Archiv


Vorbild Fußballspieler

Durak: Einmal so spielen wie Zinédine Zidane, David Beckham oder wenigstens Michael Ballack oder doch auch schon Lukas Podolski. Viele junge Fußballer träumen davon und arbeiten daran, so zu werden wie ihre Vorbilder. Und wem dieser Begriff zu altmodisch ist, der spricht von Idolen, wenn das dann das gleiche ist. Aber vielleicht erinnern Sie sich auch an manche elterliche Ermahnung: Nimm dir gefälligst ein Beispiel an dem und dem. Dieses Vorbild hatte meistens schon verloren. Und wie ist es mit den Älteren unter uns, brauchen wir noch Vorbilder? Mein Gesprächspartner jetzt dürfte sich damit auskennen, als Vater dreier Töchter, Großvater mehrerer Enkel, Fußballanhänger und Politiker, Landesvater der deutschen Fußballmeistermannschaft und des Pokalsiegers Werder Bremen, multifunktional sozusagen Bremens Bürgermeister Henning Scherf. Guten Morgen.

Moderation: Elke Durak |
    Scherf: Morgen. Ich habe nur zwei Töchter und einen Sohn, aber alles andere war richtig.

    Durak: Oh Schreck, ansonsten hoffen wir, stimmt alles.

    Scherf: Ja, ja.

    Durak: Also, welche Vorbilder hatten denn ihre Töchter und hatte ihr Sohn? Wissen Sie das noch?

    Scherf: Ich glaube, die haben nicht nur ein Vorbild, sondern das hat immer gewechselt. Also meine älteste Tochter ist Ärztin. Sie ist lange in Afrika gewesen, ist jetzt in London und dreimal dürfen Sie raten, was für ein Vorbild sie hat: Albert Schweitzer. Der hat sie sehr geprägt, und ich habe sie auch so erlebt, als sie dann im Busch als Ärztin gearbeitet hat, da habe ich gedacht, sie ist wie Albert Schweitzer. Sie ist so nahe zu den afrikanischen Frauen, sie fährt da mit dem Fahrrad durch den Busch und ist völlig auf der Ebene, auf der diese sehr armen Frauen leben in ihren Hütten. Also, das habe ich sehr gut verstanden.

    Durak: Herr Scherf, bleiben wir mal bei dieser Tochter, die dürfte ja jetzt schon aber erwachsenen Alters sein?

    Scherf: 43.

    Durak: Albert Schweitzer ist das Stichwort, Mutter Theresa auch noch, das waren wohl vor vielen Jahren oft Vorbilder. Heute sind es eher Stars aus Sport, Pop und Medien. Wird unsere Gesellschaft oberflächlicher.

    Scherf: Bei meinen Kindern ist da nichts mit Stars aus Pop und Medien. Die haben sich ihre Bilder woanders hergeholt.

    Durak: Die sind aber auch nicht mehr 12 oder 15.

    Scherf: Nein, aber meine kleinen Enkel, also die älteste ist neun und die anderen sind jetzt gerade fünf geworden, die sind nicht durch Medien geprägt, sondern sie sind durch Familie geprägt, die sind durch ihre Eltern besonders geprägt, durch ihre Freunde, durch ihre Nachbarn. Das geht nicht über Medien, sondern das geht über Nähe zu Menschen, die ihnen ja dann auch was zurückgeben, wo sie sagen, da fühle ich mich wohl und da fühle ich mich aufgehoben und so möchte ich sein.

    Durak: Das ist Nähe zum Menschen, Herr Scherf, was ist mit Vorbildern, was macht ein Vorbild aus, wie muss ein Mensch beschaffen sein, dass er ein Vorbild sein kann?

    Scherf: Ja, ich glaube, da müssen viele Sachen zusammen kommen, die kann man nicht abstrakt auswählen, sondern das hängt von dem, der sich ein Vorbild sucht, ab. Also bei mir, bei meinen drei Vorbildern, die kann ich ihnen schön sagen. Der eine ist Mahatma Gandhi, der andere ist Willy Brandt und der dritte ist Nelson Mandela. Und ich kann zu jedem eine ganz lange lebenslange Geschichte erzählen, warum die mir über ganz lange Jahre vertraut, wichtig und Orientierungshilfen gewesen sind. Das hängt mit mir zusammen und das hängt mit meinen Wünschen zusammen, jemanden zu finden, auf den ich meine Hoffnungen projizieren kann. So.

    Durak: Das waren Vorbilder, pardon, aus ihrer Jugend bis ins erwachsene Leben hinein?

    Scherf: Bis heute, bis heute, ich habe die nicht aufgegeben. Also die haben sich durchgehalten. Ich kann heute als 65-Jähriger sagen, ja, das waren sie, Gustav Heinemann kommt da auch noch zu. Das waren sie, ich habe die nicht verloren.

    Durak: Sind Vorbilder ansonsten eher etwas für junge Leute, die ja auf der Suche sind nach Menschen?

