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Vor ungewisser Zukunft

Die Beschäftigten des Autobauers Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall wollen heute an allen europäischen Standorten für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstrieren. Was die rund 26.000 deutschen Opel-Beschäftigten mit den Kollegen im britischen Vauxhall-Werk bei Liverpool verbindet: Ihre Zukunft ist ungewiss.

Von Martin Zagatta |
    "Nur Spekulationen". Über ein Wechselbad der Gefühle klagt Mally Arrosmith, der wissen will, wie es weitergeht. Der Familienvater, der seit 15 Jahren in dem Vauxhall-Werk in Ellesmere Port arbeitet, fürchtet um seinen Job. 2000 Arbeitsplätze stehen bei der Opel-Schwestergesellschaft hier bei Liverpool auf dem Spiel. Ingesamt beschäftigt Vauxhall, das britische Tochterunternehmen von General Motors, an drei Standorten noch rund 5000 Mitarbeiter. Und die fordern nun Hilfen, wie sie auch Deutschland leiste.

    Die deutsche Regierung habe ihre Autofirmen unterstützt, während Großbritannien seinen Banken geholfen habe. Premierminister Gordon Brown müsse sein Versprechen endlich halten, der Autoindustrie unter die Arme zu greifen, verlangt John Fetherstone von der Gewerkschaft Unite. In dem Vauxhall-Werk in Ellesmere Port ist schon 2006 ein Drittel der Belegschaft entlassen worden. Heute gilt es als eines der modernsten. Ab Herbst - so die bisherige Planung - soll hier der neue "Astra" gebaut werden. Doch der Absatz von Neuwagen ist auf der Insel um rund 60 Prozent eingebrochen gegenüber dem Vorjahr, so stark, dass Vauxhall die Weihnachtspause verlängert und die Arbeitszeit verkürzt hat, auf 30 Wochenstunden mit entsprechenden Lohneinbußen. Die Lage sei dramatisch, auch weil die britische Regierung - so schimpfen Gewerkschaftsvertreter - es bisher nur bei Absichtserklärungen belassen habe.

    Die Regierung sehe es als ihre Aufgabe, der Autoindustrie so gut wie möglich zu helfen, so versucht sich Wirtschaftsminister Peter Mandelson zu verteidigen. Von den 2,3 Milliarden Pfund an Bürgschaften, die London in Aussicht gestellt hat, gut zweieinhalb Milliarden Euro, soll allerdings rund die Hälfte von der Europäischen Investitionsbank kommen. Die Senkung der Mehrwertsteuer von 17,5 auf 15 Prozent in Großbritannien hat den Autoabsatz nicht merklich angekurbelt, und über eine Abwrackprämie wie in Deutschland wird noch gestritten.

    Nissan hat bereits 1200 Beschäftigte entlassen, BMW in seinem Mini-Werk in Oxford die Verträge von 850 Zeitarbeitern auslaufen lassen.

    Von exotischen Sportwagen und den Londoner Taxis abgesehen, befindet sich die Autoindustrie auf der Insel ohnehin in fremden Händen. Die ausländischen Hersteller wurden auch von großzügigen Arbeitsgesetzregelungen angelockt, die den Vauxhall-Beschäftigten jetzt allerdings zum Verhängnis werden könnten, befürchtet Tony Woodley, der Chef der Gewerkschaft Unite: Für General Motors sei es wesentlich leichter, Werke in Großbritannien zu schließen als etwa in Deutschland.

    "Britische Arbeiter sind klar benachteiligt. Nicht nur dass die Mittel fehlen, um ihre Fabriken und Jobs zu sichern, wir haben auch die schwächsten Arbeitsgesetze, Regelungen, die uns nicht schützen. Das ist nicht hinnehmbar, wo wir doch gleich behandelt werden sollten, in diesem so genannten gemeinsamen Markt."

    Einen eigenständigen europäischen Unternehmensverband mit Opel, losgelöst von General Motors, so wie er dem Opel-Betriebsrat in Rüsselsheim vorschwebt, könnte sich die Vauxhall-Belegschaft gut vorstellen. Die meisten wollen sich an den Demonstrationen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze heute beteiligen. Viele blicken aber auch misstrauisch über die Grenzen, angesichts von Gerüchten, die in Ellesmere Port gebauten Astra-Modelle könnten bald schon in Deutschland produziert werden.