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Vorfahrt für die Politiker

Laut Statistik hat Italien die teuerste Volksvertretung der Welt. Fast 650.000 Politiker-Dienstwagen sind registriert, für die 18 Milliarden Euro jährlich für Ankauf oder Miete, Benzin, Versicherung und Chauffeure ausgegeben werden müssen. Die Italiener sind zunehmend sauer auf ihre Politiker.

Von Karl Hoffmann |
    "Wir fahren auf der Autobahn von Rom nach Fiumicino. Da kommt ein Dienstwagen mit Blaulicht daher. 150, 160, was haben wir für schnelle Politiker , man kommt ihnen kaum nach."

    Neidisch schaut der Autofahrer Signor Girolamo auf die dunkelblaue Limousine, die an ihm vorbeizieht. Was dem Normalbürger in Italien strikt verboten ist, gilt noch lange nicht für die Politiker. Die Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h umgehen sie. Das geht ganz einfach: im Dienstwagen, mit Blaulicht und Chauffeur. Ein heiß begehrtes Privileg. Selbst die an Kummer mit ihren Politikern gewöhnten Italiener staunten nicht schlecht, als sie vor einiger Zeit in den Abendnachrichten von den Ausmaßen und vor allem den Kosten dieses Privilegs erfuhren:

    "Italien hält einen Rekord, wir haben die meisten Auto Blu – die Dienstwagen der staatlichen Institutionen auf der Welt, fast 650.000. In den letzten Monaten haben sie um 2,7 Prozent zugenommen, was beweist, dass die Dienstwagen von Jahr für Jahr zahlreicher werden."

    Die öffentliche Hand gibt 18 Milliarden Euro jährlich für Ankauf oder Miete, Benzin, Versicherung und Chauffeure der Luxuslimousinen aus. Carlo Rienzi von der italienischen Verbraucherschutzorganisation Codacons ist entrüstet.

    "Immer wieder heißt es, die Dienstwagen würden reduziert. Den Bus zu benützen , das käme unseren Politikern nie in den Sinn. Also machen wir den Vorschlag, dass sie kostenlos Taxi fahren können . Damit könnte man jede Menge Geld sparen und das Taxi ist ja ein bequemes Verkehrsmittel."

    Eisiges Schweigen bei den Politikern. Das "Auto blu", so genannt, weil früher alle Dienstwagen in elegantem Dunkelblau lackiert waren, ist tabu. Nun muss aber auch Italien zwischen 25 und 30 Milliarden Euro Haushaltseinsparungen vornehmen. Italiens Finanzminister Giulio Tremonti hat versprochen, die von der EU bereits im vergangenen Dezember angemahnte Sanierung seines Haushalts durchzuführen. Wie ist noch unklar. Roberto Calderoli, Minister der populistischen Lega Nord, hat nun eine Gehaltskürzungen für alle Parlamentarier in Höhe von fünf Prozent vorgeschlagen. Seiner Meinung nach ein deutliches Zeichen der Solidarität der Politiker mit den krisengebeutelten Bürgern:

    "Fünf Prozent, die wollen uns wohl auf den Arm nehmen. Schimpft Giovanni, von Beruf Landwirt. Bei deren Bezügen müssten sie wenigstens auf 50 Prozent verzichten, wenn sie wirklich ein Zeichen setzen wollen. Bei 10.000 Euro Gehalt im Monat würden denen doch 5000 reichen oder etwa nicht?"

    Tatsächlich verdienen die knapp Tausend italienischen Parlamentarier im Schnitt 14.000 Euro netto, dazu kommen Aufwandsentschädigungen, Freifahrten für sämtliche Verkehrsmittel, Wohngeld und ein Dienstwagen. Fünf Prozent Gehaltskürzung macht im Einzelfall grade mal rund 700 Euro aus. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Für die laut Statistik teuerste Volksvertretung der Welt, müssen die italienischen Steuerzahler inklusive der Kosten für Regional-, Provinz- und Kommunalverwaltungen vier Milliarden Euro jährlich berappen. Geld, das den Bürgern immer schmerzlicher fehle, klagt Bauer Giovanni.

    "Hoffen wir, dass es nicht irgendwann mal einen Aufstand gibt. Denn die Leute die mit 700 - 800 Euro im Monat leben müssen, werden immer mehr. Die tun sich schwer, über die Runden zu kommen. Ich habe eine Rente von 750 Euro und ein Stückchen Land, da kann ich grade so leben."
    Wer an der Misere schuld ist, daran hat zumindest Autofahrer Girolamo in Rom keinen Zweifel.

    "Grazie Berlusconi, bist ein toller Kerl , du hast uns alle ruiniert."