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Vorläufig keine Entwarnung

Handystrahlung sorgt seit Jahren für heftige Diskussion. Jetzt hat die französische Behörde für Gesundheitsfragen in Umwelt und am Arbeitsplatz die verfügbaren Studien gesichtet. Ihr Fazit: Es muss mehr geforscht werden, denn die Ergebnisse sind nicht widerspruchsfrei.

Von Suzanne Krause | 16.10.2009
    Eine Weltpremiere sei ihre Expertise, verkünden die Verantwortlichen der Afsset, der staatlichen französischen Einrichtung zu Gesundheitsfragen in der Umwelt und am Arbeitsplatz. Denn zugrunde liegen ihr insgesamt 3500 Veröffentlichungen zum Thema Strahlung im Hochfrequenzbereich. Hauptsächlich zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen durch Mobilfunk. Eine Expertenkommission siebte die Arbeiten nach strengen Kriterien aus. Als da wären: der Versuch muss wiederholbar sein. Und die Messdaten müssen physikalisch haltbar sein. Übrig blieben 80 wissenschaftliche Arbeiten. 69 kommen zum Schluss: Handystrahlung habe keine nachweisbaren Auswirkungen auf die Gesundheit. Elf Studien jedoch weisen auf gesundheitsschädliche Folgen hin. Afsset-Direktor Martin Guespereau

    "Mit unserer Expertise kommen wir zu einem Schluss: es gibt gesundheitliche Auswirkungen, die nicht zu leugnen sind. Als da wären: die Funktionsweise der Zellen, der Mechanismus des programmierten Zelltods. Der Blutfluss im Gehirn, bestimmte Gehirntumoren. All das könne von Handystrahlung beeinflusst werden, sagen einige Studien, die heute noch recht isoliert dastehen. Die Forschung muss diesbezüglich weiterarbeiten, um mögliche Aktionsmechanismen aufzudecken, die damit verbunden sind."

    Aber schon jetzt will die Afsset aktiv werden und Empfehlungen ausarbeiten. Beispielsweise mit dem Erstellen einer Prioritätenliste für die künftige Forschung. Erstes Schlagwort: die Teams sollten interdisziplinär besetzt sein. Und auf jeden Fall Physiker enthalten, um eine genauere Strahlenmessung zu gewährleisten. Guespereau:

    "Man sollte vor allem auf epidemiologische Studien setzen, das scheint uns sehr erfolgversprechend als Ansatz. Und sich dabei grossen Kohortenstudien anschliessen, die schon laufen oder noch in Vorbereitung sind. Da sollte es auch um den Einfluss der elektromagnetischen Strahlung gehen. Darüber hinaus sollte mehr erforscht werden, wie sich Elektrosmog auf Kinder auswirkt. Oder auch auf die Fortpflanzung."

    Im Rahmen der Expertise hat auch ein Team vom Unikrankenhaus in Besançon Feldforschung betrieben. 400 Versuchspersonen wurden mit einem tragbaren Messgerät ausgestattet. Bestimmt wurde dabei das Hochfrequenz-"Wellenbad", das sie tagtäglich umspült. Die stärkste Strahlenquelle: Handys. Gefolgt von schnurlosen Telefonen und Mikrowellenherden. Diese Messmethode der individuellen Strahlendosis gilt den Afsset-Verantwortlichen als zukunftsweisend. Bislang völlig ungeklärt sei die Frage, ob sich die Strahlendosen aus unterschiedlichen Quellen im Körper akkumulieren und ob dies negative Auswirkungen hat. Auch da brauche es dringend mehr wissenschaftliche Arbeiten. Aus diesem Grund empfiehlt Martin Guespereau: die Strahlenquellen sollen möglichst gering gehalten oder gemacht werden. Er regt beispielsweise an, eine Karte der Mobilfunkantennen zu erstellen. In Frankreich gibt es schätzungsweise 70.000. Sein Ziel: Strahlenquellen, die die Bevölkerung gefährden könnten, besser zu überwachen. Sein Leitmotiv: wo irgend möglich, modernste Technologie einsetzen, um die potentielle Gefahr so gering wie möglich zu halten.

    "Unsere Empfehlung: Handys nutzen, die über den besten Strahlenschutz verfügen. Heute gibt es im Laden schon Handys, die zehnmal mehr Strahlung absorbieren als der Durchschnitt. Warum sollte man auf diesen Schutz verzichten ? Bislang mangelt es diesbezüglich noch an einer klaren Warenetikettierung. Da sollte was getan werden, damit der Käufer auf den ersten Blick erkennt, welche Strahlenschutzabsorption das Handy leistet."

    Dass man Kindern besser kein Handy zur Hand gebe, versteht sich für den Afsset-Direktor von selbst. Und am besten sollte man auch das Mobilfunktelefon nachts ausmachen. Und nicht neben dem Bett liegen lassen.