    Scherf: Nein, nein, nein, nein. Das geht durch alle Jahrgänge durch. Ich kenne ganz alte Leute, die sich also eigentlich nur noch mit ihrem Tod auseinandersetzen und die das sehr sortiert sagen können, an wem sie sich orientiert haben, und wer für sie ein Vorbild gewesen ist. Und ich denke, das ist eine Form seine eigenen Hoffnungen und Wünsche zu projizieren auf einen Menschen, von dem man denkt, der hat das ein Stück vorgelebt und daran möchte ich mich orientieren.

    Durak: Dies genau ist ja auch der Fall, wenn junge Leute und Jungs eher, junge Männer, Jungs sich an Fußballern orientieren, und wir sprechen ja unmittelbar vor den Europameisterschaften. Ein paar Namen hatte ich schon genannt. Fußballspieler, klasse Weltspieler werden oft zu Vorbildern, sportlich für diese Jungs, für die jungen Männer. Sind die Fußballklassespieler von heute aus der Welt wirklich noch Vorbilder, denen man nachahmt?

    Scherf: Ich kann über alle gar nicht gleichermaßen reden. Ich bin mit einer Reihe von Fußballern bei uns bei Werder Bremen befreundet. Auch ganz lange und ich weiß, das sind die richtigen. Also Marco Bode zum Beispiel, mit dem bin ich ganz herzlich befreundet. Der ist ein wunderbarer Mensch. Der kann mit jungen Leuten gut umgehen, der erreicht sie, der ist kommunikativ, der benimmt sich auch so, wie er sagt, dass er sich benehmen will. Also da stimmt das, was er macht mit dem, was er sich vorgenommen hat. Und das ist eine tolle Sache. Thomas Schaf, den kenne ich seit seiner Schulzeit, der war mit meiner ältesten Tochter in einer Schulklasse. Und Thomas ist auch so einer, der nimmt den Mund nicht zu voll, sondern der verhält sich so, wie er ankündigt, dass er sein möchte, und das stimmt. Und das kann man begleiten, da kann man Teil daran haben und sagen: Guck mal an, halt' es ein bisschen bescheidener, nimm den Mund nicht so voll, bedroh' die andern nicht, mach' hier nicht immer den dicken großen Macker, sondern versuche, der teamorientierte sportliche Freund zu sein. Dann geht es. Wunderbare Vorbilder.

    Durak: Das sind also andere als solche Fußballspieler aus großen Mannschaften, denen man eher nachsagt, sie würden weniger dem runden Leder als dem Geld nachjagen.

    Scherf: Kommt darauf an, kommt darauf an. Ich glaube, da gibt es auch Unterschiede aber da kann ich jetzt nur spekulieren. Dieser große Franzose, der Zidane, das ist ein ganz glänzender Fußballspieler, und der ist, glaube ich, auch ein sehr sympathischer Mann. Ich habe gehört, dass der in Marseille in den Zuwanderervororten, wo sich eigentlich kaum einer von uns hintraut, weil es da so gefährlich ist, da arbeitet der wie ein Sozialarbeiter. Der lebt mit diesen schwierigen Männern, mit diesen schwierigen jungen Männern, die da aus Afrika kommen und keine Arbeit haben und eigentlich voller Wut und Aggression sind. Der ist auch als Person Vorbild, das ist nicht einer, der nur sein Geld auf das Konto bringt und dann irgendwo auf einer Steuerfluchtinsel den Fiskus hintergeht sondern, das ist einer, der lebt, ich finde, vorbildlich auch für die Gruppe, die er schwierig genug, die er erreicht. Also auf den würde ich nichts kommen lassen. Wie das mit den anderen ist, wie das mit dem Beckham ist, ich glaube der Beckham ist eine Kunstfigur, das ist eine Werbefigur, das ist eine Medienfigur mit dem machen andere Millionen Umsätze, das ist eine Projektionsfläche weniger von jungen Männern als von Werbemanagern

    Durak: Und jungen Frauen.

    Scherf: Ja, wahrscheinlich auch. Heute sind junge Frauen eine Riesenzielgruppe, und die Werbemanager haben die natürlich alle im Blick. Wie der persönlich ist, weiß ich gar nicht, ich habe den nie erlebt, ich kann über den kein ernsthaftes Wort sagen. Aber so wie mit dem umgegangen wird, wie der so durch die Medien gejagt wird, jetzt diese Weibergeschichten, die sie ihm alle angedichtet haben, wo er dann immer so Liebeserklärungen zu seiner Ehefrau gemacht hat. Das ist doch alles, alles Masche, das ist doch alles Theater, das ist doch alles...

    Durak: Den empfehlen Sie also nicht. Den empfehlen Sie also nicht. Danke schön zunächst einmal, Herr Scherf. Der Tipp, der Tipp für die EM von ihnen, wer gewinnt?

    Scherf: Ich glaube die Franzosen werden Europameister.

    Durak: Wegen Zidane?

    Scherf: Nicht nur wegen ihm, aber der auch. Der ist, ich glaube, zur Zeit der wirkliche Fußballstar den wir hier auf dem Globus haben und ich finde das auch gut so. Ich finde dessen Art Fußball zu spielen und intelligent und auch schön zu spielen, also der tanzt ja richtig, der bewegt sich wie auf einer Bühne, also es ist einfach eine Freude, dem zuzugucken.