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Vorteilhafter Vogelfraß

Biologie. - Wenn Vögel Früchte, Schoten und Beeren fressen, machen sie das wegen des nahrhaften Fruchtfleisches. Die davon umhüllten Samen können sie meistens nicht verdauen. Sie verschleppen sie aber als Fracht im Darm und verteilen sie mit ihren Ausscheidungen in der Landschaft. Bisher glaubten Biologen, dass Vögel vor allem als Verbreitungshelfer eine wichtige Rolle für die Pflanzen spielen. US-Ökologen haben jetzt aber noch andere positive Effekte einer Darmpassage für die Samen entdeckt.

Von Lucian Haas |
    Wenn Vögel Samen fressen, scheiden sie diese häufig unverdaut an anderer Stelle wieder aus. Für die Pflanzen bringt das durchaus Vorteile. So können sie neue Lebensräume erobern.

    "Eine neue Pflanze profitiert davon, abseits ihrer Elternpflanze zu wachsen. Aber vielleicht ist das noch nicht die ganze Geschichte für alle Pflanzen."

    Evan Fricke ist Ökologe an der University of Washington in Seattle. Schon länger fragte er sich, ob die Passage durch den Darm der Vögel den Samen nicht noch anderen Nutzen bringt. Um das herauszufinden machte er Experimente. Er verfütterte kleine Schoten der in Südbolivien verbreiteten Paprika-Art Capsicum chacoense an Vögel und führte an den später ausgeschiedenen Samen verschiedene Analysen durch. Dabei fielen ihm einige Veränderungen auf, die sich positiv auf die Keimrate der Samen auswirken.

    "Eine bedeutende Folge scheint zum einen die Entfernung von Pilzsporen zu sein. Man kann die Pilzbelastung der Samen messen, nachdem sie den Darm eines Vogels passiert haben, und das mit Samen vergleichen, die nicht verdaut wurden. Auf den Samen aus dem Darm sind viel weniger Pilze zu finden, was dazu führt, dass sich die Überlebensrate der Samen nahezu verdoppelt."


    Evan Fricke stellte auch fest, dass die vorverdauten Samen keinen typischen Eigengeruch mehr verströmen. Dadurch werden weniger Fressfeinde wie beispielsweise Ameisen angelockt. In den Experimenten steigerte auch dieser Effekt den Keimungserfolg der Samen auf das Doppelte. Der Forscher verglich diese Ergebnisse mit anderen Versuchen, bei denen er Samen einfach nur in größerer Entfernung zu den Elternpflanzen keimen ließ. Den Erwartungen nach sollte sich das ebenfalls positiv auswirken, weil die Jungpflanzen dann nicht direkt den gleichen Schädlingen ausgesetzt wären, mit denen ihre Eltern schon zu kämpfen haben.

    "Dabei gab es überhaupt keinen Vorteil. Zumindest für die Capsicum-Pflanzen in unserer Studie war der Einfluss der Vögel auf die Beschaffenheit der Samen viel wichtiger."

    Für Ökologen seien solche zuvor nicht bedachten Wirkungen sehr spannend, sagt Evan Fricke.

    "Allein die Vorstellung, dass etwas so einfaches, wie es der Vogel hier macht, so weitreichende Konsequenzen hat: Der Verzehr der Samen beeinflusst nicht nur, wo eine Pflanze wächst, sondern auch, wie stark sie mit Krankheitserregern belastet ist oder wie häufig sie von anderen Tieren gefressen wird."

    Solche Zusammenhänge lassen die Bedeutung der Vögel für die Ökosysteme in einem neuen Licht erscheinen.

    "Ich erforsche auch, welche Folgen es hat, wenn Vögel verschwinden. Das ist ein großes Problem für den Naturschutz. Überall auf der Welt gehen die Vogelpopulationen als Verbreiter von Pflanzensamen zurück. Die neuen Erkenntnisse liefern uns noch mehr Gründe, warum es mit Blick auf gesunde Wälder und die Biodiversität der Pflanzen wirklich wichtig ist, die Vögel zu erhalten. Denn sie nützen den Pflanzen auf manche Weisen, von denen wir möglicherweise noch gar nichts wissen."