Es ist bereits Nacht, als die Fischer von Keti Bandar im Indus-Delta nahe Karachi ihren Fang anlanden. Mancher von ihnen hat noch eine andere, eine geheime Fracht an Bord. Denn viele verdienen durch Schmuggel noch etwas dazu. Und fast jeder wurde schon einmal erwischt, erzählt uns der Fischer Arif Balouch. Jeder hier habe schon einmal gesessen in den Gefängnissen diesseits und jenseits der pakistanisch-indischen Grenze
"Die Gefängnisse sind überall gleich. In Indien war ich im Knast von Gujarat. Da gab es nicht mal richtiges Brot. Am schlimmsten aber war es hier in Pakistan. 18 Tage saß ich in Karachi ein und erst vor kurzem in Lahore, im Gefängnis Kok Lakphat. Die Situation ist überall gleich katastrophal."
Das letzte Mal hatte die pakistanische Küstenwache Arif am Wickel, weil er nur wenig Fisch, dafür umso mehr Alkohol an Bord hatte. Er betete zu Allah, als er dafür nur zwölf Tage Haft in Kok Lakpath bekam. Doch angesichts der Verhältnisse dort können auch zwölf Tage sehr lang sein. Denn Folter, Prügelstrafe und Mord sind in pakistanischen Gefängnissen an der Tagesordnung, schreibt die Human-Rights-Commission in ihrem jüngsten Länderbericht. Wie schlimm die Situation wirklich ist, weiß niemand. Seit mehr als zehn Jahren ist es Journalisten nicht einmal mit großzügigem Bakschisch gelungen, ein Gefängnis von innen zu sehen. Zu drastisch sind die Strafen für das Personal. Umso überraschter sind wir, als es uns über verschlungene Kanäle doch gelingt, Zugang zu bekommen.
Auf dem Weg durch Lahore in eines der berüchtigsten Gefängnisse Pakistans: Am Rande der Stadt erhebt sich aus Reis- und Weizenfeldern ein düsterer Koloss. 300 mal 400 Meter im Rechteck liegt hinter turmbewehrten Mauern und starkstromgeladenen Stacheldraht das Gefängnis Kok Lakpath. Auf ein vereinbartes Zeichen öffnet sich uns in der Mauer eine kleine Seitentür. Dahinter werden wir durchsucht und unsere Mikrofone los. Nur ein kleines verstecktes Aufnahmegerät finden die Wärter nicht.
In den für 1000 Häftlinge gebauten Trakten vegetieren 4000 Häftlinge. Die Luft ist zum Schneiden dick. Viele Toiletten sind verstopft, der Geruch von Exkrementen, Schweiß und seit Wochen nicht gewechselten Kleidern macht das Atmen schwer.
"Ich denke, das Hauptproblem ist die Unterbringung","
erzählt uns Choudry Bashir Ahmad.
"'"Als man die Gefängnisse baute, waren sie nur für wenige Gefangene gedacht. Heute sind sie völlig überfüllt. Ich besuche manchmal das Kot Lakphat und auch das Camp-Gefängnis in Lahore. Beide Häuser sind hoffnungslos überbelegt."
Choudry Bashir Ahmad ist Rechtsanwalt der Human-Rights-Society, neben der Human-Rights-Commission die einzige Menschenrechtsorganisation, die regelmäßig Zutritt zu den Strafanstalten in der Provinz Punjab erhält. Die Überbelegung der Zellen hält Choudry Bashir für eine besonders pervertierte Form von Folter mit schwerwiegenden Folgen: Amöbenruhr, Durchfall und Hepatitis sind Dauergast in pakistanischen Gefängnissen - auch in Kok Lakpath.
Merkwürdigerweise ist die Krankenstation gleich links neben dem Haupteingang völlig leer, so leer wie die Medikamentenkammer, in deren Regalen wir nur ein paar Dutzend Packungen Kräutertee entdecken. Den Gefangenen bleibt nichts anderes, als auf Allah zu hoffen und darauf, dass sie wieder einen Tag überstanden haben, der durch nichts anderes als den Ruf des Gefängnis-Muezzins eine Struktur bekommt. Resozialisierungsmaßnahmen sind im pakistanischen Gefängnisalltag nicht vorgesehen.
Immerhin, Präsident Musharraf hat eine neue Gefängnisküche bauen lassen: zwei Herde, drei blitzende Suppenkessel, ein Spülbecken. Der Küchenchef schwärmt von der guten Versorgung und präsentiert uns stolz das heutige Tagesmenü: Tomatensuppe mit drei Eiern und drei Tschapattis, pakistanische Fladenbrote von je 100 Gramm.
