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Vorfahrt für Wildtiere

In Weimar findet zurzeit der Deutsche Jägertag statt. Auch wenn es auf den ersten Blick überrascht: Jäger sehen sich auch als Naturschützer für den Lebensraum der Wildtiere. Dieser Raum wird mit jeder neuen Straße enger: Vor allem große Bundesstraßen und Autobahnen sind für viele Tierarten unüberwindbare Hindernisse.

Von Ulrike Greim | 23.05.2008
    Vogelzwitschern und Blätterrauschen - das ist Idylle für Jäger und Wild. Doch Autolärm gehört mittlerweile dazu. Das Straßennetz ist dicht und wird immer dichter, beklagen die Jäger, und rechnen vor: Auf den 230.000 Kilometern Straße in der Bundesrepublik legen die Deutschen rund 850 Milliarden Kilometer jährlich zurück. Dieser europäische Spitzenwert mag gut sein für Straßenbauer und Autoindustrie, nicht aber für die Tiere auf Wald und Feld. Denn für sie wird der Lebensraum mit jeder neuen Straße enger. Die einen scheuen den Verkehrslärm, andere bewegen sich frei, ob da nun Asphalt kommt, oder nicht. Die Jäger, die gern betonen, dass sie ein anerkannter Naturschutzverband sind, fordern die Regierungen auf, sich für die Durchlässigkeit der Lebensräume einzusetzen, für Korridore und Brücken zwischen den Biotopen. Der Präsident des Deutschen Jagdschutzverbandes, Jochen Borchert, sagt:

    " Der Biotopverbund ist derzeit mangelhaft. Ein deutliches Alarmzeichen hierfür ist die deutlich steigende Zahl von Wildunfällen. 2.800 Menschen wurden bei Wildunfällen verletzt, zehn Menschen starben bei Unfällen mit Wild. Unter die Räder gekommen sind nach Berechnungen des Deutschen Jagdschutzverbandes im Jahr 2007 rund 220.000 Rehe, Hirsche und Wildschweine. Dabei ist die Dunkelziffer sicher noch einmal so hoch. "

    Für bedrohte Arten, wie Wildkatze oder Otter seien Wildunfälle die Todesursache Nummer eins. Wer biologische Vielfalt erhalten wolle, müsse dies in der Verkehrswegeplanung berücksichtigen, sagen die Jäger. 36 Grünbrücken gebe es derzeit auf deutschen Straßen, 50 müssten mindestens noch gebaut werden, damit die Tiere ungehindert Straßen und Autobahnen queren können.

    " Der Deutsche Jagdschutzverband fordert die Bundesregierung nachdrücklich auf, zukünftig Querungshilfen schon im Bundesverkehrswegeplan mit einzuplanen, und dies ebenfalls auf alten Strecken nachzurüsten. "

    Denn wenn Hirsch und Reh nicht über die Straße kommen, dann verinseln ihre Populationen, sagt der Jagschutzverbandschef. Das beinhalte auch ein genetisches Problem. Den es komme zu Inzucht, und die habe schwache, anfällige Tiere zur Folge, die schneller sterben. Doch ganz einfach ist das mit den Grünbrücken und Tunneln nicht, wie ein Beispiel in Thüringen zeigt. Eine der bestehenden Wildbrücken - jede kostet zwei bis drei Millionen Euro - ist über die Thüringer Wald Autobahn gebaut worden. Kleiner Schönheitsfehler: Das Wild hat sie weitgehend ignoriert. Fehlplanung hieß es dann. Die Brücke liege nicht auf der exakten Route des Wildes. Die Jäger, so sagen sie selbst, seien in die Planung nicht eingebunden gewesen. Thüringens Jagdverbandspräsident Steffen Liebig glaubt, dass die Brücke dennoch ihren Dienst tun kann:

    " Man versucht natürlich jetzt mit der Gestaltung der Reviere außenrum, die Möglichkeit zu finden, dass sie über kurz oder lang angenommen wird. Es ist durchaus möglich, dass man mal mehrere Jahre warten muss, eh sich wieder faktisch diese Migration dann einstellt. "

    Allerdings lasse sich normalerweise das Wild nicht hin und her lenken. Die Jäger hätten deshalb jetzt eine ausgereifte Datenbank erarbeitet, mit der sie den Verkehrsplanern exakte Routen der verschiedenen Tierarten voraus sagen können. Hier sei alles kartiert und erklärt, damit nun von Anfang an alles richtig gemacht werden könne.