Vorbild Washington

Die Gallaudet Universität in Washington ist die weltweit einzige Universität, die ihren Unterricht speziell auf die Bedürfnisse tauber und schwerhöriger Menschen ausgerichtet hat. Den Studierenden stehen über 50 Fächer aus Geistes- und Naturwissenschaften zur Auswahl, in denen sie Bachelor- oder Master-Abschlüsse machen können: Kunst, Film und Fernsehen, Politologie oder auch Pädagogik. Die Hochschule hat eine über hundertjährige Geschichte, die Studierende interessierten Besuchern aus aller Welt täglich auf Führungen vorstellen - unterstützt von Übersetzern. Alle hörenden Angestellten vom Lehrpersonal bis zur Sekretärin müssen innerhalb von drei Jahren die Gebärdensprache lernen. Zurzeit unterrichten ein Drittel gehörlose Professorinnen und Professoren die rund 2000 Studierenden, davon etwa ein Zehntel ausländische Studenten, auch aus Deutschland. Die Belgierin Kathleen Vercruysse erzählt per Übersetzer: "Mein Hauptgrund nach Gallaudet zu kommen, war der Mangel an Übersetzungsdiensten und an Möglichkeiten, die mein Heimatland bot. Das ist mein zweites Jahr hier, und ich habe schon so viel gelernt: Dass die französische Zeichensprache die erste der Welt war, dass sie nach Amerika gebracht wurde und sich hier in die amerikanische Zeichensprache verwandelte. Und dass diese Sprache in unterschiedlichen Formen wie Theater und anderen Künsten ihren Ausdruck finden kann." Kathleen strebt ihren Abschluss in "Deaf Studies" an, einem Fach, dass die Kulturgeschichte der Hörbehinderten beinhaltet, aber auch Pädagogik. In Gallaudet lernen Grundschul- und Fachlehrer Lehrmethoden und Lernpläne, die in Amerika und über dessen Grenzen hinaus anerkannt sind. Das Hotel auf dem Campus-Gelände ist ein beliebter Veranstaltungsort für internationale Kongresse zu Gehörlosenfragen. Die Offenheit der Hochschule findet in der staatlich festgelegten Höchstquote von zehn Prozent ausländischer Studenten eine Grenze, an deren Lockerung man aber arbeitet. Fast 15.000 Euro Studiengebühren jährlich sind für die USA zwar üblich, europäische Studierende erhalten aber oft eine Unterstützung. Das zahlt sich spätestens dann aus, wenn die Absolventen wieder in die Heimat zurückkehren, wie es Kathleen Vercruysse vorhat: "Ich will in meinem Heimatland Unterricht für taube Menschen entwickeln - das gibt es da einfach nicht."