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Vorsicht bei der Pille

Medizin. – Hormone, die man schluckt, scheinen bestimmte Krebsarten anzuspornen. Das gilt nicht nur für die Therapien, die Frauen in den Wechseljahren häufig mitmachen, sondern auch in gewissem Umfang für die Antibaby-Pille. Analysen der Internationalen Agentur für Krebsforschung in Lyon diesen Verdacht jetzt bestätigt.

Von Grit Kienzlen |
    Den Verdacht hegten Mediziner schon lange, dass die Hormone bestimmte Krebsarten, vor allem den Brustkrebs anheizen. Die Vermutung lag nahe, da viele Brusttumore unter dem Einfluss weiblicher Hormone besser wachsen. Doch den Beweis zu führen war schwierig. Nun hat ein Team der Internationalen Krebsforschungsagentur in Lyon, die 60 wichtigsten Studien zu dem Thema aus den vergangenen sieben Jahren unter die Lupe genommen. Zunächst zur Hormontherapie in den Wechseljahren. Vincent Cogliano, Leiter der Analyse:

    "Wir glauben heute, dass die vorliegenden Studien ausreichend übereinstimmen, damit wir sagen können: Die Hormontherapie in den Wechseljahren erhöht das Krebsrisiko. Sie erhöht das Risiko für Brustkrebs und auch das für den Krebs der Gebärmutterschleimhaut, je nachdem wie viel Progestogene gleichzeitig noch gegeben werden."

    Sind Progestogene an mehr als zehn Tagen des Monats in dem Präparat enthalten, sinkt das Risiko für Endometriumskrebs, also Krebs der Gebärmutterschleimhaut. Weil die Mediziner um diesen Zusammenhang wussten, setzen sie den Östrogenpräparaten seit Mitte der 70er Jahre Progestogen zu. Sie wollten die Frauen vor Endometriumskrebs schützen. Das gelang zwar, aber wie sich nun zeigt, steigt das Brustkrebsrisiko mit dem zugesetzten Progestogen noch weiter und das Herzinfarktrisiko nimmt ebenfalls zu. Es scheint, als könnten die Frauen nicht ungestraft in ihren Hormonhaushalt eingreifen. Auch die Anti-Baby-Pillen haben negative Auswirkungen auf das Krebsrisiko, allerdings gibt es hier ebenso positive Effekte. Cogliano:

    "Als wir uns 1998 zum letzten Mal die vorhandenen Studien dazu angesehen haben, fanden wir zwar ein Krebsrisiko durch hormonelle Verhütungsmittel. Aber die einzige Krebsart, die häufiger auftrat, war Leberkrebs. Und Leberkrebs ist trotzdem selten. Unsere Bewertung der seither veröffentlichten Studien ergibt nun, dass nicht nur Leberkrebs, sondern auch Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs häufiger auftreten. Gleichzeitig sinken die Raten von Eierstock- und Endometriumskrebs durch die Pilleneinnahme."

    100 Millionen Frauen auf der Welt schlucken die Anti-Baby-Pille. Hormontherapien in den Wechseljahren machten im Jahr 2000 noch 20 Millionen Frauen in den entwickelten Ländern mit. Vor allem die will Vincent Cogliano mit seinen Ergebnissen alarmieren. Denn unter jungen Frauen, die die Pille schlucken, sind Brust- oder Gebärmutterhalskrebs noch recht selten. Verdoppelt sich ihr Risiko, dann sind immer noch relativ wenige betroffen. Und nach dem Absetzen der Pille fällt das Risiko in den Folgejahren wieder auf Null.

    Anders sieht das bei den Frauen nach den Wechseljahren aus. Ihr Krebsrisiko ist ohnehin hoch. Je länger sie Hormonpräparate schlucken, desto stärker steigt ihr Risiko. Bei fünf Jahren Einnahme liegt es etwa doppelt so hoch wie normal. Aber Cogliano will diese Zahl nicht überbewertet wissen:

    "Die Leute sollten sich nicht fixieren auf dieses verdoppelte Risiko. Eine Frau, die zehn Jahre Hormone geschluckt hat, sollte nicht glauben, ihr Risiko sei nur verdoppelt, wahrscheinlich ist es noch viel größer. Andererseits, wenn eine Frau mit sehr schweren Wechseljahrsbeschwerden für sechs Monate eine Hormontherapie machen möchte, dann ist ihr Risiko viel weniger als verdoppelt. Der wichtigste Einflussfaktor ist wirklich die Länge der Einnahme."

    Vincent Cogliano rät deshalb nicht rund heraus von Hormontherapien ab. Nur so viel:


    "Eine jahrelange Hormontherapie nach den Wechseljahren ist keine gute Idee. Die Behandlung sollte nur der Verminderung der Wechseljahrsbeschwerden dienen aber keine Dauerbehandlung sein."

    Ähnliches gilt für die Anti-Baby-Pillen. Nutzen und Risiken müssen Frauen und Ärzte sorgfältig abwägen.