Archiv


Vorsorge für Pandemie

Medizin. - US-Wissenschaftler haben einen neuen Impfstoff entwickelt, der gegen Grippe-Pandemien helfen könnte, so die medizinische Fachzeitschrift "LANCET" in ihrer aktuellen Ausgabe. Wie bei der Gentherapie wird ein harmloses Schnupfenvirus als Transportmittel genommen, in das sie Teile von H5N1 packen. Die Versuche mit Mäusen sind so weit, dass die Forscher noch in diesem Jahr mit Tests bei Menschen beginnen wollen.

Von William Vorsatz |
    Das H5N1-Vogelgrippevirus ist so gefährlich, weil es auch vor Menschen und verschiedenen anderen Tierarten nicht halt macht. In den Versuchslabors von Atlanta in den Vereinigten Staaten gibt es allerdings Mäuse, denen können die aggressiven Viren nichts mehr anhaben. Sie hatten zuvor eine neuartige Schutzimpfung bekommen. Selbst gefährliche Mutationen der H5N1-Viren führten bei ihnen nicht mehr zum Ausbruch der Grippe. Keines der rund 75 Versuchstiere ist bisher an der Vogelgrippe gestorben. Prakash Sambhara von den Centers for Disease Control in Atlanta:

    "Der Impfstoff, den wir haben, ist von einer Version des Virus von 1997. Wir haben den für den Impfstoff genommen. Und wir haben ihn dann wieder getestet mit dem Virus von 2003, der anders ist, und mit dem Virus von 2004, der total verschieden ist. Und wir erreichten den Schutz. Einen wirksamen Schutz. Deshalb glauben wir fest daran, dass dieser Impfstoff auch beim Menschen wirken wird. Selbst wenn der Virus sich bei einer pandemischen Ausbreitung wandelt."

    Warum aber sind Wissenschaftler nicht schon früher auf die Idee gekommen, die Methoden der Gentherapie auch für den Grippeschutz zu nutzen? Es war eher eine Nebenüberlegung, welche die Forscher auf den neuen Weg führte. Sollte sich eine Grippepandemie ausbreiten, dann würden zum Anzüchten von Proteinen für Grippeschutzmedikamente plötzlich Millionen von befruchteten Hühnereier gebraucht werden. Wenn ein neues, dem Menschen gefährliches Virus aber von einem Vogelgrippevirus abstammt, dann wäre damit zu rechnen, dass auch das Geflügel betroffen ist und gesunde Hühnereier in diesem Moment knapp werden würden. Außerdem: bis das Medikament für den massenhaften Grippeschutzbereit stände, könnte sich das aggressive Virus schon wieder verändert haben und würde den Grippeschutz umgehen. Also musste eine Methode gefunden werden, bei der die Pharmafirmen auf Hühnereier verzichten können und der Grippeschutz breiter wirkt. Professor Suresh Mittal von der Purdue University in Lafayette, USA:

    "Wir haben ein gewöhnliches Erkältungsvirus benutzt, Adenovirus genannt. Und in dieses Virus fügten wir das Gene für Hämagglutinin ein. Dieses Hämagglutinin ist eines der Proteine, das an der Oberfläche des H5N1 Virus wirkt. So haben wir ein Protein von der Oberfläche das Virus in ein ungefährliches Erkältungsvirus gepackt und dieses Virus als Impfstoff genutzt. Also dient das gewöhnliche Erkältungsvirus als Transportsystem für das Protein der Vogelgrippe."

    Wenn das Gentaxi aus Adenoviren nun Hämagglutinin vom Subtyp 5, also H5, in den Körper transportiert hat, reagiert der anders als bei normalen Grippeschutzimpfungen. Herkömmliche Immunisierungen aktivieren die Antikörper im Blut. Bei den nun geimpften Mäusen waren jedoch kaum mehr Antikörper gegen H5N1 im Blut als normal. Diese Mäuse sind immun geworden, weil ihre zelluläre Abwehr, also die T-Zellen, aktiviert wurden. Diese Fresszellen zerstören die eigenen befallene Zellen und zerstören dadurch die Viren in ihnen. Eine so aktivierte Abwehr ist jedoch auch gegen andere Subtypen des Grippevirus wirksam, wie die amerikanischen Wissenschaftler mit ihren Versuchen belegen konnten. So muss mit der Produktion des Impfstoffs nicht gewartet werden, bis das Virus für den Menschen gefährlich wird. Der Impfstoff lässt sich preiswert herstellen und länger lagern als anders als die bisher produzierten Präparate. Noch in diesem Jahr wollen die Wissenschaftler mit Tests an Menschen beginnen. Sollte schon vorher eine Grippepandemie ausbrechen, könnten die Forscher den gentechnisch hergestellten Impfstoff sofort für die Massenproduktion bereitstellen.