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Vorbild für Griechenland
Irlands Weg aus der Krise

2011 stand Irland vor dem Kollaps. Umfassende Reformen, Umstrukturiereung und Sparmaßnahmen waren die Folge. Heute stehen die Iren mit fünf Prozent Wachstum besser da als die meisten Euro-Länder und könnten den Griechen als Vorbild dienen. Doch auch nach der Krise ist in Irland nicht alles Gold, was glänzt.

Von Michael Braun |
    Irlands Premierminister Enda Kenny.
    Irlands Premierminister Enda Kenny. (picture-alliance / dpa / Stephanie Lecocq)
    Die Unterschiede fallen mehr ins Auge als die Gemeinsamkeiten. Der wichtigste: Irland hat Exporte, Griechenland kaum. Die Iren schaffen so viel Medizintechnik, pharmazeutische Produkte, Nahrungsmittel und Elektronik aus dem Land, dass ein satter Exportüberschuss übrig bleibt.
    Exportüberschuss
    Um rund 35 Milliarden Euro übertrafen voriges Jahr die irischen Ausfuhren die Einfuhren. Es kam also Geld ins Land. In Griechenland floss es ab. Dort sind die Einfuhren beinahe doppelt so hoch wie die Ausfuhren. Unter dem Strich blieb in Griechenland ein Außenhandelsdefizit von gut 20 Milliarden Euro. Diese unterschiedliche Ausrichtung der Volkswirtschaften ziehe Kreise, meint Nicolaus Heinen, Europa-Analyst der Deutschen Bank:
    "Die Strukturen der irischen Volkswirtschaft haben in den letzten Jahrzehnten ein exportorientiertes Wachstumsmodell entstehen lassen. Und das sorgt natürlich dafür, dass Unternehmen viel stärker willens sind, einen Reformkurs zu unterstützen. Die Iren haben sich immer als Schicksalsgemeinschaft verstanden und nicht als Opfer, wie es die Griechen in erster Linie tun. Und mit Opfermentalität kommt man beim Reformkurs natürlich nicht weit."
    Hinzu kommt, dass beide Länder zwar im Zuge der Finanzkrise an den Rand der Staatspleite getrieben wurden, aber aus unterschiedlichen Ursachen. In Irland schienen sie reparabel, in Griechenland bislang nicht:
    "Die Ursache der Krise in Griechenland ist ja in erster Linie eine Staatsschuldenkrise. In Irland war es eine Finanzkrise, die auch in erster Linie dadurch entstanden ist, dass Banken durch die besonders laxe Finanz- und Bankenregulierung vor Ort ihre schlechten Risiken nach Irland verlagert haben.
    Ähnliches ist für die Zukunft nicht mehr zu befürchten, weil die Eurokrise uns ja in den letzten Jahren ja die europäische Bankenunion gebracht hat. Europa hat jetzt eine gemeinsame Bankenaufsicht, die sehr wach ist."
    Die Folgen: Das Finanzsystem in Irland blüht nach herben Einbrüchen vor sechs Jahren nun wieder auf. Griechenland habe dagegen in seiner gegenwärtigen Verfassung kaum eine Chance, Banken und Versicherungen anzuziehen, meint der Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater:
    "Für den Finanzsektor ist die Umgebung natürlich sehr schwierig. Wir haben zu hohe Verschuldung, insbesondere im dahinterstehenden Staatssektor. Und das ist für keinen Finanzsektor eine Empfehlung."
    Schattenseiten des Aufschwungs
    Freilich ist auch in Irland nicht alles Gold, was glänzt. Amazon, Google, Facebook, Microsoft und Ebay haben hier ihre Europazentralen. Hier landen ihre Erlöse, Gewinne und Lizenzen aus anderen Ländern – wegen der niedrigen irischen Unternehmenssteuern von 12,5 Prozent. Ob der Standortwettbewerb oder – ähnlich wie bei der einst laxen Bankenregulierung – der erste Schritt in die nächste Krise ist, wenn der Euro auch eine einheitlichere Steuerpolitik erzwingt, Irland also nicht mehr als Niedrigsteuerland glänzen kann, das bleibt offen.
    Und auch an der Basis rumort es. Verbraucher wollen abgeschaffte Vergünstigungen zurückhaben, den gebührenfreien Wasserverbrauch etwa. Es gehe schon das Wort von einer „Wasserrevolte" um, heißt es in Länderanalysen. Und linkspopulistische Parteien bekämen mehr und mehr Zulauf.