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Vorbild für Europa

1963 wurde das Deutsch-Französische Jugendwerk als Kern des Freundschaftsvertrages zwischen Deutschen und Franzosen gegründet. Die Aussöhnung zwischen den einstigen Erbfeinden gilt heute als Vorbild für andere - wenngleich der Gründungsgedanke langsam verblasst.

Von Ursula Welter |
    1963 ging es ähnlich bewegt zu, als das Deutsch-Französische Jugendwerk als Kern des Freundschaftsvertrages zwischen Deutschen und Franzosen aus der Taufe geholt wurde. In knapp anderthalb Jahren wird es 50. Und inzwischen ist die alte Institution eine Einrichtung von großer Aktualität geworden, gilt die Aussöhnung zwischen den einstigen Erbfeinden als Vorbild für andere.

    Mit glänzenden Augen stünden Jugendliche und junge Erwachsene aus anderen Staaten da, wenn sie in trilateralen Austauschprogrammen des Jugendwerks merkten, wie eng Deutsche und Franzosen zusammenarbeiten könnten. "Wie habt Ihr das geschafft?" fragten dann junge Leute vom Balkan oder aus der Mittelmeerregion, die den Weg der Aussöhnung und der Demokratisierung noch vor sich haben, schildert die deutsche Generalsekretärin des Jugendwerks, Eva Sabine Kuntz. Vor allem die Programme mit den Staaten Nordafrikas, die lange vor Beginn des arabischen Frühlings in Gang gesetzt wurden, haben sich als wegweisend erwiesen.

    "Im Mittelmeerraum sind das Tunesien, es ist Marokko, es ist Algerien, wir haben ein paar Programme mit Ägypten durchgeführt und hoffen darauf, dass wir nicht zuletzt mit Unterstützung der beiden Außenministerien die Programme in Zukunft werden verstärken können."

    Die Anmeldezahlen in den Programmen sind ständig gestiegen, die Nachfrage ist hoch, und doch sind Wünsche offen. Insgesamt 20 Millionen Euro zahlen beide Regierungen jährlich, um den Kern des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages zu pflegen, allerdings hat sich diese Summe seit den 60er-Jahren nicht erhöht. Inflationsbereinigt muss das Jugendwerk heute also mit weniger Geld auskommen als noch zu Beginn.

    Überhaupt, so sagt die Leitung des Jugendwerks ein wenig provozierend, stelle sich Manchem die Frage, warum noch deutsch-französischer Jugendaustausch, in Zeiten von Finanzkrise und leeren Kassen ? Die Antwort sei einfach: Franzosen und Deutsche seien verschieden, und gerade weil das so sei, habe das Jugendwerk eine besondere Verantwortung. Eine Verantwortung in diesem Europa. Denn Kompromisse in der EU seien häufig genug für die übrigen Staaten dann leichter zu verdauen, wenn Deutschland und Frankreich sich zuvor einigen konnten, sagt Eva Sabine Kuntz. Ein Kompromiss zweier so unterschiedlicher Staaten habe großes Gewicht.

    Damit diese Kompromissfähigkeit erhalten bleibe, brauche es nach wie vor viele junge Leute, die bereit seien, voneinander zu lernen, sich interkulturell auszutauschen. Das laufe allerdings heute gänzlich anders, die Zeiten hätten sich geändert, man überzeuge heute einen 18-jährigen nicht mehr mit dem Argument der Aussöhnung; die jungen Leute seien pragmatischer geworden, sie fragten eher nach dem praktischen Nutzen.

    "Junge Leute fragen danach, 'Was habe ich davon, wenn ich mich im deutsch-französischen Austausch engagier?' - also, es ist sehr viel pragmatischer geworden. Es ist immer noch sehr emotional, aber doch pragmatischer."

    Die Teilnehmerzahlen an Programmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Mehr als 200.000 Jugendliche, Auszubildende, Schüler, junge Berufstätige nehmen jährlich am Austausch teil. Die Sprache des jeweils anderen zu lernen, ist dabei ein erwünschter Nebeneffekt, nicht aber das Hauptziel. Und doch interessiert auch das Jugendwerk, wie es um das gegenseitige Interesse an der Sprache steht:

    "Auf deutscher Seite sehen wir, dass das Französischlernen, wenn man es positiv sagen will, stabil bleibt, wenn man es weniger positiv sagen will, es stagniert - und in Frankreich gehen die Zahlen langsam ein bisschen nach oben; dabei hat uns sicherlich geholfen, das neue deutsche Kino die in Deutschland auf Interesse stießen und einen kommerziellen Erfolg hatten."

    Und Berlin. Berlin sei für junge Franzosen ein Magnet, der das Interesse an Deutschland mindestens so gesteigert habe, wie die gute Stimmung bei der Fußballweltmeisterschaft vor wenigen Jahren.