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Vorfreude auf den Vorsitz

Slowenien ist in Europa angekommen - und darauf ist die kleine Republik mächtig stolz. Erst der EU-Beitritt, zweieinhalb Jahre später der Euro, nun Schengen-Mitglied. Das kleine Land auf der Südseite der Alpen ist in jeder Hinsicht ein europäischer Musterknabe. Eine Europakolumne von Veit-Ulrich Braun.

31.12.2007
    "Willkommen in Ljubljana, der Hauptstadt Europas ab dem 1. Januar", hallt die Stimme der Veranstalterin über den Preseren-Platz im Zentrum Ljubljanas. Die ganze Innenstadt ist weihnachtlich geschmückt, an den frisch renovierten Fassaden strahlen Lichterketten. Überall stehen Buden, und Tausende drängen sich durch die Gassen, halten einen Schwatz bei Glühwein und heißen Kastanien. Jeden Abend finden in diesen Tagen Konzerte statt, umsonst und draußen.

    Und dann tritt Oliver Dragojevic auf, der populäre Liedermacher aus Kroatien. Und alle singen mit, denn Kroatisch spricht hier fast jeder, ein Erbe aus gemeinsamen jugoslawischen Zeiten. Aber Kroatien ist heute für die Slowenen weiter weg denn je, denn seit dem 21. Dezember ist Slowenien Schengen-Mitglied. Die Schlagbäume nach Österreich, Ungarn und Italien sind weg, dafür trennt jetzt eine Hochsicherheitsgrenze die Slowenen von ihren kroatischen Nachbarn.

    Slowenien ist in Europa angekommen - und darauf ist die kleine Republik mächtig stolz. Erst der EU-Beitritt, zweieinhalb Jahre später der Euro, nun Schengen-Mitglied. Das kleine Land auf der Südseite der Alpen ist in jeder Hinsicht ein europäischer Musterknabe. Und die Präsidentschaft der EU ab dem 1. Januar soll die Krönung werden. Slowenien ist das erste der neuen EU-Länder, dem diese Aufgabe zuteil wird. Die Regierung hat sich in den letzten zwölf Monaten gründlich darauf vorbereitet.

    160 Diplomaten wurden vorübergehend nach Brüssel versetzt. Vor den Toren Ljubljanas steht ein brandneues Tagungszentrum, in dem die meisten der Ministertreffen und andere EU-Konferenzen stattfinden. 62 Millionen Euro soll die Präsidentschaft die Slowenen kosten - offiziell. Denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass es wohl teurer werden wird.

    Aber Slowenien will nichts dem Zufall überlassen, denn es wird keine leichte Präsidentschaft werden. Ganz oben auf der Agenda steht das Kosovo. Die EU ist sich trotz aller Beteuerungen noch längst nicht einig, wie sie mit einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung der Kosovaren umgehen soll. Klar ist nur, dass dieser Konflikt trotz Amerikanern auf der einen und Russen auf der anderen Seite vor allem eine europäische Angelegenheit ist. Sloweniens Außenminister Dimitri Rupel spricht angesichts der immer schrilleren Töne aus Serbien von einer "ziemlichen Herausforderung". Aber er ist überzeugt, dass sein Land einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Konflikts leisten kann. Als ehemaliger Teil Jugoslawiens pflegt Slowenien noch immer enge Beziehungen zu den früheren Schwesterrepubliken, auch wenn sie nicht immer frei von Spannungen sind.

    Dann ist da noch der Lissabon-Vertrag. Endlich hat sich die EU auf eine neue Arbeitsgrundlage verständigt. Aber der Reformvertrag muss noch von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Und das muss bis Ende 2008 geschehen - nicht viel Zeit. Zwar war Ungarn schneller, aber auch Slowenien will den Vertrag schon im Januar ratifizieren und so mit gutem Beispiel vorangehen. In trockenen Tüchern ist der Lissabon-Vertrag deshalb noch nicht: mindestens in Irland wird es dazu ein Referendum geben. Ausgang: ungewiss.

    Und last but not least: Frankreichs Präsident Sarkozy, der sich gelegentlich so aufführt, als übernähme Paris schon jetzt die Präsidentschaft und nicht erst in sechs Monaten. Die slowenische Regierung dankte freundlich für die angebotene Hilfe und macht erst einmal gute Miene zum bösen Spiel. Bei allem guten Willen stellt sich die Frage: Wie erfolgreich kann die slowenische Präsidentschaft sein?

    Die Ressourcen des kleinen Landes sind begrenzt - finanziell wie personell. Und die Regierung befindet sich seit Monaten in einem Umfragetief. Die Slowenen stöhnen unter einer hohen Inflation bei immer noch vergleichsweise niedrigen Löhnen. Nie war ein Premierminister unpopulärer als der derzeitige konservative Regierungschef Janez Jansa. Anfang Dezember musste er sogar die Vertrauensfrage stellen. Auch wenn ihm das slowenische Parlament vorläufig den Rücken gestärkt hat, im Herbst nächsten Jahres sind Wahlen und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Wahlkampf schon seine Schatten auf die Präsidentschaft werfen wird.

    Aber trotz aller innenpolitischen Querelen: Die Zustimmung zur EU-Präsidentschaft ist groß. Und in einem Wunsch sind alle Slowenen vereint: dass am Ende der Präsidentschaft zumindest in Europa niemand mehr Slowenien mit der Slowakei verwechselt.