine neue Welthandelsrunde zu verständigen. Genugtuung über diesen Misserfolg herrschte damals vor allem bei den Kritikern der WTO. Sie betrachten die Gesprächsrunden vor allem als Veranstaltung der reichen Staaten zu Lasten der Dritten Welt. Ganz anders die Befürworter des weltweiten Freihandels. In ihren Augen ist die WTO keine Institution zur Unterdrückung der Entwicklungsländer, sondern eine wirkungsvolle Organisation zur Zähmung gerade der wirtschaftlichen Großmächte. Um einen fairen Interessenausgleich zwischen den Industriestaaten auf der einen und den Entwicklungsländern auf der anderen Seite wird ab morgen erneut gerungen werden auf der Konferenz im arabischen Emirat Katar. Eine Prognose über den Ausgang der Gespräche wagt keiner der Beteiligten. Einigkeit herrscht immerhin in einem Punkt: Die Konferenz darf nicht erneut gänzlich scheitern. Denn sonst könnte die WTO als Regelungsinstrument des global vernetzten Handels beschädigt werden.

Klaus P. Weinert |
    Die WTO ist eine noch junge Einrichtung. Ihre Vorläufer reichen zurück bis in die unmittelbare Nachkriegszeit. Damals hatten 23 Staaten gemeinsam das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT gegründet, um wieder die Voraussetzungen zu schaffen für einen freien Welthandel nach dem Zweiten Weltkrieg. Ziel war es und ist es seitdem, Zollsätze und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abzubauen, um dadurch den Erwerb von Waren zu erleichtern und den allgemeinen Wohlstand zu fördern. In insgesamt acht Verhandlungsrunden ist es bis heute gelungen, die Zölle von Industriegütern schrittweise um 40 Prozent auf knapp 5 Prozent bis Mitte der 80er Jahre zu senken. Dass der Wahrenhandel seit 1950 fast doppelt so schnell wuchs wie die Warenproduktion, ist daher auch dem GATT zuzurechnen.

    Der bisher größte Durchbruch gelang 1993. Nach fast acht Jahren Verhandlungen konnte die so genannte Uruguay-Runde erfolgreich abgeschlossen werden. Nie zuvor waren größere Fortschritte gemacht worden bei der Liberalisierung des Handels. Außerdem wurde beschlossen, das bisherige Vertragswerk GATT in Zukunft in eine förmliche Organisation umzuwandeln - die Geburtsstunde der heutigen WTO mit Sitz in Genf.

    Gerade der Verhandlungsmarathon der Uruguay-Runde zeigte aber auch die großen Differenzen, die immer noch den Welthandel beherrschten. Als die Handelsminister 1990 bei ihrem Treffen in Brüssel schon glaubten, die Runde zu einem Abschluss zu bringen, scheiterte das Vorhaben. Grund dafür waren allerdings nicht neue Forderungen nach Zollsenkungen, sondern Streit über Maßnahmen in der Landwirtschaft - ein Bereich, der neu in die Handelsgespräche aufgenommen worden war. Zu weit lagen die Positionen auseinander zwischen den USA, der Europäischen Union mit ihrem stark reglementierten Agrarmarkt und der sogenannten Cairns-Gruppe - einem Zusammenschluss von Agrarexporteuren wie Argentinien, Indonesien und anderen Staaten. Erst nach weiteren Konsultationen und Kompromissen konnte die Uruguay-Runde schließlich mit zwei Jahren Verspätung doch noch zu einem Abschluss geführt werden. Was waren ihre wesentlichen Erfolge? Professor Dieter Bender Handelsexperte von der Ruhruniversität Bochum:

    Es ist gelungen, den Weltagrarhandel unter das System der GATT-Handelssysteme einzubringen. Das bindet nun auch die internationale Agrarpolitik an Liberalisierungsverpflichtungen und Liberalisierungsziele, die mit diesem Handelsabkommen begründet worden sind. Zweiter Fortschritt: die Rückkehr des Welttextilhandels, des sehr stark regulierten Welttextilhandels unter das Dach des GATT-Systems im Welthandel mit Textil- und Bekleidungswaren - zweifelsohne ein Bereich in dem Entwicklungsländer ihre entwicklungspolitischen Interessen nun werden besser ausnutzen können. Dritter Forschritt: Mit dem Abschluss der Uruguay-Runde und dem WTO-Abkommen ist das Tor für eine Liberalisierung des Welthandels mit Dienstleistungen erstmals überhaupt geöffnet worden.

