Die Internationale erkämpft das Menschenrecht. Dass es aber ausgerechnet die "Situationistische Internationale" sein würde, die für das Menschenrecht auf Poesie im Alltag beziehungsweise auf die Verschmelzung, das Einswerden von Kunst und Leben kämpfen würde, das wäre den Parteikommunisten nicht in den Sinn gekommen. Guy Debord, der Cheftheoretiker der Bewegung, formulierte Komplett-Verweigerung und Total-Anspruch in einem Film:
"Alles Leben (im kapitalistischen System, muss man ergänzen) ist zum bloßen Spektakel, zur Repräsentation, zum entfremdeten Schein geworden. Diese Art der Verdinglichung müsse beendet werden - durch kollektive Kunstproduktion. Der Künstler nicht mehr als Star, sondern wir alle als Lebens-Künstler."
Bevor die Situationisten 1957, mitten im existentialistischen Boom, ihre Theorien verkündeten, hatten Surrealismus und Dada den Boden bereitet, hatten Lettristen und Lautpoeten und die weltkriegsgeschädigten Asche-Maler der Künstlergruppe "CoBrA" einen Protest formuliert, der auf die Zerschlagung aller Sinnzusammenhänge aus war.
Mit den Situationisten betraten nun künstlerische Untergrund-Rebellen die Szene, die - in den muffigen 50iger Jahren - spaßeshalber die Sprengung des Eiffelturms androhten, andererseits - ausgerechnet - durch "internationale Kongresse" die Weltgeschichte vorwärtspushen wollten. "Ne travaillez pas" - arbeitet nicht, empfahl Guy Debord als erste Maßnahme auf einem Grafitto.
Was hat so eine Bewegung im Museum zu suchen? Will man ihnen -posthum - durch Lorbeerkränze den Garaus machen? Nein, man will die weithin Unbekannten überhaupt erst mal einem Publikum nahe bringen, sagt Kurator Juri Steiner:
"Man kann Zeitgeist vermitteln, wie komisch und unsinnlich diese 60iger Jahre waren, wie hart und rau und unerbittlich dieser Guy Debord war und seine 93 Thesen gebetsmühlenartig wie ein Guru rüberbringt. Das ist wunderbar, weil es Atmosphäre schafft."
Die überraschend umfassende Basler Ausstellung zeigt Vorläufer und Nachwehen, Höhepunkte und Absacker, viel kollektiv produzierte abstrakt-expressionistische Malerei, unter Anleitung von Asger Jorn hergestellte Plastiken mythischer Wesen, mit denen man Anschluss an die Volkskunst suchte, Zeitschriften, Pamphlete, Plakate, Protokolle, Filme. Zur Eröffnung war sogar eine Ex-Aktivistin da, eine beeindruckende ältere Dame mit Reibeisenstimme, die Amsterdamer Künstlerin Jacqueline de Jong.
"Man tut jetzt (so), als ob die einzig wichtige Figur Guy Debord war...aber die Bewegung, wo ich dabei war, war das eine internationale und sehr gemischte Bewegung, die die Welt ändern wollte in einen Homo Ludens..."
Der Homo ludens, der spielende Mensch war die gesellschaftliche Utopie dieser Bewegung, die selber gleichwohl wie ein stalinistisches Zentralkomitee agierte und immer wieder abweichlerische Mitglieder ausschloss - zum Beispiel 1962 die deutsche Gruppe "Spur", der der spätere Berliner "Kommune 1"-Gründer Dieter Kunzelmann angehörte.
Als Haupt-Methode galt den Situationisten das "Umherschweifen" und Verwirrung stiften, Plätze und Kneipen theatralisch aufzumischen, die Stadt als Experimentierraum zu nutzen - subversive Strategien, die später von Fluxus und Pop-Art, aber vor allem von der Studentenbewegung und den Punks aufgegriffen wurden. Kaufhaus-Demonstrationen und Pudding-Attentate, Teach-Ins uns Sit-Ins - die Situationisten hatten all das vorausgedacht.
Der kraftvolle situationistische Wunsch nach der Einheit von Kunst und Leben, der uns heute manchmal so naiv anmutet, packt 1968 also weite Teile der studierenden Jugend, die damals noch eine Jugend war ... - und nach dieser unverhofften Klimax bricht die situationistische Bewegung zusammen, 1972 löst sie sich auf.
Die luftigen, spielerischen Architekturmodelle des Holländers Constant aber geben Auskunft, was man sich in der Gruppe unter nicht-funktionalistischer Stadtplanung, unter einem "New Babylon" vorstellte. Zu den schönsten Zeugnissen situationistischen Treibens gehören eine mit diversen Treffern versehene de-Gaulle-Maske, auf die man schießen konnte, übermalte Madonnen und die zweckentfremdeten Comics und Pin-ups, die mit subversiven Sprechblasen versehen wurden.
Die Ausstellung hat aus der zersplitterten Geschichte dieser Bewegung ungemein viel zusammengetragen - sie ist, von ihrer Anmutung her, wohl so ähnlich wie einer der sorgsam dokumentierten Situationisten-Kongresse: ein großes internationales Stimmengewirr. Kurator Juri Steiner:
"Sie haben Tondokumente gemacht aus protokollarischen Gründen, da waren sie auch sehr steif und rigid. Und es ist lustig, wenn Sie sich das anhören: es ist ja ein Sprachengewirr. Das gibt es immer wieder eine deutsche Stimme, die sagt: könnte jetzt die skandinavische Fraktion etwas dazu sagen? Die Skandinavier verstehen gar nicht, was der Deutsche sagt. Und die Franzosen hören schon gar nicht hin, wenn der Deutsche redet. Es ist schon absurd, es hat etwas Surrealistisches. Aber nur für uns. Ich glaube, das war sehr ernst und sehr bewusst und radikal. Die wollten irgendetwas rausfinden mit diesen Kongressen. Aber fragen Sie mich nicht was..."
