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Vorgetäuschter Ausbruch

Deutsch und italienische Vulkanologen haben erstmals gemeinsame Vulkantests nicht nur im Computermodell durchgespielt, sondern in einem realen Versuch. In einem apulischen Steinbruch, wollen sie mit ihren simulierten Vulkanausbrüchen herausfinden, wie sich sogenannte pyroklastische Staubwolken und Staublawinen nach einem Ausbruch ausbreiten.

Von Thomas Migge |
    "Das sind Drucksensoren, aus Kunststoff. Wir probieren hier gerade aus, ob die auch richtig funktionieren. Die sind sehr delikat, geben aber wichtige Signale."

    Piero Dellino liegt ausgestreckt auf einem mit einer blauen Plastikplane bedeckten Hügel. An der Spitze des zirka zwei Meter hohen Hügels lugt ein Stahlrohr aus der Erde, mit einem Durchmesser von 60 Zentimeter. Professor Piero Dellino, Geologe an der Universität Bari, testet die einzelnen Sensoren, die in der Nähe des Rohrs installiert wurden.

    Professor Bernd Zimanowski, Vulkanologe aus Würzburg, sitzt direkt am Stahlrohr, das jetzt gut drei Meter hoch gewachsen ist und kontrolliert dutzende von Kabeln, die dort befestigt sind, denn er ist verantwortlich für die Messungen. Die Geologen aus Bari haben in der Zwischenzeit den Vulkansimulator mit 250 Kilogramm Vulkanasche gefüllt. Via Funkgerät steht Bernd Zimanowski in Kontakt mit der Schaltzentrale, die sich unter einem Zeltdach befindet.

    Und dann geht es los: Die Mineralogen aus Bari im süditalienischen Apulien und der Uni Würzburg bringen sich in Sicherheit. Video- und Infrarotkameras sind auf das Stahlrohr und den Hügel gerichtet.

    Der Vulkan ist ausgebrochen. Ein Versuchvulkan. Zum ersten Mal überhaupt haben sich Vulkanologen in einem deutsch-italienischen Forschungs-Joint-Venture dazu entschieden, Vulkantests nicht nur im Computermodell durchzuspielen, sondern ganz konkret; in einem apulischen Steinbruch, weit weg von neugierigen Zuschauern. Ziel der simulierten Vulkanausbrüche ist es, herauszufinden, wie sich pyroklastische Staubwolken und Staublawinen nach einem Ausbruch auf einem Gelände ausbreiten, wie und wo sie niederfallen. Bernd Zimanowski hat zusammen mit seinem Kollegen Piero Dellino das Projekt entwickelt:

    "Vor fünf Jahren, auf einer großen Konferenz in Chile haben wird uns gedacht, lass uns doch mal so ein Ding bauen. Ein Experiment, dass die Lücke zwischen dem kleinen Experiment im Labor und dem natürlichen Vulkanausbruch füllt. Das war keine Schnaps-, sondern eine Rotweinidee."

    Herausgekommen ist ein künstlicher Vulkan, der wie ein großes Luftgewehr funktioniert. Das Stahlrohr ist mit zerbröseltem Magma in Korngröße von maximal vier Millimeter aus dem Gebiet des Vesuv gefüllt. Asche, die vor rund 8000 Jahren aus dem Berggiganten bei Neapel geschleudert wurde. Hochgespannter Stickstoff wird als Treibmittel genutzt, um den künstlichen Vulkanausbruch zu provozieren. Bernd Zimanowski:

    "Jetzt wird über ein System von Magnetventilen ein Druckpuls, ein bestimmtes Volumen mit einem bestimmten Druck, unterhalb dieser Asche freigesetzt und treibt die Asche in dem Rohr nach oben."

    Auf diese Weise kommt es zu einer Kompression, die sich genau bestimmen lässt, denn die Wissenschaftler messen den Druck und kennen die Masse des Materials. Maximal wird die Vesuvasche mit einer Energie von 200 bar aus dem Stahlkrater geschleudert, bis zu 30 Meter hoch. Sie fällt auf die blaue Plastikplane, die rund um den Krater ausgelegt worden ist. Darauf liegen auch die Drucksensoren. Piero Dellino:

    "Der Druck des Gases und die Größe des Materials stehen in einem reduzierten Verhältnis zu realen Vorfällen, wie wir sie beim Vesuv antreffen können. Die Verteilung des pyroklastischen Staubs gibt uns Auskunft darüber, wie und wo und in welchen Umfang dieses Vulkanmaterial auf den Erdboden fällt und welche Schäden dieser Auswurf Gebäuden zufügt."

    Die auf diese Weise gesammelten werden Daten an den italienischen Zivilschutz weitergeleitet. Die Experten des Zivilschutzes können dann wesentlich genauer als bisher die voraussichtlichen Schäden an jenen zahllosen Gebäuden voraussehen, die unterhalb des Vesuv errichtet wurden. Ayuch lassen sich möglicherweise sichere Schutzräume konstruieren, in die sich die Bewohner flüchten könnten. Ob Kommunal- und Regionalpolitiker im Großraum Neapel aus diesen Daten Schlussfolgerungen ziehen, die zu einer Umsiedlung von Menschen führen könnten, ist eine andere Frage, auf die das deutsch-italienische Wissenschaftlerteam keine Antworten geben kann.