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Vulgärausdrücke, Lügen und ein Rücktritt

Der Fall "Plebgate" sorgt in Großbritannien für Aufsehen. Was vor mehr als einem Jahr als Politikerposse begann, entwickelt sich zu seinem handfesten Skandal für die britische Polizei. Im Streitfall um den konservativen Ex-Fraktionschef Andrew Mitchell wird ihr Verschwörung und Vertuschung vorgeworfen.

Von Jochen Spengler, Büro London |
    Ein solcher Vorgang hat Seltenheitswert im meist so streitlustigen Unterhaus. Opposition und Regierung - einer Meinung.

    Keith Vaz, Labour-Mann und Vorsitzender des Innenausschusses sagt, es gehe hier um den Kern und die Integrität der Polizei. Und ob der Premierminister zustimme, dass es richtig sei, wenn sich die Polizeichefs bei Andrew Mitchell, dem Ex-Fraktionschef der Konservativen entschuldigten, und falsch, wenn die betreffenden Polizeibeamten keine Disziplinarverfahren erhielten.

    Er stimme hundertprozentig zu, greift David Cameron die Gefälligkeitsfrage der Gegenseite dankbar auf.

    "Mitchell verdient eine Entschuldigung, das Verhalten der Polizisten ist nicht akzeptabel und der Fall muss genau untersucht werden."

    Der Fall "Plebgate" liegt inzwischen mehr als ein Jahr zurück und er beginnt als Politikerposse am 19. September 2012.

    Der frisch gebackene Fraktionschef der Tories Andrew Mitchell verlässt abends sein Büro in der Downing Street. Er muss noch zu einem dringenden Termin und nimmt das Fahrrad. Doch der diensthabende Wachmann weigert sich, das schmiedeeiserne Tor zu öffnen und verweist Mitchell auf den Fußgängerausgang. Worauf der Politiker wütend wird und den Polizisten beschimpft. Der steckt dann Zeitungen, Mitchell habe ihn vor etlichen geschockten Passanten als einen "fucking pleb" beschimpft, einen "verdammten Proleten", was ein Zeuge per E-Mail bestätigt.

    Der Ausdruck "pleb" ist toxisch, bestätigt er doch das millionenfache Vorurteil gegen die regierenden Konservativen: reiche Schnösel, die sich für was Besseres halten. Mitchell entschuldigt sich für seine Schimpfkanonade, bestreitet aber vehement, das Wort "pleb" benutzt zu haben. Entscheidende Bedeutung bekommt ein Klärungsgespräch mit der Polizeigewerkschaft, der Polizeibeamte Ken McKaill sagt anschließend:

    "Ich glaube, Herr Mitchell hat keine andere Möglichkeit als Rücktritt. Er weigert sich nach wie vor, genau auszuführen, was geschehen ist. Ich halte seine Position für unhaltbar."

    Mitchell tritt zurück.

    Doch zwei Monate später decken Journalisten auf, dass der angebliche Zeuge kein unbeteiligter Passant, sondern ein uniformierter Kollege war und dass auch die Überwachungskameras keinen einzigen Passanten zeigen. "Plebgate" war offenkundig ein Polizisten-Komplott, um einen Minister zu Fall zu bringen, der mitverantwortlich war für Einsparungen im Polizeietat.

    Doch Scotland Yard tritt die Flucht nach vorn an, es verhaftet einige Beteiligte und ermittelt in eigener Sache - ewig.

    "Das war ein Vorfall von 45 Sekunden, der vor einem Jahr stattfand. 30 Polizeibeamte arbeiten an der Untersuchung; das scheint alles viel zu lang zu dauern", kritisiert Ex-Staatsanwalt Lord MacDonald vor wenigen Wochen.

    Und jetzt sorgt die Nachricht für Empörung, dass auch die Polizeigewerkschafter gelogen haben, als sie über ihr Klärungsgespräch mit Mitchell berichteten, er habe sich geweigert, genau den Vorfall wiederzugeben. Die Lüge kommt heraus, weil Mitchell das Gespräch und sein Ehrenwort heimlich aufgenommen hat.

    "I did not say and I give you my word, I did not call the officer a f...ing pleb."

    Die britische Polizei wird der Verschwörung und Vertuschung bezichtigt. Sie sieht sich einer gewaltigen Vertrauenskrise gegenüber und Politiker aller Parteien fordern Konsequenzen. Ex-Labour-Innenminister Jack Straw etwa:

    "Ich will eine Entschuldigung durch die Polizeikräfte - mindesten die. Und die Untersuchungen und Disziplinarverfahren müssen neu eröffnet werden."

    Der Einzige, der sich nicht mehr äußern mag, ist Andrew Mitchell selbst:

    "Ich kann leider nichts hinzufügen. Ich bin Zeuge in der ganzen Angelegenheit und ich kann wirklich nichts sagen zu diesem Zeitpunkt."