    Der Bereich der Dienstleistungen wächst in den hoch entwickelten Nationen immer stärker. Auf der anderen Seite sinkt die Beschäftigung in der Industrie. So arbeitet in den USA nur noch rund jeder fünfte Arbeitnehmer in der Industrie. In Deutschland ist es noch rund jeder dritte. In den weniger entwickelten Ländern ist dieses Verhältnis noch nicht so ausgeprägt. Dort spielt der Agrarsektor oft noch die dominante Rolle, wie zum Beispiel in Indien mit etwa 60 Prozent der Beschäftigten. Dagegen arbeiten in Deutschland noch nicht einmal 3 Prozent in diesem Wirtschaftszweig. Daher stellt sich die Frage, ob von der Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes nicht vor allem die Industrienationen profitieren. Dieter Bender:

    Entwicklungsländer machen ja geltend, dass sie von der Liberalisierung des Dienstleistungshandels nicht profitieren, weil hier die Industrieländer eine bessere Position haben als Dienstleistungsexporteure, während die Entwicklungsländer überwiegend Importeure von Dienstleistungen sind und deshalb an den Wohlstandswirkungen nicht teilhaben würden. Diese Position ist korrekturbedürftig. Auch als Dienstleistungsimporteure werden Entwicklungsländer von der Liberalisierung profitieren, denn Öffnung der Märkte, der globalen Märkte für Dienstleistungen bringt Preissenkungen, Preissenkungen begünstigen die Importeure und bewirken in den Importländern höhere Realeinkommen, weil zahlreiche Dienstleistungen am Weltmarkt preisgünstiger zu erhalten sein werden.

    Würde der Dienstleistungsmarkt noch weiter liberalisiert, dann hätten die Entwicklungsländer ökonomisch betrachtet wichtige Vorteile in arbeitsintensiven Bereichen. Denn in diesen Zweigen können sie billige Arbeitskräfte exportieren - sie wären also konkurrenzfähiger zum Beispiel in Nachbarländern, aber natürlich auch in Industrieländern, wo das Lohnniveau sehr hoch ist.

    Hier zeigen sich aber schon die Probleme. Denn der Arbeitsmarkt ist in den vergangenen Jahren nicht annähernd so weit liberalisiert worden wie etwa der Bereich der Güter- und Kapitalmärkte. So ist es nicht möglich, dass billige Arbeitskraft ohne weiteres in Deutschland oder der Europäischen Union importiert werden könnte. Nationale Hindernisse stehen dem entgegen, weil man negative Auswirkungen auf den eigenen Beschäftigungsmarkt fürchtet. Gerade auf diesem Markt handeln die Industrieländer äußerst restriktiv und erschweren damit Verdienstmöglichkeiten, die durch Kapitaltransfers ausländischer Arbeitnehmer in ihre Heimatländer das dortige Einkommen erhöhen könnten.

    So ist das Liberalisierungskonzept der Welthandelsorganisation zwar durchaus ökonomisch logisch, viele sinnvolle Forderungen scheitern aber an nationalen Gesetzen. Darüber hinaus ist die Wirtschaftspolitik der Industriestaaten in der Regel auf die hoch entwickelten Wirtschaftsnationen ausgerichtet. Da aber nicht alle Länder das gleiche Wirtschaftsniveau haben, können Forderungen des freien Handels auch negative Auswirkungen haben. Klaus Wardenbach vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen in Bonn:

    Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass der größte Teil der Entwicklungsländer durch kleinbäuerliche Strukturen bestimmt wird. Da gibt es Menschen, die leben doch noch so wie vor 100, 200, 500 Jahren, die haben gerade genug, um zu überleben; aber ihre Lebensquelle ist ihr Stückchen Land und das wird bewirtschaftet und da sind sie gar nicht auf den Weltmarkt ausgerichtet. Das heißt, sie produzieren für das eigene Überleben. Dann bekommen sie jetzt durch den freien Welthandel oft Konkurrenz, was Maisimporte angeht, Reisimporte angeht, zum Beispiel aus den USA, mit denen können sie nicht konkurrieren. Das heißt, sie sind dann bedroht in Konkurs zu gehen, auch ihr Stückchen Land zu verlieren und sich auch nicht selbst ernähren zu können, sind gezwungen in die Städte abzuwandern und bilden da das Subproletariat.

