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Nach dem Amoklauf in Winnenden 2009 verschärfte der Bundestag das Waffenrecht und forderte stärkere Kontrollen. Mehr Personal gab es dafür aber nicht. 2010 wurden gerade einmal vier Prozent aller Waffenbesitzer kontrolliert und das zumeist mit Voranmeldung.

Von Tim Aßmann |
    "Wir wollen den Leuten ja eigentlich nichts Böses an sich. Sie haben das Recht ne Waffe zu besitzen, und wir wollen bloß kontrollieren, ob sie damit auch sachgemäß umgehen."

    Frank Irmer ist Waffenkontrolleur des Kreisverwaltungsreferats München. Seine Kollegen und er sollen sicherstellen, dass Privatleute in der Landeshauptstadt ihre Gewehre und Pistolen sicher aufbewahren. Das heißt: in einem Tresor, zu dem nur der Besitzer selbst Zugang hat. Eine Konsequenz aus dem Amoklauf in Winnenden 2009. Damals verschärfte der Bundestag das Waffenrecht. In der Folge stieg der Arbeitsaufwand für die Waffenbehörden in Städten und Kreisen enorm. Mehr Geld gab es aber nicht. Weder vom Bund noch von den Ländern. Also stellten die Behörden vielerorts auch kein zusätzliches Personal ein.

    Frank Irmer ist einer der wenigen Kontrolleure, die zusätzlich ihren Dienst aufgenommen haben. Nach gut drei Jahren kommt das Bundesinnenministerium zu einem ernüchternden Fazit. In einem aktuellen Bericht für den Bundestag finden sich die ausgewerteten Daten von 86 deutschen Waffenbehörden:

    Sie führten 2010 insgesamt nur gut 8500 Kontrollen durch. Das entspricht vier Prozent aller Waffenbesitzer. Bei rund jeder fünften Kontrolle wurden Mängel festgestellt. Ob die Kontrollen angemeldet oder unangemeldet durchgeführt wurden, lässt sich aus der Statistik gar nicht erst ersehen. Irmer:

    "Es ist schon sehr wichtig, die unangemeldet zu besuchen, sonst ist der Druck ja nicht da, es jederzeit dort zu verwahren, sondern dann kann man sagen: Ja, wenn sie mal wieder kommen, dann tue ich’s natürlich rein. Den Schrank haben sie alle jetzt. Wir haben es einmal gehabt, dass der Schrank noch nicht ausgepackt war und die Waffe daneben gelegen ist. Dem ist auch die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen worden."

    Frank Irmer und seine Kollegen kontrollieren die knapp 60.000 Waffenbesitzer in München fast ausschließlich unangemeldet. Nur so machen die Überprüfungen Sinn, sagt Münchens Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. In diesem Jahr klingelten seine Kontrolleure schon rund 700 Mal bei Waffenbesitzern. Natürlich waren die Betreffenden nicht immer zu Hause:

    "Insgesamt haben wir 354 Kontrollen dann vorgenommen. In der Hälfte der Fälle waren wir in Anführungszeichen erfolgreich, dass wir eben Mängel festgestellt haben, was die Aufbewahrung oder Anmeldung der Waffen betrifft."

    Überraschungsbesuche der Kontrolleure wie in München sind in Bayern eher die Ausnahme als die Regel. Eine Nachfrage bei 15 von 96 Waffenbehörden im Freistaat ergab, dass die Meisten von ihnen überwiegend auf angemeldete Kontrollen setzen. Vor verschlossenen Türen zu stehen - dafür haben sie schlicht zu wenig Personal. Rechtlich ist dieses Vorgehen völlig in Ordnung. Das bayerische Innenministerium empfiehlt den Waffenbehörden sogar, angemeldet zu kontrollieren. Daran will Innenminister Joachim Herrmann auch festhalten. Wichtig sei, dass die Besitzer von legalen Waffen überhaupt kontrolliert werden, sagt der CSU-Politiker:

    "Es ist ja Gott sei Dank in Bayern nicht der Alltag, dass jemand mit solchen Waffen erschossen wird. Ganz im Gegenteil haben wir ja die Feststellung: Wenn man von Straftaten ausgeht, so werden leider der allergrößte Teil der Straftaten bei denen Schusswaffen verwendet werden mit illegalen Waffen, also mit solchen, die überhaupt nicht angemeldet sind, begangen.

    Es gibt keinerlei Anlass insgesamt die ganz große Mehrheit unserer Jäger, unserer Sportschützen in irgendeiner Weise zu kriminalisieren. Die überwältigende Mehrheit geht sehr sorgfältig mit ihren Waffen um."

    Kritiker werfen dem Minister und Sportschützen Herrmann vor, sich schützend vor die privaten Waffenbesitzer zu stellen. Für den Münchner Kreisverwaltungsreferenten Wilfried Blume-Beyerle ist klar, dass eine konsequente Umsetzung des nach Winnenden verschärften Waffenrechts politisch nicht gewollt ist:

    "Da muss man sich nur mal anschauen, wenn die Schützen sich irgendwo mal wieder versammeln, wer dann so alles dabei ist und wer alles Mitglied in Schützenverbänden ist, die ich in keiner Weise diskreditieren möchte. Aber das hier eine große Nähe der Politik zu Schützen ist, die vor allem auch dann zunimmt, wenn sich Wahlen nähern, ich mein, das ist doch offenkundig. Also ich habe nicht den Eindruck, dass die Politik da mit großem Nachdruck hinterher ist, dass dieses Gesetz dann wirklich auch tatkräftig umgesetzt wird."