Donnerstag, 25. April 2024


Vorbildfunktion und Veränderungsbedarf

Der Blick auf den Medaillenspiegel hat bei jedem Großereignis seinen Reiz. Doch ist Medaillen zählen der richtige Weg? Philipp May in der zweiten Diskussionsrunde über die Probleme des deutschen Leistungssports, nötige Verbesserungen im Fördersystem und die Entscheidung, Leistungssportler zu sein.

01.10.2013
    "Ohne Trainer keine Medaillen", so heißt es in einer neuen "Trainer-Offensive" des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Dafni Bouzikou, früher Assistenztrainerin der Basketball-Mannschaft Frankfurt Skyliners und heute Wirtschaftsberaterin änderte in ihrem kurzen Referat den Satz etwas ab: "Ohne ausgebeutete Trainer keine Medaillen." Die Situation der Trainer in Deutschland sei nicht zufriedenstellend, häufig schlecht bezahlt und in unsicherer Rechtssituation. Damit, so Bouzikou, gehe der Sport in Deutschland ein Risiko ein. Schließlich würden viele gut ausgebildete Trainer mittlerweile ins Ausland gehen. Für Bouzikou ist klar, der Trainer ist die wichtigste Person für den Sportler: "Medaillen gerne, aber nicht auf dem Rücken der Trainer."

    Unterstützung für ihre Sicht der Dinge bekam Bouzikou bei den Teilnehmern der zweiten Diskussionsrunde. Michael Scharf, Leiter des Olympia-Stützpunkts Rheinland sieht in den Trainern auch die "Basis für den leistungssportlichen Erfolg" und betont auch, dass nicht alle Trainerstellen schlecht bezahlt seien. Es gebe, je nach Verband mittlerweile auch einige gut ausgestattete Stellen. Früher war Bernhard Peters Hockey-Bundestrainer, heute ist er Sportdirektor beim Fußball-Bundesligisten 1899 Hoffenheim. "Man darf nicht den Fehler machen, das Trainerbild am Fußball-Bundesliga-Trainer festzumachen. Das hat mit dem Ausbildungsberuf des Trainers wenig zu tun. Das sind zwei verschiedene Welten", sagt er.

    "Die wichtigsten Aussagen der Diskussion noch einmal zum Nachhören. Bastian Rudde berichtet:"
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    Doch nicht nur die Trainerfrage ist eines der Probleme des deutschen Leistungssports. Hinzu kommen Strukturfragen und finanzielle Aspekte, insbesondere die Sportförderung. Bernhard Peters sieht einen großen Effizienzverlust im deutschen System. "Viel Geld geht an den Schnittstellen der Förderung verloren." Stützpunkt-Leiter Scharf stellte die Frage in den Raum: "Wollen wir uns in Deutschland Leistungssport leisten?" Diese zentrale Frage müsse mit "Ja" beantwortet werden. Der Sport habe eine Vorbildfunktion. Immer wieder könne man beispielsweise nach deutschen Erfolgen bei Großereignissen gestiegene Anmeldezahlen bei den Sportvereinen der jeweiligen Sportarten feststellen.

    Säbel-Fecht-Weltmeister Nicolas Limbach hält die duale Karriere des Sportlers für ein entscheidendes Kriterium des Spitzensports und erfährt dafür Zustimmung aus der Runde. Der Fechter, der nebenbei studiert, ist sich über die Konsequenzen des Leistungssports bewusst. "Später auf dem Arbeitsmarkt, später eine höhere Lohngruppe, später in die Rentenkasse einzahlen, aber der Sport gibt mir viel, die vielen Reisen, die tollen Erlebnisse im Sport, einmal teilzunehmen an Olympischen Spielen."


    Und deshalb ist es besonders die Frage der Sportförderung, über die viel diskutiert wird. Arne Güllich, Sportwissenschaftler von der TU Kaiserslautern, erklärt: "Die Idee von Förderung ist es, die talentiertesten Jugendlichen durch die Zufuhr von Ressourcen für eine Karriere im Leistungssport zu unterstützen." Die Frage sei, wie diese Förderung auszusehen habe, statt der "starren" Lösung in Deutschland mit Förderzentren und festgelegten Kontingenten schlägt er ein flexibles "Voucher"-System vor. "Das ist keine Lösung", entgegnet Stützpunkt-Leiter Scharf. "Wir brauchen gute Teams mit festen Trainern. Voucher bieten keine nachhaltige Verbesserungsmöglichkeit." Auch der frühere Hockey-Bundestrainer Peters sieht im derzeitigen System "gute Strukturen", die aber kreativ weiter entwickelt werden müssten.

    Die vor wenigen Monaten veröffentlichte Athletenbefragung der Sporthochschule Köln ergab, rund 6 % der Leistungssportler dopen regelmäßig. 41 % machten keine Angabe. Außerdem gab jeder vierte Sportler an, unter Existenzängsten zu leiden. Für Fechter Limbach "keine überraschenden Ergebnisse". Existenzängste gehörten dazu. Ein Problem sei besonders, dass einige Spitzenverbände kein Interesse an einer "dualen Karriere des Sportlers" hätten.

    Genau diese sei aber von besonderem Wert, unterstrich Stützpunktleiter Scharf. "Die duale Karriere ist das Kernkriterium." Schließlich würde keiner der olympischen Sportler, Leistungssport betreiben, um Geld zu verdienen. Notwendig sei bei einem wöchentlichen Aufwand von 30 Stunden für den Leistungssport eine Flexibilität bei Schulen und Universitäten. Wissenschaftler Güllich bemerkte dazu aber: "Der Sport kann nicht nur Flexibiliät fordern, sondern muss selbst auch flexibel bleiben." Außerdem sei eine duale Karriere die "beste Anti-Doping-Strategie".

    "Impuls-Referat:"
    Dafni Bouzikou (Ehem. Assistenztrainerin Frankfurt Skyliners)

    "Podium:"
    Nicolas Limbach (Säbelfecht-Weltmeister und Student)
    Michael Scharf (Leiter Olympiastützpunkt Rheinland)
    Bernhard Peters (Sportdirektor 1899 Hoffenheim)
    Arne Güllich (Sportwissenschaftler TU Kaiserslautern)

    "Moderation: "
    Philipp May (DLF)
    Bernhard Peters bei der Sportkonferenz beim Deutschlandfunk
    Bernhard Peters bei der DLF- Sportkonferenz (Deutschlandradio - Hendrik Maaßen)
    Teilnehmer der 3. Deutschlandfunksportkonferenz im Kammermusiksaal des Kölner Funkhauses
    Interessierte Zuschauer bei der 3. DLF-Sportkonferenz (Deutschlandradio- Hendrik Maaßen)