    Wie wichtig es ist, gerade bei neuen Verhandlungsrunden der WTO diese Entwicklungsunterschiede und verschiedenen Ausgangsbedingungen zu berücksichtigen, ist auch auf dem Gebiet der geistigen Eigentumsrechte offensichtlich. Diese sollen in Zukunft auch innerhalb der WTO geregelt werden - neben den Dienstleistungen und Industriegütern. Man muss hier die spezifischen Bedingungen auch der Länder berücksichtigen, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben wie Nordamerika oder Europa. Und es ist ein institutioneller Rahmen nötig, damit auch in Entwicklungsländern Patentrechte in Zukunft wirksam geschützt werden können. Deshalb hält es Michael Hofmann vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit für erforderlich, Entwicklungsländern etwa bei der Einrichtung von Patentämtern stärker als bisher unter die Arme zu greifen:

    Das ist für jeden offenkundig, der einen Computer benutzt, der weiß, dass es viele Raubkopien und anderes gibt, bei uns, das gibt es auch in den Entwicklungsländern. Und selbstverständlich legen Industrieländer großen Wert darauf, dass das, was dort durch Forschungsinvestitionen hineingesteckt worden ist, sich auch irgendwann mal auszahlt. Klar, dass sie sich bemühen, dass Entwicklungsländer Patentämter und anderes aufzubauen. Erstens kostet das viel Geld. Erste Voraussetzung, die wir mithin zu erfüllen haben, wenn wir von den Entwicklungsländern so etwas erwarten - wir müssen ihnen helfen diese Dinge in ihren eigenen Ländern auch einführen zu können. Das ist kostspielig. Das wird auch Zeit kosten. Wer dies zu restriktiv handhabt, der nimmt Entwicklungsländern auch Entwicklungschancen.

    Besonders im Bereich geistiger Eigentumsrechte von Medikamenten sind Entwicklungsländer dann in einer schwierigen Situation. Ein Beispiel dafür ist das akute Problem der Bekämpfung von Aids in Afrika. Die Medikamente sind so teuer, dass sich viele ärmere Staaten diese Arzneien überhaupt nicht leisten können. Erst internationaler Protest ermöglichte ein Einlenken der Pharmaunternehmen und Hilfe der reichen Länder, um einen Ausgleich zwischen den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen der Unternehmen und den besonderen wirtschaftlichen Bedingungen afrikanischer Länder herbeizuführen.

    Die WTO steht heute mehr denn je vor der Aufgabe, die globalen Unterschiede in ihrem Regelwerk zu berücksichtigen. Denn die meisten der 142 Mitglieder der WTO zählen nicht zu den reichen Nationen der Welt, die über ähnliche Wirtschaftsstrukturen verfügen und für die daher Anpassungen an globale Verhältnisse leichter sind als für ärmere Länder. Meist treffen sich die Industrienationen viel häufiger, um gemeinsame Probleme zu besprechen. Auch in den informellen Gesprächen der WTO sind viele Länder nicht beteiligt, weil sie sich zum Beispiel keine Vertretung bei der WTO in Genf leisten können. Schließlich treffen sich Europäer, die US-Amerikaner und die Japaner zu informellen Gesprächen innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, OECD in Paris, um Vorbereitungen für Verhandlungsrunden auf internationaler Ebene zu treffen.

    Der Informationsvorsprung ist dadurch so hoch, dass manche kleinen Länder zwangsläufig ihre Position nicht so gut vertreten können, wie das nötig wäre, um ihre Interessen zu verteidigen. Die WTO bietet so immer noch Vorteile für die großen und ökonomisch starken Länder der Erde, die nur einen kleinen Teil der 142 Mitglieder ausmachen.