Warum dennoch alltäglich hunderte Verwandte mit großen Lebensmitteltüten vor dem Gefängnis auf Einlass warten, bleibt das Geheimnis des Direktors von Kot Lakphat.
"Wir haben unserem Sohn Essen gebracht,"
sagt dieser alte Mann.
"Das, was er hier bekommt, ist viel zu wenig. Seit mehr als zwei Wochen sitzt er nun schon hier ein, seitdem hat er noch nicht ein einziges Mal Obst und Gemüse bekommen."
Der Sohn des Mannes, ein verurteilter Betrüger, hat Glück. Schon in zwei Tagen kann er Kok Lakpath verlassen. Ganz anders als die Insassen einer kleinen Baracke abseits des Hauptgebäudes: In vier Zellen, jede drei Mal vier Meter groß, hausen zurzeit 46 zum Tode Verurteilte. Sie schlafen auf nacktem Beton und ohne Decken. Zu essen gibt es Suppe aus Holznäpfen. Die aber werden nur vor den Zellentüren abgestellt, und die Häftlinge müssen sie mit langen Holzlöffeln durch die Gitter in ihren Mund bugsieren. Derzeit warten rund 7000 Männer und 40 Frauen unter ähnlich unwürdigen Bedingungen in den pakistanischen Gefängnisse auf ihre Hinrichtung. Bei vielen sei völlig unklar, ob sie wirklich schuldig sind, meint Rechtsanwalt Choudry Bashir:
"Wenn ein Mann gehenkt wird, dann können wir niemals sicher sein, ob er die Todesstrafe wirklich verdient hatte. Deshalb ist meine Meinung: Fehler sollten korrigierbar sein: Statt zu töten sollten wir lebenslange Gefängnisstrafen aussprechen."
Wie er, ist auch diese Frau, die wir im Besuchertrakt treffen, strikt gegen die Todesstrafe, allerdings aus ganz anderen Gründen. Ihr Mann Sajad wurde als Totschläger verurteilt.
"Zuerst einmal sollten sie im Gefängnis herausfinden, wer wirklich kriminell und was wirklich geschehen ist. Aber was es auch immer sei, wir sollten akzeptieren, dass auch Kriminelle menschliche Wesen sind und keine Tiere. Auch Verbrecher müssen menschlich behandelt werden."
Ihr Mann, so sagt sie uns später, hätte in Notwehr getötet und sitze nun nur in der Todeszelle, weil ihm das Geld fehle sich seine Freilassung zu erkaufen. Aber noch sind nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Noch habe sie Hoffnung, ihren Mann eines Tages doch wieder in die Arme nehmen zu können.
"Die Gefängnisse sind überall gleich. In Indien war ich im Knast von Gujarat. Da gab es nicht mal richtiges Brot. Am schlimmsten aber war es hier in Pakistan. 18 Tage saß ich in Karachi ein und erst vor kurzem in Lahore, im Gefängnis Kok Lakphat. Die Situation ist überall gleich katastrophal."
Das letzte Mal hatte die pakistanische Küstenwache Arif am Wickel, weil er nur wenig Fisch, dafür umso mehr Alkohol an Bord hatte. Er betete zu Allah, als er dafür nur zwölf Tage Haft in Kok Lakpath bekam. Doch angesichts der Verhältnisse dort können auch zwölf Tage sehr lang sein. Denn Folter, Prügelstrafe und Mord sind in pakistanischen Gefängnissen an der Tagesordnung, schreibt die Human-Rights-Commission in ihrem jüngsten Länderbericht. Wie schlimm die Situation wirklich ist, weiß niemand. Seit mehr als zehn Jahren ist es Journalisten nicht einmal mit großzügigem Bakschisch gelungen, ein Gefängnis von innen zu sehen. Zu drastisch sind die Strafen für das Personal. Umso überraschter sind wir, als es uns über verschlungene Kanäle doch gelingt, Zugang zu bekommen.
Auf dem Weg durch Lahore in eines der berüchtigsten Gefängnisse Pakistans: Am Rande der Stadt erhebt sich aus Reis- und Weizenfeldern ein düsterer Koloss. 300 mal 400 Meter im Rechteck liegt hinter turmbewehrten Mauern und starkstromgeladenen Stacheldraht das Gefängnis Kok Lakpath. Auf ein vereinbartes Zeichen öffnet sich uns in der Mauer eine kleine Seitentür. Dahinter werden wir durchsucht und unsere Mikrofone los. Nur ein kleines verstecktes Aufnahmegerät finden die Wärter nicht.
In den für 1000 Häftlinge gebauten Trakten vegetieren 4000 Häftlinge. Die Luft ist zum Schneiden dick. Viele Toiletten sind verstopft, der Geruch von Exkrementen, Schweiß und seit Wochen nicht gewechselten Kleidern macht das Atmen schwer.
