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Vorbild Frankreich
Neue Verbrauchergemeischaft garantiert Bauern faire Preise

Der Preis für Milch oder andere landwirtschaftliche Produkte ist in Deutschland oftmals so niedrig, dass Landwirte kaum davon leben können. Eine Verbrauchergemeinschaft in Eltville will das ändern. Unterstützt wird sie aus Frankreich, wo ein ähnliches Modell bereits von Millionen Verbrauchern unterstützt wird.

Von Ludger Fittkau | 05.02.2020
Milch im Kühlregal eines Supermarkts
Etwa 40 Cent aus dem Verkaufserlös pro Liter Milch müssten beim Bauern ankommen (dpa / Rolf Vennenbernd)
Eltville, eine Stadt im Rheingau bei Wiesbaden. Nur wenige hundert Meter vom Rheinufer entfernt lebt Nicolas Barthelmé. Der Franzose ist Vorsitzender einer neuen Verbrauchergemeinschaft mit dem Namen "Du bist hier der Chef". Die Idee: Über einen Online-Fragebogen entscheiden sich möglichst viele Verbraucherinnen und Verbraucher zunächst für eine Milch oder später auch für andere Produkte, die den Bauern einen deutlich besseren Preis garantieren als der, den sie über den üblichen Verkauf erzielen würden.
Erfolgsgeschichte aus Frankreich
Dann wird zunächst die Milch mit einer eigenen Verpackung in Supermarktregale gestellt und den Kunden wiederum zu einem Preis angeboten, den auch die Bauern als fair empfinden. Und wer sich zuvor in den Fragebögen des Vereins freiwillig erklärt hat, sollte dann auch später im Supermarkt genau diese Milch einkaufen. Man muss nicht Vereinsmitglied werden, kann es aber – zu einem symbolischen Mitgliedsbeitrag von einem Euro Aufnahmegebühr. Für das Sortiment sind die Lebensmittelläden zuständig, die mit dem Verein kooperieren. Sie steuern auch Angebot und Nachfrage selbst. Damit sollen Ladenhüter vermieden werden.
Aktuell sind es etwa 40 Cent, die aus dem Verkaufserlös pro Liter Milch aus konventioneller Weidehaltung auf den Hof zurückfließen müssten - so sehen es die Milchviehhalter. Nicolas Barthelmé hat die Idee für diese Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft aus Frankreich mitgebracht:
"In Frankreich ist es eine einmalige Geschichte. Vor dreieinhalb Jahren gestartet, mit der Milch. Mittlerweile sind es 36 Produkte, von Verbrauchern gestaltet, kreiert. Es sind 3000 Landwirte, die exklusiv für die Initiative produzieren, entsprechend auch fair und gerecht entlohnt werden. Mittlerweile kaufen, glaube ich, mehr 15 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in Frankreich regelmäßig die Produkte."
Verbraucher entscheiden über die Produkte
Im Frühjahr nun soll nun Milch als erstes Produkt der Verbrauchergemeinschaft "Du bist hier der Chef" in Supermarktregalen des Rheingaus angeboten werden. Aktuell wird per Fragebogen noch ermittelt, ob es Bio-Milch oder konventionell erzeugte Milch aus artgerechter Tierhaltung sein soll. Davon hängt letztlich der Anteil am Endpreis ab, der dem Milchviehhalter zufließt und der auf die Verpackung gedruckt wird:
"In Frankreich haben sich die Leute für eine konventionelle Weidemilch entschieden. Die günstigsten Produkte in Frankreich liegen aktuell bei 90 Cent. Davon bekommen die Landwirte um die 40 Cent pro Packung, schon seit drei Jahren. Vor drei Jahren war Milchkrise, und dann waren die Preise deutlich unter 30 Cent. Bei unseren Fragebogen in Deutschland können die Leute zwischen 73 Cent wählen, das ist aktuell das günstigste Produkt, was eigentlich nicht sehr fair ist. Man kann aber bis 1,46 Euro hochgehen, je nachdem, wofür man sich letztendlich als Kriterium dann entscheidet."
Der Anfang ist gemacht
Die ersten deutschen Supermarktketten haben zugesagt, die Produkte wie in Frankreich auch in die hiesigen Regale zu stellen. Eine Molkerei ist auch schon gefunden, die mitmacht. Jetzt müssen sich noch möglichst viele potentielle Verbraucherinnen und Verbraucher über die Homepage des Vereins melden, damit das Projekt im Frühjahr starten kann. Bei der Gestaltung der Verpackungen bekommt die deutsche Initiative Schützenhilfe aus Frankreich. Stephanie Anthony, Gründungsmitglied der Verbrauchergemeinschaft in Eltville:
"Wir leben in einem der reichsten Länder der EU, und wir haben hier Menschen, die arbeiten, aber sich von dieser Arbeit überhaupt nicht ernähren können. Das sind vor allen Dingen Landwirte, die hier teilweise noch einen Zweit- oder Drittjob annehmen müssen, um überhaupt ihre Familie durchzubringen. Und das, finde ich, kann einfach nicht sein. Und da muss man sich mal selbst an der Nase packen und sagen: Okay, wir leben hier in Deutschland, uns geht es gut. Ist es nicht auch möglich, für eine Milch einen fairen Preis zu bezahlen oder für jedes andere bäuerlich produzierte Produkt auch? Denn das ist letztendlich unsere Lebensgrundlage."
Ab Frühjahr sollen nun blaue Milchpackungen mit weißer Aufschrift in den ersten Supermarktregalen stehen. Groß zu lesen soll dann sein: "Diese Milch wurde von uns Verbrauchern gewählt." Als nächste Produkte werden dann wohl Kartoffeln und Eier folgen. Das zeichnet sich bei der Online-Umfrage unter den Verbrauchern ab.