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Vorkötter hofft auf Verkauf der "Berliner Zeitung" an einen Verlag

Der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, hofft weiterhin, dass statt der britischen Finanzinvestoren ein Verlag die Zeitung übernimmt. Zwar sei der Holtzbrinck-Verlag im Moment gebunden, exklusiv mit dem britischen Konsortium zu verhandeln, sagte Vorkötter. Die Frist dafür laufe jedoch bald aus.

    Koldehoff: Die einen Verlage produzieren Bücher, die anderen Zeitschriften und Zeitungen. Und um einen solchen soll es nun gehen: Der traditionsreiche Berliner Verlag, der vor allem die "Berliner Zeitung" herausgibt, füllt seit einigen Tagen die Medienseiten anderer Blätter. Der Holtzbrinck-Konzern als Eigentümer will den Verlag nämlich an eine britische Investorengruppe verkaufen – und zwar an eine, der es nach eigenem Bekunden weniger um die Medienkultur in Deutschland als um den Profit in Großbritannien geht. Gegen die Übernahme durch diesen Investor unter der Leitung des Medienunternehmers David Montgomery protestieren nun Redakteure und Techniker des Verlages. An ihrer Spitze Chefredakteur Uwe Vorkötter, der in der "Berliner Zeitung" ein flammendes Plädoyer gegen die Briten schrieb und auch drucken ließ. Herr Vorkötter: Gestern Abend gab es eine Betriebsversammlung im "Berliner Verlag" – damit auch neue Erkenntnisse?

    Vorkötter: Nein, es haben sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Michael Grabner, der Geschäftsführer von Holtzbrinck, hat für sein Konzept geworben, also für den Einstieg der britischen Finanzinvestoren. Er hat versucht den Redakteuren klarzumachen, dass dies ein gutes Konzept für die Berliner Zeitung, für den Berliner Verlag ist. Sagen wir mal, das ist nicht richtig gelungen.

    Koldehoff: Das heißt, es gab entsprechende Gegenäußerungen?

    Vorkötter: Es gab einfach kritische Fragen und Vermutungen. Grabner hat eingeräumt, dass er das Konzept der Finanzinvestoren für den Berliner Verlag nicht kennt, inhaltlich nicht kennt. Er sagt, er darf es auch gar nicht kennen aus kartellrechtlichen Gründen, aber das heißt eben andrerseits auch, man müsste jetzt vertrauen auf ein paar Äußerungen, die in Zeitungen zu lesen waren, Menschen aus dem Konsortium, die gesagt haben, sie haben eigentlich nur Gutes vor mit der Berliner Zeitung, aber Journalisten sind ja nicht so ganz leichtgläubig.

    Koldehoff: Was da bei Ihnen im Hause im Moment passiert, ist ja in mehrfacher Hinsicht eigentlich ein einzigartiger Vorgang. Zum einen natürlich die äußeren Umstände, zum ersten Mal versucht eine Investorengruppe, die erklärtermaßen rein finanzielle Interessen hat, ein deutsches Medienunternehmen zu übernehmen. Auf der anderen Seite sind aber doch auch die Reaktionen ganz erstaunlich. Sie sind in der Lage, die gesamte Seite 3 gestern diesem Thema zu widmen, in einem sehr offenen Artikel darzulegen, warum Sie als Chefredakteur der Meinung sind, das sei nicht gut. Sie erfahren Solidarisierung aus der gesamten Medienwelt in Deutschland. Wenn man heute die Gazetten aufschlägt, gibt es eigentlich keinen, der nicht auf Seiten des Berliner Verlages steht. Hat Sie das erstaunt?

    Vorkötter: Dass dieses Echo so fulminant ist, hat mich natürlich auch erstaunt. Es freut mich zunächst mal, denn das zeigt, dass die gesamte Branche erkannt hat, dass dieses die Zeitungen und die Presse in Deutschland insgesamt betrifft. Es ist ja in der Tat diese Grundsatzfrage, sind Zeitungen ein Wirtschaftsgut wie jedes x-beliebige andere auch? Kann man Zeitungshäuser nach ausschließlich finanziellen und Renditegesichtspunkten führen, oder gibt es in Zeitungshäusern auch einen publizistischen Anspruch? Haben wir auch einen Verfassungsauftrag? Ja, wir haben den, und wir genießen die Pressefreiheit, nicht damit wir nur Renditen garantieren, sondern damit wir unsere Leser informieren, damit wir sie an der Meinungsbildung beteiligen. Dieser Auftrag, den soll man erfüllen im wirtschaftlich gesunden Unternehmen, und es spricht überhaupt nichts dagegen, dass Zeitungshäuser Renditen erwirtschaften, aber es ist eine Frage der Prioritäten, die Frage, geht es nur um Renditen? Und darum darf es nicht nur gehen.

    Koldehoff: "Es steht zu befürchten", haben Sie im eigenen Blatt, in der Berliner Zeitung geschrieben, dass wir Abstriche am Angebot der Berliner Zeitung und an ihrem publizistischen Profil machen müssten". Was konkret befürchten Sie?

    Vorkötter: Finanzinvestoren, mit denen wir es jetzt hier zu tun haben, garantieren den Leuten, die ihnen das Geld zur Verfügung stellen, ihren Anlegern Renditen, die in der Größenordnung von 20 Prozent und mehr liegen. Auf dem Berliner Zeitungsmarkt solche Renditen zu erzielen, ist aus meiner Sicht ein Ding der Unmöglichkeit, es sei denn, man macht eine Zeitung kleiner, man verzichtet auf das publizistische Profil, das diese Zeitung hat. Man muss noch dazu sagen, wir sind die Zeitung, die auf diesem Berliner Markt in den letzten drei Jahren erfolgreich gewesen ist. Wir haben uns wirtschaftlich saniert. Wir sind publizistisch erfolgreich. Die Zeitung kommt aus dem Osten, sie erobert sich konsequent den Westmarkt. Wir werden in wenigen Jahren die einzige und erste gesamtdeutsche Zeitung sein im eigentlichen Sinne, weil unsere Leserschaft auf Ost und West 50-50 verteil sein wird. Das ist der Prozess, in dem wir sind, und ich setze mich dafür ein, dass dieser Prozess nicht gestoppt wird, sondern dass wir in verlegerische Hände kommen, die mit uns dieses Konzept weiterführen.

    Koldehoff: Es hat gestern geheißen, dass es durchaus Alternativen zu dieser britischen Investorengruppe gäbe. Die Rede war vom Kölner DuMont-Verlag, die Rede war vom WAZ-Konzern, von einer norwegischen Gruppe. Wie sind denn die Gespräche weitergegangen?

    Vorkötter: Ich hoffe, dass es zu solchen Gesprächen über diese Finanzgruppe hinaus noch kommen wird. Der Michael Grabner, der Vertreter von Holtzbrinck, hat uns gestern erklärt, dass Holtzbrinck im Moment gebunden ist, exklusiv mit den Finanzinvestoren verhandelt. Da gibt es eine Frist, die läuft aus, und dann wird man sehen, wie weit Gespräche auch mit anderen möglich sind. Wir hoffen auf diese Gespräche. Es kommt uns im Übrigen überhaupt nicht darauf an, ob das ein Verlag ist, der aus dem Inland oder aus dem Ausland kommt. Es geht bei unserer Kritik an diesen britischen Finanzinvestoren um deren konkretes Konzept.