    Die WTO steht in Zukunft aber auch vor der Frage, ob freier Handel alleine ausreicht, um alle Länder, die in der WTO versammelt sind, und zukünftig auch China, so in den Welthandel zu integrieren, dass allen die Vorzüge des Handels zugute kommen. Dirk Messner vom Institut für Entwicklung und Frieden in Duisburg:

    Es wird ja häufig diese Floskel gebraucht: wir brauchen mehr Handel statt Hilfe. In Wirklichkeit, glaube ich, brauchen wir mehr internationale Zusammenarbeit, damit die schwächsten Länder überhaupt erst einmal handelsfähig werden. Wir haben diese Länder in diesen anderthalb Dekaden überfordert; wir haben ihnen abgefordert ihre Zölle, die oft um die 30, 40, 50 %e, ja im dreistelligen Bereichen - das war sicher überzogen - aber in sehr, sehr kurzer Zeit zu reduzieren. Und wir haben in Ostdeutschland gesehen, was passiert, wenn man Länder sehr schnell öffnet. Dann zerstört man die industrielle Infrastruktur, weil kein Unternehmen ist in der Lage, den Abbau dieser Schutzzölle durch Produktivitätsgewinne zu kompensieren. Und das sind Fehler, die in der Vergangenheit gemacht worden sind.

    So wie Hilfe für Ostdeutschland und Osteuropa notwendig ist, genauso müssen auch andere Regionen der Welt nicht nur mit finanzieller Hilfe, sondern auch mit Know-How unterstützt werden. Marktwirtschaft und freier Handel ist ohne Politiker, Wissenschaftler und Kaufleute unmöglich, die nicht wissen, wie eine moderne globale Wirtschaft funktioniert, die zur Voraussetzung auch Regeln braucht, die in der WTO ausgearbeitet werden. Viele Länder nehmen zwar an den Verhandlungen teil, unterschreiben auch die Verträge, kennen aber nicht die Auswirkung einzelner Vertragspunkte der WTO-Vereinbarungen auf ihre Volkswirtschaften. Das Regelwerk ist so kompliziert geworden, dass dazu auch gut ausgebildete Völkerrechtler und Ökonomen erforderlich sind, über die viele Länder gar nicht verfügen.

    Die WTO kann daher alleine viele Probleme, die im Zusammenhang mit dem freien Welthandel stehen, gar nicht lösen. Hilfsprogramme der reichen Staaten sind nötig, um den Entwicklungsländern das Wissen beizubringen, das sie benötigen, um auch als gleichwertige Partner bei internationalen Verhandlungen teilnehmen zu können. Das wird eine wichtige Aufgabe für die Zukunft sein. Nicht weniger wichtig sind aber noch andere Themen, die auf der Tagesordnung stehen: Hat sich das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, GATT, wesentlich mit der Senkung der Warenzölle und nichttarifärer Handelshemmnisse beschäftigt, die WTO nun mit Dienstleistungen und geistigen Eigentumsrechten, so müssen in Zukunft noch zwei weitere Themen dringend geklärt werden: soziale Fragen und die Fragen der Umwelt. Dirk Messner vom Institut für Entwicklung und Frieden:

    Die WTO wird in Zukunft entscheiden müssen, ob sie sich mit Umwelt und Sozialfragen beschäftigt. Das lehnt sie derzeit ab. Es gibt eine interne Kommission, die diese Fragen berät. Das ist auch ein Streitpunkt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die Entwicklungsländer möchten nicht Umwelt- und Sozialfragen thematisiert haben, weil sie fürchten, das daraus ein neuer Protektionismus gegen sie erwachsen könnte, das ist eine nicht ganz ungerechtfertigte Angst, die da im Raum steht. Aber wir müssen uns natürlich die Frage stellen, wie wir Welthandel mit Sozial- und Umweltfragen verkoppeln. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir tun das innerhalb der World Trade Organization, so dass wir da Untersekretariate einrichten oder wir müssen sie in die ILO verlagern, in die internationale Arbeitsorganisation, das würde aber voraussetzen, dass wir die ILO stärken, weil sie ist so schwach, dass sie sich in der Regel gegen die Welthandelsorganisation nicht durchsetzen kann. Und ein dritter wichtiger Punkt: Wie kann man denn so eine Organisation, die fernab von uns Entscheidungen fällt, die für uns alle von außerordentlich großer Bedeutung sind, auch für die Industrieländern, das hat viel mit Arbeitslosigkeit hier zu tun wie kann man das denn demokratischer handhaben. Und eine Debatte, die es dort gibt und die sehr richtig ist, der World Trade Organization ein WTO-Parlament zur Seite zu stellen.