"Alles Leben (im kapitalistischen System, muss man ergänzen) ist zum bloßen Spektakel, zur Repräsentation, zum entfremdeten Schein geworden. Diese Art der Verdinglichung müsse beendet werden - durch kollektive Kunstproduktion. Der Künstler nicht mehr als Star, sondern wir alle als Lebens-Künstler."
Bevor die Situationisten 1957, mitten im existentialistischen Boom, ihre Theorien verkündeten, hatten Surrealismus und Dada den Boden bereitet, hatten Lettristen und Lautpoeten und die weltkriegsgeschädigten Asche-Maler der Künstlergruppe "CoBrA" einen Protest formuliert, der auf die Zerschlagung aller Sinnzusammenhänge aus war.
Mit den Situationisten betraten nun künstlerische Untergrund-Rebellen die Szene, die - in den muffigen 50iger Jahren - spaßeshalber die Sprengung des Eiffelturms androhten, andererseits - ausgerechnet - durch "internationale Kongresse" die Weltgeschichte vorwärtspushen wollten. "Ne travaillez pas" - arbeitet nicht, empfahl Guy Debord als erste Maßnahme auf einem Grafitto.
Was hat so eine Bewegung im Museum zu suchen? Will man ihnen -posthum - durch Lorbeerkränze den Garaus machen? Nein, man will die weithin Unbekannten überhaupt erst mal einem Publikum nahe bringen, sagt Kurator Juri Steiner:
"Man kann Zeitgeist vermitteln, wie komisch und unsinnlich diese 60iger Jahre waren, wie hart und rau und unerbittlich dieser Guy Debord war und seine 93 Thesen gebetsmühlenartig wie ein Guru rüberbringt. Das ist wunderbar, weil es Atmosphäre schafft."
Die überraschend umfassende Basler Ausstellung zeigt Vorläufer und Nachwehen, Höhepunkte und Absacker, viel kollektiv produzierte abstrakt-expressionistische Malerei, unter Anleitung von Asger Jorn hergestellte Plastiken mythischer Wesen, mit denen man Anschluss an die Volkskunst suchte, Zeitschriften, Pamphlete, Plakate, Protokolle, Filme. Zur Eröffnung war sogar eine Ex-Aktivistin da, eine beeindruckende ältere Dame mit Reibeisenstimme, die Amsterdamer Künstlerin Jacqueline de Jong.
"Man tut jetzt (so), als ob die einzig wichtige Figur Guy Debord war...aber die Bewegung, wo ich dabei war, war das eine internationale und sehr gemischte Bewegung, die die Welt ändern wollte in einen Homo Ludens..."
Der Homo ludens, der spielende Mensch war die gesellschaftliche Utopie dieser Bewegung, die selber gleichwohl wie ein stalinistisches Zentralkomitee agierte und immer wieder abweichlerische Mitglieder ausschloss - zum Beispiel 1962 die deutsche Gruppe "Spur", der der spätere Berliner "Kommune 1"-Gründer Dieter Kunzelmann angehörte.
Als Haupt-Methode galt den Situationisten das "Umherschweifen" und Verwirrung stiften, Plätze und Kneipen theatralisch aufzumischen, die Stadt als Experimentierraum zu nutzen - subversive Strategien, die später von Fluxus und Pop-Art, aber vor allem von der Studentenbewegung und den Punks aufgegriffen wurden. Kaufhaus-Demonstrationen und Pudding-Attentate, Teach-Ins uns Sit-Ins - die Situationisten hatten all das vorausgedacht.
Der kraftvolle situationistische Wunsch nach der Einheit von Kunst und Leben, der uns heute manchmal so naiv anmutet, packt 1968 also weite Teile der studierenden Jugend, die damals noch eine Jugend war ... - und nach dieser unverhofften Klimax bricht die situationistische Bewegung zusammen, 1972 löst sie sich auf.
Die luftigen, spielerischen Architekturmodelle des Holländers Constant aber geben Auskunft, was man sich in der Gruppe unter nicht-funktionalistischer Stadtplanung, unter einem "New Babylon" vorstellte. Zu den schönsten Zeugnissen situationistischen Treibens gehören eine mit diversen Treffern versehene de-Gaulle-Maske, auf die man schießen konnte, übermalte Madonnen und die zweckentfremdeten Comics und Pin-ups, die mit subversiven Sprechblasen versehen wurden.
Die Ausstellung hat aus der zersplitterten Geschichte dieser Bewegung ungemein viel zusammengetragen - sie ist, von ihrer Anmutung her, wohl so ähnlich wie einer der sorgsam dokumentierten Situationisten-Kongresse: ein großes internationales Stimmengewirr. Kurator Juri Steiner:
"Sie haben Tondokumente gemacht aus protokollarischen Gründen, da waren sie auch sehr steif und rigid. Und es ist lustig, wenn Sie sich das anhören: es ist ja ein Sprachengewirr. Das gibt es immer wieder eine deutsche Stimme, die sagt: könnte jetzt die skandinavische Fraktion etwas dazu sagen? Die Skandinavier verstehen gar nicht, was der Deutsche sagt. Und die Franzosen hören schon gar nicht hin, wenn der Deutsche redet. Es ist schon absurd, es hat etwas Surrealistisches. Aber nur für uns. Ich glaube, das war sehr ernst und sehr bewusst und radikal. Die wollten irgendetwas rausfinden mit diesen Kongressen. Aber fragen Sie mich nicht was..."