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Vordiplom vor Studienbeginn

Seit dem Wintersemester 2000/2001 können Schüler in Köln gleichzeitig Studenten sein. Das Projekt "Schüler an der Universität", das an über 30 Unis in ganz Deutschland läuft, will begabte Jugendliche motivieren und entsprechend ihrer Talente fördern. In Köln hat es jetzt der erste Schüler geschafft, gleichzeitig mit seinem Abi auch sein Vordiplom in Mathematik zu machen. Das bekam Mikko Fischer an seinem ersten Tag als offizieller Student überreicht.

Von Hilke Janssen | 17.10.2005
    Während sich Hunderte aufgeregter Studienanfänger noch in die Aula der Uni Köln zwängen, um sich die Erstsemester-Einführung anzuhören, sitzt Mikko Fischer ganz gelassen in der ersten Reihe. Der 18-Jährige ist was die Uni angeht schon ein alter Hase. Im Frühjahr hat er sein Abitur gemacht, trotzdem studiert er schon seit vier Jahren Mathe. Möglich macht das das Projekt "Schüler in der Universität", erklärt Ulrich Halbritter vom Mathematischen Institut der Uni Köln.

    " Das Projekt will den Schülern die Möglichkeit geben, ihre Begabung gemäß Leistung zu erbringen. Viele wollen eben nicht gern Musik machen, die wollen auch nicht Fußball spielen, die wollen meinetwegen gern Mathematik machen. Solche Schüler gibt es genauso wie alle anderen. Merkwürdigerweise erscheint es niemandem merkwürdig, wenn jemand dauernd Tennis spielen will, aber wenn jemand andauernd Mathematik machen will, finden die Leute das ganz komisch. Das finde ich wiederum sehr seltsam. "

    Im Projekt mitmachen dürfen Schüler, die von ihrer Schule empfohlen werden, weil sie überdurchschnittlich gut sind. Mikko Fischer hat sich schon immer für Mathe interessiert und konnte es kaum abwarten, an die Uni zu gehen. In seiner Schule hat er sich eher gelangweilt.

    " Also der Matheunterricht war nicht schwierig, der Lehrer hat mir gelegentlich mal erlaubt, mal ein paar Referate zu halten über fortgeschrittenere Themen. Aber ich glaube, das hat die Klasse nicht so interessiert. Ansonsten hab ich den Unterricht abgesessen und versucht, möglichst an der Uni zu sein, wenn Mathe war. Aber es hat mich auch nicht gestört. Ich hab dann auch gern den anderen geholfen, wenn da ein Problem war. "

    Seine Leidenschaft für die Mathematik war manchmal auch stressig für den Abiturienten. Etwa zwölf Stunden extra pro Woche müssen Schüler, die nebenbei studieren wollen, einplanen. Dazu kommen noch Hausaufgaben, Klausuren und Prüfungen. Weil viele Vorlesungen vormittags stattfinden, können sich Uni und Schule auch mal überschneiden. Da muss die Schulleitung dann ein Auge zudrücken. Wenn man den Schulstoff nachholt, ist das aber kein Problem, meint Mikko Fischer.

    " An zwei Tagen war ich halt auch vormittags in der Uni, da bin ich nicht zur Schule gegangen oder erst später von der Uni dann noch mal zurück zur Schule. Und an den anderen Tagen war ich häufig dann nachmittags direkt von der Schule zur Uni oder erstmal kurz nach Hause, dann zur Uni und hab dann versucht, nachmittags besonders meine Veranstaltungen zu legen. "

    In Köln studieren zurzeit knapp 90 Schüler Mathe, Physik, Chemie, Informatik oder an der philosophischen Fakultät. Extrabehandlungen gibt es aber keine. Die Schüler nehmen an den laufenden Veranstaltungen teil und müssen sich alles genauso erarbeiten wie ihre etwas älteren Kommilitonen. Der Vorteil ist allerdings, dass sie viel schneller mit ihrem Studium fertig sein können. Auf lange Sicht soll das möglichst vielen hochbegabten Schülern ermöglicht werden, sagt Ulrich Halbritter.

    " Das sind Ausnahmen, natürlich, aber wenn man das hochrechnet, sind das ganz viele Ausnahmen. Der schulpsychologische Dienst der Stadt Köln rechnet damit, dass etwa drei bis sechs Prozent der Schüler für dieses Programm geeignet sind. Wenn man davon ausgeht, dass im Umkreis der Universität Köln etwa 80 Gymnasien und Gesamtschulen existieren, kommen wir auf eine Anzahl von 300 bis 600 Schüler, die das machen könnten. Von denen bekommen wir nur einen geringen Teil. "

    Mikko Fischer will sein erstes Semester als richtiger Student ruhig angehen lassen. Zukunftspläne hat er noch keine. Am liebsten würde er sich erstmal für ein Auslandssemester bewerben. Falls das nicht klappt, fängt er mit dem Diplom an. Denn obwohl das Vordiplom anstrengend war, freut er sich auf noch mehr Lernen.

    " Es ist viel Arbeit und wenn man dann fertig ist, ist man zufrieden. Aber das ist genauso wie im Sport, manchmal im Training denkt man sich auch 'Hey, jetzt gar nicht mehr'. Und dann, wenn man dann die Leistung gebracht hat, ist man glücklich. Und so ist das in Mathe auch. "