    Das hätte den Vorteil, dass die Arbeit und die Entscheidungen der WTO transparenter würden. So ist heute die Arbeit des Allgemeinen Rates der WTO, der die Aufgaben und Geschäftsführung zwischen den Ministerkonferenzen wahrnimmt, für die Menschen in den Mitgliedstaaten weitgehend unbekannt. Aber auch die Ministertreffen, wie jetzt in Katar, tragen meist nicht dazu bei, genau zu erfahren, warum Verhandlungsrunden gescheitert und welche Entschlüsse genau gefasst worden sind. Auch die Absprachen zwischen einzelnen Ländern dringen oft nicht in die Öffentlichkeit und erschweren so den Einblick in die Arbeit der WTO. Die Folge sind Unsicherheiten über die eigene wirtschaftliche Zukunft auch in den Industrienationen.

    Ein Parlament der WTO könnte auch der Weg zu einer wachsenden Demokratisierung der globalen Wirtschaft sein. Keine Nation ist ohne soziale Struktur überlebensfähig und auch die Welt benötigt völkerrechtliche Verträge. Die Ansätze einer neuen Weltordnung besonders auch im globalen Handel werden in Zukunft unabdingbar sein, um stabile wirtschaftliche Verhältnisse zu etablieren, die unseren Wohlstand sichern. Die WTO hat so auch die Aufgabe, an einer Weltmarktwirtschaft mitzuwirken, die für die Menschen wie auch für Unternehmer kalkulierbar ist. Dirk Messner:

    Unternehmen brauchen Erwartungssicherheit. Das ist ja auch der Grund dafür, dass Unternehmen nicht in den instabilsten Ländern der Welt investieren, auch nicht in den Ländern investieren, in denen die Löhne am niedrigsten sind, dann müsste ja ganz Afrika und Lateinamerika überquellen vor Direktinvestitionen. Die Unternehmen gehen in Gesellschaften hinein in denen das Rechtssystem gut entwickelt ist, in denen es Erwartungssicherheit gibt, in denen man hoffen kann, die Investition, die ich heute tätige, die ist auch noch in 15 Jahren stabil. Stabilität hat eben auch etwas mit sozialer Stabilität zu tun. Die Unternehmen lernen, dass der freie globale Markt klare Regeln braucht, die Sicherheit bedeuten.

    Die WTO ist einen Schritt vorangekommen im Regelwerk für den globalen Handel. Denn sie hat neben den Waren auch Dienstleistungen und geistiges Eigentum in ihre Abkommen integriert. Darüber hinaus sind auch die Direktinvestitionen in das System eingebracht worden, um Diskriminierungen durch nationale Regelungen zu vermeiden. Damit zieht die WTO die Konsequenzen aus der wachsenden Produktionsverlagerung in andere Länder. Darüber hinaus bleibt die Frage nach der Demokratisierung der WTO und einer besseren Berücksichtigung der Entwicklungsländer auf der Tagesordnung. Michael Hofmann vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit:

    Wir müssen uns bemühen, einen Weg zu gehen, der alle mitnimmt in den Weg der Globalisierung. Dass dieses Gefühl, das in sehr vielen Ländern vorhanden ist, diese Globalisierung ist einseitig zum Nutzen der Starken, einseitig zum Nutzen der dynamischsten Unternehmen, zum Nutzen der fortgeschrittensten Industrieländer und die Entwicklungsländer außen vor lässt. Ich glaube, dass wir diesem Gefühl entgegenarbeiten müssen und zwar nicht nur durch nette Gesten, sondern auch durch ganz konkretes Entgegenkommen, was die Interessen der Entwicklungsländer betrifft. Deshalb ist es wichtig dass in dieser Welthandelsrunde ausgewogen verhandelt wird, dass man ausgewogen die Interessen aller Seiten ausgewogen berücksichtigt, dass man zur Kenntnis nimmt, dass man zum Beispiel im Handel, in manchen Bereichen noch sehr hohe Zollsätze haben, dass dieses Problem der so genannten Zolleskalation wichtiges Thema ist, nicht nur für die ärmsten Entwicklungsländer, sondern auch für die fortgeschrittenen, dass man diese Fragestellen, was zum Beispiel den Bereich Landwirtschaft, Textilien, Bekleidung genauso ernst nimmt wie die Fragestellungen, die zum Beispiel Deutschland, die Europäische Union, die USA und Japan interessieren, genauso so ernst zu nehmen, was die Entwicklungsländer wollen, wie das, was wir wollen.