Archiv


Vor Lügnern wird gewarnt

Die ehemalige Starsprinterin Marion Jones hat ein Bekenntnisbuch geschrieben. Die Geschichte über ihre harte Zeit im Gefängnis kaschiert mehr, als es offenlegt. Denn noch immer bestreitet sie, jemals bewusst Dopingmittel genommen zu haben.

Von Jürgen Kalwa |
    Das Gesicht des größten amerikanischen Dopingskandals gehört zu den attraktivsten im Sport. Das strahlte einst bei den großen Veranstaltungen die Zuversicht und die pure Freude des Top-Athleten aus. Es wirkte trotzig und verschlossen, als die Öffentlichkeit wissen wollte, was an den Gerüchten über illegale Mittel sei, die mit dem Namen BALCO verbunden waren. Und es dokumentierte Zerknirschtheit und Trauer, als endlich die ganze Wahrheit bekannt wurde. Ja, gab die Leichtathletin Marion Jones damals - 2007 - unter dem Druck staatsanwaltlicher Ermittlungen zu: Sie habe gedopt - unwissentlich wohl gemerkt. Und, ja, gelogen habe sie auch.

    Es ist das gleiche Gesicht, in das Menschen heute schauen -zwei Jahre nach dem Verbüßen einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe. Das gleiche strahlende Lächeln, mit dem die zweitschnellste Frau aller Zeiten heute antritt, um einen Neuanfang zu signalisieren. Und das gleiche Mienenspiel, mit dem sie, ohne innezuhalten, bohrenden Fragen ausweicht.

    Denn statt reinen Tisch zu machen, strickt Marion Jones weiterhin lieber an einer Legende: Danach hat sie in ihrem Leben nur zwei gravierende Fehler gemacht. Sie hat Männern wie ihrem Trainer Trevor Graham vertraut. Und sie hat bei einer Vernehmung gegenüber den Ermittlern, die 2003 mit sehr viel Energie das ganze Ausmaß des Doping-Falls BALCO aufzuklären versuchten, schlichtweg eine falsche Antwort auf eine wichtige Frage gegeben.

    Das zumindest ist der Eindruck, den man aus dem neuen Buch "On the Right Track” - auf Deutsch "Auf dem richtigen Weg” - gewinnt und aus den Interviews, die sie in den letzten Tagen amerikanischen Journalisten gegeben hat. In dem als angebliche Beichte angepriesenen Buch klagt die Delinquentin auf 224 Seiten vorwiegend über die Hafterfahrung und weckt Mitleid für ihr hartes Los. Jeder Tag sei ein Kampf ums Überleben gewesen. Besonders in jener Zeit als sie nach einer Schlägerei mit einer Mitgefangenen 48 Tage in Einzelhaft verbringen musste. Ohne solche Annehmlichkeiten des Haftalltags wie Email und Besuche von Angehörigen fand sie eine neue Beschäftigung: Gebete und das Lesen der Bibel. Das Resultat: ein missionarischer Eifer. Kein Wort kommt in ihrem Buch so oft vor wie Gott. "Gott hat einen Plan für mich”, sagt sie. Ein Sparplan, möchte man hinzufügen. Denn nicht nur sieht er keine Enthüllungen vor, sondern zu ihm gehört, dass die Mutter dreier Kinder im Alter von 35 Jahren für kleines Geld noch einmal die Sportschuhe schnürt. In der abgelaufenen Saison der Frauen-Profiliga WNBA trat sie für die Mannschaft der Tulsa Shock an. Das Debüt war nicht gerade vielversprechend. Aber auf diesem Weg will sie trotzdem weitergehen. So weit die Lügenbeine tragen.