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Vorwürfe gegen Belarus
Lukaschenko winkt Flüchtlinge in die EU durch

Flüchtlinge aus Irak, Syrien, Gambia, Mali und anderen Ländern kommen über Reisebüros und per Flugzeug nach Minsk. Von Belarus geht es nach Litauen und in andere EU-Länder. Litauens Ex-Verteidigungsministerin spricht von einem hybriden Krieg, den Lukaschenko, Russlands Geheimdienste und Schlepper organisierten.

Von Sabine Adler |
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko bei einer Parade am Unabhängigkeitstag. (2016)
Präsident Lukaschenko lässt Flüchtlinge in die EU: "Wenn jemand denkt, dass wir zu einem Sammelbecken werden für Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Irak, Libyen, Syrien, Tunesien und noch tiefer aus Afrika, dann hat er sich zumindest geirrt." (Nikolai Petrov/BelTA/TASS)
Litauen liegt nicht auf den klassischen Flüchtlingsrouten und die Asylsuchenden, die jetzt in großen Gruppen kommen, stammen nicht wie sonst vor allem aus den früheren Sowjetrepubliken, sondern aus dem Irak, Syrien, aus dem Senegal, Gambia, Mali und anderen afrikanischen Ländern. Sie werden eingeflogen über Belarus. Minsk, ist das Drehkreuz. Die frühere Verteidigungsministern Litauens, die heute Abgeordnete im Europäischen Parlament ist, spricht von einem hybriden Krieg, der gerade gegen ihr Land geführt wird.
Kommentar: Lukaschenko schlägt immer zielloser um sich
Der belarussische Machthaber Lukaschenko benutzt nun Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, um die Lage in Europa zu destabilisieren. Darunter leiden unschuldige Menschen, kommentiert Sabine Adler.
Rasa Juknjawitschene: "Wir haben nicht den geringsten Zweifel daran, dass das ein spezieller Krieg ist. Und wenn Lukaschenko sagt, dass er nicht im Stande sei, das alles zu stoppen, dann wissen wir, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Er arbeitet mit Russland und dessen Geheimdiensten zusammen sowie mit mafiösen Strukturen, Schlepperbanden, mit denen sie das alles organisieren. Sie unterbinden das nicht, sie organisieren es."
Krise an der litauischen Grenze
Immer mehr Migranten, vor allem aus arabischen Ländern, erreichen Litauen - das Land hat den Notstand ausgerufen. Die Zahl habe sich verzwanzigfacht, sagte Jakob Wöllenstein, Leiter der KAS-Stiftung in Vilnius, im Dlf: "Es ist ziemlich klar, dass es hier um den Einsatz einer politischen Waffe geht - eine hybride Aggression, die die ganze EU trifft." Es gebe Hinweise, dass die belarussischen Behörden die Menschen gezielt an die Grenze gebracht hätten. Man schaue in Litauen nun darauf, wer von den Geflüchteten ein Recht auf Asyl habe und wer in den Irak oder die Türkei zurückgeführt werden müsse.

"Die meisten wollen in andere EU-Länder"

Kommende Woche wird das litauische Parlament in einer außerordentlichen Sitzung Gesetze verabschieden, die die Asylverfahren beschleunigen. Da dürfte ein Teil der Angekommenen schon weitergezogen sein, prophezeit Alexander Kislow, der Direktor des Zentrums für die Registrierung der Migranten gegenüber der litauischen Nachrichtenagentur Delfi.
"Für die meisten ist nicht Litauen das Ziel, sie wollen in andere EU-Länder. Manche wurden schon an der polnischen Grenze festgenommen und dann greift das Dublin-Abkommen, sie werden zu uns zurückgebracht, wo sie den Asylantrag gestellt haben."
Europäische Union - Wie Flüchtlinge zum Sicherheitsrisiko gemacht werden
Die Flüchtlingspolitik der EU setzt in erster Linie auf Abschreckung und schnelle Abschiebung. Der Umgang mit Asylsuchenden ist über Jahre von einer humanitären Aufgabe zu einer Frage der inneren Sicherheit gemacht geworden.

Lukaschenkos Sicht

Alexander Lukaschenko, den die Europäische Union und die USA nicht als Präsident anerkennen, interpretiert das beschleunigte Asylverfahren als Einladung. Litauen sei selbst schuld, wenn immer mehr Menschen kämen:
"Wenn Sie der ganzen Welt erklären, dass sie noch schneller die registrieren, die über Belarus kommen, dann werden sie kommen. Sie machen das Fenster für die Migranten doch immer weiter auf. Wenn jemand denkt, dass wir die Grenze zu Polen, Litauen, Lettland und der Ukraine schließen und zu einem Sammelbecken werden für Flüchtlinge aus Afghanistan, aus dem Iran, aus dem Irak, aus Libyen, Syrien, Tunesien und noch tiefer aus Afrika, dann hat er sich zumindest geirrt. Wir werden keinen aufhalten, denn sie kommen nicht zu uns, sondern in das blühende, warme, gemütliche Europa."
Lettlands Präsident - Belarus "isolieren, damit das keine Schule macht"
Nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Fliegers in Minsk müsse Belarus isoliert werden, fordert Lettlands Präsident Egils Levits. "Man wird nur respektiert, wenn man glaubwürdig ist", sagte er im Dlf.

Lukaschenkos Rache an Litauen und der EU

Die Flüchtlinge würden von Belarus und Russland instrumentalisiert. Reisebüros brächten die potentiellen Asylbewerber nach Minsk, von wo aus sie an die rund 700 Kilometer lange Grenze zu Litauen geführt würden, sagt die frühere litauische Verteidigungsministerin im russischen Internet-Fernsehen Doschd. Sie hat keinerlei Zweifel, dass sich Lukaschenko an Litauen und der EU rächen möchte. Für die neuen Sanktionen, dafür, dass das Büro der Oppositionskandidatin bei der Präsidentschaftswahl, Swetlana Tichanowskaja in Vilnius als diplomatische Vertretung anerkennt wurde, vor allem aber für die Solidarität mit der belarussischen Protestbewegung.

"Flugzeuge nach Minsk stoppen"

Für die Rückführung der abgelehnten Bewerber braucht Vilnius Brüssels Hilfe, jetzt würden Gespräche mit irakischen und türkischen Regierungsvertretern geführt, weil von diesen beiden Ländern aus die meisten Migranten starteten.
"Das wichtigste ist, diese Flugzeuge nach Minsk zu stoppen. Das brauchen wir jetzt am dringendsten."
Über 1.300 Schutzsuchende hat Belarus an die litauische Grenze gebracht, im vorigen Jahr baten lediglich 80 Personen um Asyl. Die Notunterkünfte sind voll, derweil droht Lukaschenko, Flüchtlinge auch an die Grenzen zu Polen, Lettland, und der Ukraine zu schicken.