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Vor Monsanto-Übernahme
Bayer fordert Kritiker zum Dialog auf

Die Kritik an der Fusion ist groß: Teuer sei sie, riskant, und von Monsantos zweifelhaftem Ruf ist die Rede. Dennoch wird der Leverkusener Bayer-Konzern den US-Saatguthersteller Ende der Woche vollständig übernehmen. Und will mit Kritikern über das umstrittene Geschäft reden.

Von Mischa Ehrhardt | 04.06.2018
    Demostranten mit gelben Fahnen stehen um und auf einem gelben Wellenbrecher
    Protest gegen die Fusion von Bayer und Monsanto vor der Bayer-Hauptversammlung am 25. Mai (dpa)
    Noch in dieser Woche soll es so weit sein – am Donnerstag soll Monsanto bereits vollständig zum Bayer-Konzern gehören. In der Folge wird mindestens ein umstrittener Name verschwinden – nämlich der von Monsanto selbst. Bei vielen Menschen weckt der Name Monsanto schlechte Assoziationen, weil der Konzern mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Verbindung steht; und weil er für die Produktion und den Verkauf des ebenso umstrittenen Herbizids Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat steht, das in den Verdacht geraten ist, krebserregend zu wirken.
    Offenbar ist sich Konzernchef Werner Baumann bewusst, dass viele Menschen hierzulande die Übernahme mit kritischen Augen sehen:
    "Unser Erfolg wird von unserer Fähigkeit abhängen, Vertrauen aufzubauen. Deshalb wollen wir den Dialog mit der Gesellschaft vertiefen. Wir werden unseren Kritikern zuhören und mit ihnen zusammenarbeiten, wo wir eine gemeinsame Basis finden", sagte Bayer-Chef Werner Baumann heute in einer Telefonkonferenz.
    Es dürfe nicht passieren, dass der Fortschritt angesichts verhärteter ideologischer Fronten zum Erliegen komme. Dafür sei Landwirtschaft zu wichtig. "Wir müssen miteinander reden. Wir müssen einander zuhören. Denn nur so können wir Brücken bauen", so Baumann.
    Größte Auslandsübernahme einer deutschen Firma
    Es ist eine historische Fusion, die Bayer nun vollzieht: Mit einem Volumen von rund 63 Milliarden Dollar wird es die größte Auslandsübernahme eines deutschen Unternehmens in der Wirtschaftsgeschichte. Um den Kauf zu finanzieren, wird Bayer neue Aktien heraus geben – also eine Kapitalerhöhung durchführen. Sechs Milliarden Euro an frischem Kapital wollen die Leverkusener auf diesem Weg einsammeln.
    Um die Übernahme möglich zu machen, musste Bayer im Vorfeld andere Unternehmensbereiche an den Konkurrenten BASF verkaufen – und zwar Geschäftsteile im Gesamtwert von fast acht Milliarden Euro. Deswegen allerdings muss der Konzern bei den ursprünglich erwarteten Einsparungen durch die Fusion Abstriche machen: Ab 2022 liegen die Ersparnisse nicht mehr bei den ursprünglich kalkulierten 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, sondern nur noch bei 1,2 Milliarden Euro.
    "Das ist eine Wette"
    Insgesamt ein teurer Einkauf – möglicherweise zu teuer, meinen Beobachter wie der Aktienhändler Oliver Roth aus dem Wertpapierhandelshaus Oddo Seydler:
    "Also, das ist eine Wette, darauf, dass man zukünftig Saatgut und Pestizide mehr braucht als in der Vergangenheit; und wenn diese Wette nicht aufgeht, inklusive der Integration, dann hat Bayer ein Riesenproblem und Daimler kann davon ein Lied singen."
    Denn die Hochzeit zwischen Daimler und dem US-Amerikanischen Autobauer Chrysler ist seiner Zeit gründlich schief gegangen.
    "Wer Pestizide herstellt sollte kein Saatgut herstellen"
    Kritik an der Übernahme kommt aber auch von anderer Seite – von Umweltschützern etwa. Denn die Märkte für Saatgut und Pflanzenschutz dominieren ohnehin schon nur wenige Riesenkonzerne – Bayer wird durch die Übernahme zum Weltmarktführer aufsteigen. Der Sprecher der Deutschen Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, findet es problematisch, dass die Produktion von Saatgut und der entsprechenden Pestizide zusammen koordiniert würden und in einer Hand lägen:
    "Also, es sollte da ganz klar eine Trennung geben. Also wer Pestizide herstellt, sollte kein Saatgut herstellen und umgekehrt. Aber schon allein die Marktkonzentration in diesen beiden Märkten hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun, und ich finde es sehr bedauerlich, dass das nicht stärker bei der Prüfung berücksichtigt wurde."
    Mit der Prüfung ist jene der Europäischen Kartellbehörden gemeint, die den Deal unter Auflagen durchgewinkt hatten. Für Bayer jedenfalls steht die eigentliche Arbeit noch bevor: Das Verschmelzen zweier Giganten und der Beweis, dass die Fusion in sozialer und ökologischer Hinsicht nachhaltig sein wird.