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Vorlesung im Wohnzimmer

Eine Universität ohne lästige Präsenzpflicht, mit etwas freierer Zeitgestaltung ist der Wunsch vieler Bachelor-Studierenden. E-Learning kann da Abhilfe schaffen, denn so können Vorlesungen zu jeder beliebigen Zeit angeschaut werden.

Von Thomas Matsche | 25.09.2009
    Vieles ist neu am Leipziger Campus. Genau das richtige Ambiente für zukunftsorientierte Themen, die auf der diesjährigen Kanzlerinnen- und Kanzler-Jahrestagung besprochen werden. Rund 100 Kollegen aus ganz Deutschland diskutieren vier Tage lang unter anderem über Campusmanagement und moderne IT-Strukturen an den Universitäten. Aber nicht nur, sagt Doktor Frank Nolden, Kanzler der Universität Leipzig.

    "IT meint dabei nicht nur so sehr die Beschäftigung mit Bits und Bytes im Sinne von Informatik, sondern die Beschäftigung mit ziemlich komplexen Prozessen in einer Universität im Rahmen von Forschung, Lehre und Weiterbildung."

    E-Learning ist das Stichwort - dezentrale Wissensvermittlung. Das wird in Anfängen bereits an den Universitäten praktiziert.

    So stellt Heinz-Werner Wollersheim, Professor für Pädagogik an der Universität Leipzig, seine Vorlesungen ins Internet. Zu jeder Zeit und an jedem Ort können die Studierenden die Vorlesung im Netz verfolgen und beliebig wiederholen.

    Der Bereich der Internetvorlesungen ist aber nur ein Teil des E-Learning. Viel wichtiger sind Lernplattformen. In Leipzig sind bei der zentralen Lernplattform "moodle" die Hälfte der Studierenden angemeldet und derzeit ungefähr 25.000 Dokumente online abrufbar.

    Leipzig hat trotzdem, wie die meisten sächsischen Hochschulen, einen gewaltigen Nachholbedarf im Bereich E-Learning. Andere Hochschulen wie die Technische Universität Berlin haben da schon mehr Erfahrung gesammelt.

    Seit zwölf Jahren arbeiten die Berliner an E-Learning Projekten. An der TU wird versucht, eine virtuelle Forschungslandschaft aufzubauen, berichtet Doktor Ulrike Gutheil, stellvertretende Bundessprecherin der Kanzler und Kanzlerinnen und gleichzeitig Kanzlerin der Technischen Universität Berlin.

    ""Sie müssen sich vorstellen, bei einem Exzellenzcluster, wo ja viele Wissenschaftler auch vernetzt arbeiten, versuchen diese interdisziplinär einen Versuchsstand aufzubauen im Netz und den einfach an den Kollegen weiterzugeben - und der an der Stelle weiterarbeiten kann, ohne dass er an die Uni kommen muss.”"

    Dass jedoch komplette Studiengänge online absolviert werden können, steht in naher Zukunft auch in Berlin nicht an. E-Learning soll wie an der Universität Leipzig das Präsenzstudium ergänzen. Drei Studiengänge werden in Leipzig derzeit entwickelt, aber das ist teuer und langwierig, sagt Michael Gerth, Leiter der E-Learning Abteilung an der Universität Leipzig.

    ""Da muss man mit Zeiten rechnen: ein, zwei Jahre. Und dann mehrere Autoren, die das erstellen. Und teuer heißt dann, das sind Dimensionen von mehreren 100.000 Euro. Das heißt, da sind die Kapazitäten der Hochschule begrenzt. Und eigentlich läuft es darauf hinaus, dass es auch Studiengänge sind, die dann am Ende für die Studierenden etwas kosten werden. Und das funktioniert in der Regel nur über riesige Vorfinanzierungen, über Fördermittel.”"

    Das Land Sachsen fördert die Ausweitung der Aktivitäten beim internetbasierten Lernen mit einer Million Euro im Jahr. Diesen Betrag müssen sich alle sächsischen Hochschulen allerdings teilen, beklagt Michael Gerth. Von 80-Millionen-Euro-schweren Investitionen im Bereich E-Learning, wie an der Stanford University, können deutsche Hochschulen nur träumen. An der Universität Leipzig werden aber nicht nur wegen des geringen Budgets keine großen Visionen vom E-Learning entwickelt, sagt Universitätskanzler Doktor Frank Nolden:

    ""Dafür drängen uns andere Probleme zu sehr, wie etwa Bologna mit der Umstellung der Studienstruktur oder Raumfragen. Mich insbesondere drängen Finanzfragen, die Diskussion über die Fortsetzung der Hochschulvereinbarung mit der neuen Staatsregierung. Also wer wird unser Partner sein, also mit wem haben wir da umzugehen, welchen Willen entwickelt das Regierungspersonal uns gegenüber.”"

    Die technischen Voraussetzungen seien zwar geschaffen, bis E-Learning jedoch optimal eingesetzt werden könne, werde es noch ein paar Jahre dauern. Bis dahin werden die Studierenden noch persönlich in die Hörsäle gehen müssen.