Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Vorführeffekt im Labor
Wie Darmbakterien Versuchsergebnisse beeinflussen

Wissenschaftliche Versuchsergebnisse müssen reproduzierbar sein: Ein Experiment taugt nur dann etwas, wenn man es wiederholen kann und dabei immer wieder dasselbe rauskommt. In den USA gelangte Wissenschaftlern jedoch genau das bei einem Experiment nicht. Sie untersuchten den Vorfall genauer - und kamen dabei einem fundamentalen Problem vieler Tierversuche auf die Spur.

Von Christine Westerhaus | 12.10.2016
    Eine Maus in einem Forschungslabor in Prag
    Bakterien im Darm der Mäuse haben teils große Auswirkungen auf Forschungsergebnisse (Imago)
    Der Teufel steckt auch im Labor oft im Detail: Der Luftdruck, die Tageszeit, zu der ein Versuch gemacht wird, oder die Laune des Forschers - all das kann beeinflussen, wie ein Experiment ausgeht. Laura McCabe von der Michigan State University war bei ihren Versuchen besonders gewissenhaft: Die Bedingungen, unter denen ihr Doktorand Mäuse getestet hatte, waren konstant, die Tiere waren alle gleich alt und sie stammten von demselben Züchter. Trotzdem waren die Ergebnisse widersprüchlich.
    "Er hatte Mäusen ein Medikament für Knochenwachstum verabreicht und tatsächlich nahm die Knochendichte bei den behandelten Tieren zu. Ich sagte zu ihm: 'Wow, das ist ein tolles Ergebnis, aber lass uns den Versuch zur Sicherheit noch mal machen'. Er wiederholte das Experiment und kam dann völlig aufgelöst in mein Büro und sagte: 'Jetzt ist genau das Gegenteil passiert: Die Knochendichte hat abgenommen! Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe!'"
    Die Forscher diskutierten das verblüffende Ergebnis und beschlossen, es noch einmal zu versuchen.
    "Alle waren sich einig, dass das eine gute Idee ist. Wir dachten, dass sich dann eines der beiden Ergebnisse reproduzieren lassen wird."
    Doch es kam anders: Beim dritten Versuch nahm die Knochendichte weder ab, noch zu. Sie blieb unverändert.
    "Ich hätte nie gedacht, dass es noch eine weitere Möglichkeit gab."
    Haben Mikroben die Wirkung des Medikaments beeinflusst?
    Anstatt zu verzweifeln, haben sich Laura McCabe und ihr Doktorand auf die Suche nach den Ursachen für diese Ergebnisvielfalt gemacht: Im Darm der Versuchstiere sind sie fündig geworden: Offenbar beherbergten die Mäuse der unterschiedlichen Testreihen jeweils andere Bakterien in ihrem Verdauungstrakt. McCabe vermutet daher, dass die Mikroben die Wirkung des verabreichten Medikaments beeinflusst haben.
    "Wir denken, dass das getestete Medikament über den Verdauungstrakt wirkt. Die unterschiedlichen Bakteriengemeinschaften könnten deshalb die Versuchsergebnisse verändert haben. Für mich sind diese drei Resultate deshalb sehr spannend: Sie helfen uns, besser zu verstehen, welche Faktoren die Knochendichte beeinflussen. Schließlich gibt es auch beim Menschen Variationen und auch die Bakteriengemeinschaften in ihrem Darm sind unterschiedlich."
    "Es ist vielleicht an der Zeit, umzudenken"
    Die Vielfalt der menschlichen Darmflora sollte sich auch in den Versuchsbedingungen widerspiegeln, meint Laura McCabe. Mäuse oder Ratten sind ja quasi Stellvertreter des Menschen, an denen neue Wirkstoffe oder Therapien getestet werden. In den meisten Labors leben diese Versuchstiere aber unter sehr hygienischen Bedingungen. Ganz anders als Menschen also, die täglich mit den verschiedensten Bakterien konfrontiert werden.
    "Es ist also vielleicht an der Zeit, umzudenken und wir sollten uns fragen, was wir mit unseren sterilen Versuchsbedingungen eigentlich erreichen wollen. Ein Forscher hat mal die Bakterien von Mäusen aus einer Zoohandlung mit ihren Artgenossen aus einer sauberen Tierhaltung an einer Universität verglichen. Und dabei kam heraus, dass das Immunsystem der Mäuse aus dem Tiergeschäft dem menschlichen viel stärker ähnelte, als das der Versuchsmäuse aus dem Labor."
    Dass menschliche Bakterien in Mäusen ähnlich wirken können, wie im Menschen, haben Forscher durch Transplantationsexperimente längst bewiesen. Es könnte also ein Vorteil sein, wenn es in den Labors künftig weniger steril zuginge. Die Aussagekraft von Tierversuchen könnte davon profitieren.