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Vorbereitung auf das europäische Kulturhauptstadtjahr 2012

Im kommenden Jahr wird Maribor mit fünf anderen Städten Sloweniens europäische Kulturhauptstadt 2012. Ihr gemeinsames Konzept will urbane und ländliche Strukturen vernetzen und eine neue Bürgerbewegung formen, die den sozialen und ökologischen Wandel langfristig vorantreiben soll.

Von Jutta Schwengsbier | 01.11.2011
    Wer durch Slowenien fährt, kann sie nicht übersehen – verfallende Gehöfte vor idyllischer Berglandschaft. Doch das Idyll trügt. Im Zwei-Millionen-Land Slowenien geben immer mehr Bauern ihren Betrieb auf. Matej Zonta ist einer der Vordenker in einem außergewöhnlichen Regionalplanungsprogramm rund um die zukünftige Europäische Kulturhauptstadt Maribor.

    "Nach den offiziellen Statistiken für das Jahr 2010 verliert Slowenien jeden Tag drei Bauernhöfe. Wir verlieren sieben Hektar bewässertes Land jeden Tag. Wenn es so weitergeht, ist die ländliche Kultur, die agrarische Lebensweise bald völlig zerstört. Dann werden wir bald auch große soziale Probleme kriegen."

    Zurzeit bezieht Slowenien 85 Prozent seiner Lebensmittel aus dem Ausland. Mit der drohenden weltweiten Nahrungsmittelkrise sei das kleine Land ohne einen grundlegenden Strukturwandel bald nicht mehr überlebensfähig, fürchtet Matej Zonta.

    "Unsere Agrarwissenschaftler helfen dabei, Bauernhöfe auf ökologischen Landbau umzustellen. Derzeit arbeiten wir mit 20 Bauern und mit Frauen, die Brot backen. Weil wir zum Beispiel Kindergärten lokales Brot anbieten wollen."

    Schulen, Kindergärten und andere öffentliche Einrichtungen sollen in Maribor künftig wieder mit regionalen Lebensmitteln kochen. Neben der Förderung von regionalen Bauern werden dazu auch Gemüse oder Fruchtbäume in neuen Schul- und Stadtgärten gemeinsam mit den Anwohnern angebaut. Das Projekt mit der Bezeichnung "Urban Furrows", "Städtische Furchen", will nicht mehr und nicht weniger als eine neue kulturelle Identität Sloweniens kreieren, will urbane und ländliche Strukturen vernetzen, will Moderne und Tradition zusammenführen.

    Mit 16 Prozent Arbeitslosigkeit ist Maribor Schlusslicht in Slowenien. Auch wenn im Moment überall in der Innenstadt Gebäude und Plätze renoviert werden: Bröckelnde Fassaden, verwaiste Straßenzüge, leer stehende Geschäfte und Industriegebäude zeugen von einem schleichenden Verfall und sind Thema jeder Stadtführung."

    "Nach 1991 war Slowenien unabhängig. Damals wurden viele Leute von einer Nacht bis auf die andere arbeitslos. Maribor war in der Zeit Jugoslawiens ein Zentrum der Schwerindustrie. Wir beschäftigten hier bis zu sechzigtausend Menschen in großen Unternehmen. Viele dieser Unternehmen waren ja an den jugoslawischen Markt orientiert, und leider konkurrenzfähig waren sie mit Europa nicht. Und heute haben wir nicht mehr so große Unternehmen wie DAM, das in seiner Blütezeit mehr als 15.000 Menschen beschäftigt hat, sondern kleinere Unternehmen bis maximal 1500 Angestellte."

    Maribor hat mehrfach große Umbrüche erlebt. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und dann erneut nach dem Zerfall Jugoslawiens. Die Spuren der Vergangenheit prägen das Bild der Stadt nachhaltig. Christliche Klöster und großbürgerliche Herrenhäuser aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie stehen gleich neben sozialistischen Plattenbauten. So wild gemischt wie die Architekturstile, sind heute auch die Bevölkerungsgruppen in Maribor. Neue Netzwerke zu schaffen, ist deshalb ein wesentliches Ziel der Regionalplaner der "Städtischen Furchen", erläutert Vanja Bucan.

    "In einer europäischen Kulturhauptstadt arbeiten viele an Veranstaltungen der Hochkultur oder an kleinen kulturellen Events, die an Konsumenten ausgerichtet sind. Die Besucher kommen, kaufen Tickets, sehen die Show an, das war's dann. Was wir machen, ist etwas ganz anderes. Wir wollen das Fundament legen, für die künftige soziale, ökologische und kulturelle Entwicklung. Wir wollen soziale Gemeinschaften in Maribor und den umliegenden Dörfern aufbauen."

    Das Koordinationsteam der Kulturhauptstadt 2012 will mit seinen Projekten nichts weniger als eine neue Bürgerbewegung formen, die den sozialen und ökologischen Wandel in Slowenien langfristig vorantreiben soll.