"Ich denke, das Hauptproblem ist die Unterbringung","
erzählt uns Choudry Bashir Ahmad.
"'"Als man die Gefängnisse baute, waren sie nur für wenige Gefangene gedacht. Heute sind sie völlig überfüllt. Ich besuche manchmal das Kot Lakphat und auch das Camp-Gefängnis in Lahore. Beide Häuser sind hoffnungslos überbelegt."
Choudry Bashir Ahmad ist Rechtsanwalt der Human-Rights-Society, neben der Human-Rights-Commission die einzige Menschenrechtsorganisation, die regelmäßig Zutritt zu den Strafanstalten in der Provinz Punjab erhält. Die Überbelegung der Zellen hält Choudry Bashir für eine besonders pervertierte Form von Folter mit schwerwiegenden Folgen: Amöbenruhr, Durchfall und Hepatitis sind Dauergast in pakistanischen Gefängnissen - auch in Kok Lakpath.
Merkwürdigerweise ist die Krankenstation gleich links neben dem Haupteingang völlig leer, so leer wie die Medikamentenkammer, in deren Regalen wir nur ein paar Dutzend Packungen Kräutertee entdecken. Den Gefangenen bleibt nichts anderes, als auf Allah zu hoffen und darauf, dass sie wieder einen Tag überstanden haben, der durch nichts anderes als den Ruf des Gefängnis-Muezzins eine Struktur bekommt. Resozialisierungsmaßnahmen sind im pakistanischen Gefängnisalltag nicht vorgesehen.
Immerhin, Präsident Musharraf hat eine neue Gefängnisküche bauen lassen: zwei Herde, drei blitzende Suppenkessel, ein Spülbecken. Der Küchenchef schwärmt von der guten Versorgung und präsentiert uns stolz das heutige Tagesmenü: Tomatensuppe mit drei Eiern und drei Tschapattis, pakistanische Fladenbrote von je 100 Gramm.
Warum dennoch alltäglich hunderte Verwandte mit großen Lebensmitteltüten vor dem Gefängnis auf Einlass warten, bleibt das Geheimnis des Direktors von Kot Lakphat.
"Wir haben unserem Sohn Essen gebracht,"
sagt dieser alte Mann.
"Das, was er hier bekommt, ist viel zu wenig. Seit mehr als zwei Wochen sitzt er nun schon hier ein, seitdem hat er noch nicht ein einziges Mal Obst und Gemüse bekommen."
Der Sohn des Mannes, ein verurteilter Betrüger, hat Glück. Schon in zwei Tagen kann er Kok Lakpath verlassen. Ganz anders als die Insassen einer kleinen Baracke abseits des Hauptgebäudes: In vier Zellen, jede drei Mal vier Meter groß, hausen zurzeit 46 zum Tode Verurteilte. Sie schlafen auf nacktem Beton und ohne Decken. Zu essen gibt es Suppe aus Holznäpfen. Die aber werden nur vor den Zellentüren abgestellt, und die Häftlinge müssen sie mit langen Holzlöffeln durch die Gitter in ihren Mund bugsieren. Derzeit warten rund 7000 Männer und 40 Frauen unter ähnlich unwürdigen Bedingungen in den pakistanischen Gefängnisse auf ihre Hinrichtung. Bei vielen sei völlig unklar, ob sie wirklich schuldig sind, meint Rechtsanwalt Choudry Bashir:
"Wenn ein Mann gehenkt wird, dann können wir niemals sicher sein, ob er die Todesstrafe wirklich verdient hatte. Deshalb ist meine Meinung: Fehler sollten korrigierbar sein: Statt zu töten sollten wir lebenslange Gefängnisstrafen aussprechen."
Wie er, ist auch diese Frau, die wir im Besuchertrakt treffen, strikt gegen die Todesstrafe, allerdings aus ganz anderen Gründen. Ihr Mann Sajad wurde als Totschläger verurteilt.
"Zuerst einmal sollten sie im Gefängnis herausfinden, wer wirklich kriminell und was wirklich geschehen ist. Aber was es auch immer sei, wir sollten akzeptieren, dass auch Kriminelle menschliche Wesen sind und keine Tiere. Auch Verbrecher müssen menschlich behandelt werden."
Ihr Mann, so sagt sie uns später, hätte in Notwehr getötet und sitze nun nur in der Todeszelle, weil ihm das Geld fehle sich seine Freilassung zu erkaufen. Aber noch sind nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Noch habe sie Hoffnung, ihren Mann eines Tages doch wieder in die Arme nehmen zu können.