" Die Schafe können unterschiedliche Wege gehen. Der kürzeste Weg ist, dass das Schaf in einem Betrieb geboren wird, von dem Geburtsbetrieb direkt in den Schlachthof geht. Die andere Version sind Zuchtschafe, die irgendwo geboren werden, in einen weiteren Betrieb gebracht werden, dort vielleicht aufgezogen werden, in weiteren Betrieb gebracht werden, wo sie dann ihre Ablammung machen und ihre Zuchtkarriere, und die dann zum Schluss zum Schlachten gehen. So dass zwei, drei, vier Stationen durchaus möglich sind, die ein Schaf in seinem Leben in unterschiedlichen Betrieben verbringt."
Deshalb ist die Kennzeichnung der Schafe so wichtig. Die Nichtkennzeichnung war denn auch das größte Defizit, das die EU-Kontrolleure in England feststellten. So wurden infizierte Tiere gehandelt. Dazu noch auf dem größten Schafmarkt in England, den täglich 100.000 Schafe durchlaufen. Mit der neuen europaweiten Kennzeichnungsverordnung für Schafe und Ziegen, die ab morgen gilt, soll jedes einzelne Tier genau zurückverfolgt werden können. Zwei Ohrmarken, statt bisher einer, sollen die Identifizierung erleichtern. Außerdem soll alles in einer elektronischen Datenbank gespeichert werden. Im Zentrum steht die Rückverfolgbarkeit beim Export. Denn auch in Deutschland wissen Schafhalter, die ihre Bücher genauestens führen, wie Christian Hinrichs aus Eiderstedt, nicht immer über den Verbleib ihrer Tiere Bescheid.
" Dann verkaufen wir sie an einen örtlichen Händler. Und der beliefert dann Schlachtereien. Das ist dann nicht mehr unser Ding. Wir kriegen zwar immer Bescheid, aber wir handeln mit einem Zwischenhändler."
Dass die Handelswege bei Schafen und Ziegen genauer verfolgt werden können, hat noch einen anderen Sinn. Schafe und Ziegen können an Scrapie erkranken. Scrapie ist mit BSE verwandt. Scrapie-kranke Tiere sollen mit der neuen Kennzeichnungsverordnung schneller identifiziert werden. Dafür gibt es bereits seit geraumer Zeit ein Landesprogramm in Schleswig-Holstein, für das Dieter Schulze als Veterinär mitverantwortlich ist.
" Es werden Tiere untersucht, die sind gekennzeichnet. Die nicht freien Tiere werden herausgenommen, so dass nur noch mit Zuchttieren gearbeitet wird, die die Grundanforderungen erfüllen."
Dadurch kann Scrapie erfolgreich ausgemerzt werden. Ein Problem ist jedoch die Umsetzung der neuen EU-Kennzeichnung: Schafe und Ziegen werden extensiv gehalten. In England beweiden sie das schottische Hochland, in Griechenland den Peloponnes. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein weiden Schafe auf den Deichen. Und sie sind - so Dieter Schulze - überall dort außerhalb der direkten Reichweite ihrer Halter.
" Bei Schafen ist eine Besonderheit bezüglich der Ohrmarken da. Wir haben vor Jahren schon Tests gemacht, dass es sehr wenige Ohrmarken gibt, die bei Schafen dauerhaft in den Ohren bleiben. Der Verlust bei Schafohrmarken ist relativ hoch. Und das ist ein Punkt, der die neue Verordnung relativ schwierig durchführbar macht. Diese Ohrmarken, sofern sie dann ausfallen, müssen nachgesetzt werden. Bei Einzelohrmarken müssen sie einzeln nachbestellt werden. Es muss erkannt werden, die Ohrmarke ist raus. Dann muss das Tier gegriffen werden, auf kilometerlangen Deichen. Und die Ohrmarke muss eingesetzt werden."
Dessen sind sich die EU-Kommissare durchaus bewusst. Ohrmarken sind unsicher. Tätowierungen in dunklen Schafohren unlesbar. Deshalb sollen diese Kennzeichnungen für Ziegen und Schafe dann 2008 durch einen Mikrochip abgelöst werden. Allerdings reicht der allein aus Sicht von Dieter Schulze nicht aus, um unter extensiven Haltungsbedingungen eine sichere Kennzeichnung zu garantieren.
" Wäre eine phantastische Lösung, wenn wir eine Technik hätten, die auf Distanz den Mikrochip erkennen könnte, so dass man sagt: Auf drei, vier Meter kann ich ein Schaf anpeilen. Das ist das Schaf mit der Marke X, Y. Eine solche Technik ist zur Zeit nicht marktfähig und nicht praxisfähig. Und solange wir solch eine Technik nicht haben, ist es auch kein Mittel der Wahl, um solch eine Individualkennzeichnung sinnvoll einzusetzen."