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Vulkan-Wandern in Chile

Eine spektakuläre Felsentherme, ein Kochkurs bei den Mapuche-Indianern und purer Wandergenuss - all das bietet der Nationalpark Villarica in Chile. Beim Vulkan-Hopping erleben Wanderer zudem einmalige Landschaften: von der grünen Alm-Wiese bis hin zu kargen Mondlandschaften.

Von Bernd-Uwe Gutknecht | 03.03.2013
    Schneebedeckte Gipfel in allen Himmelsrichtungen, Bergbäche, die Gletscherwasser ins Tal tragen und: schwarz-weiß gefleckte Kühe auf feuchten Alm-Wiesen! Vergisst der Wanderer seine lange Anreise aus Europa für einen Augenblick, könnte er sich leicht in der Schweiz wähnen, zumal wenn Guido Schilling sein Wanderführer ist:

    "Das ist Schmelzwasser, das herunterkommt. Dann gibt es andere Quellwasser, von einer Lagune zur anderen. Das Wasser ist relativ kühl, so um die sieben Grad. Zu kühl zum Baden. Im Sommer ist es aber angenehm, die warmgelaufenen Füße darin abzukühlen."

    Guido, 43 Jahre, geboren am Schweizer Bodensee-Ufer, lebt seit über 20 Jahren als Bergführer in der südchilenischen Villarica-Region und begleitet Wanderer beim Vulkan-Hopping:

    "Es sind keine technisch schwierigen Berge, viele kann man das ganze Jahr über besteigen. Es ist ein Genuss zwischen Wandern, Bergsteigen und Skitouren gehen."

    Basaltgraue Lava-Wanderwege ziehen sich durch den Regenwald mit seinen tausend Grüntönen. Immer wieder spitzt ein schneegepuderter Gipfel durch die Wipfel – der Vulkan Villarica. Ein surreales Farbenspiel:

    "Der Nationalpark Villarica und der gleichnamige See haben ihre Namen vom Vulkan Villarica, dem Wahrzeichen der ganzen Region."

    Auf dem Weg zum Krater wird der Wald immer lichter, der Nebel dichter, die Luft kühler, der Wind kräftiger. In diesen klimatischen Bedingungen wächst nicht mehr viel. Eine Baumart arrangiert sich aber die Araucarie, ein Nadelbaum, der wie eine Mischung aus Tanne, Palme und Farn aussieht:

    "Das ist die Araucaria araucana, sie hat genau von dieser Region den Namen erhalten, ist ein nationales Monument und unter Naturschutz. Wachsen tut er zwischen 0,5 und 1 Millimeter pro Jahr. Chile hat noch viel Natur, wo alles so belassen ist, wie es wächst und da ist die Araucarie schon ein ziemlich stattliches Symbol."

    Das rotbraune Edelholz ist bei Möbeldesignern beliebt, mittlerweile aber unter Artenschutz. Auf über 2500 Metern fühlt sich auch die Araucarie nicht mehr wohl. Das Lavageröll vermischt sich jetzt mit Schnee. Etwa sechs Stunden dauert die Krater-Tour. Eine Gruppe deutscher Wanderer hat die kräftezehrende Kletterei gerade hinter sich. Einer von ihnen ist Klaus aus Rosenheim:

    "Es ging bis zum Gipfel auf 2800 Meter immer durch Schnee bzw. Firn, wir sind viel gerutscht, zwei Schritt vor, einer zurück, es war bitterkalt, gefühlt im Wind minus 10 Grad!"

    Und das im chilenischen Frühsommer! Im Winter wird an den Vulkanhängen sogar Ski gefahren:

    "Nebel kam auf, ist aber aufgerissen. Wenn man Lücken erwischt, dann kann man andere Vulkane sehen, die bis 3500 Meter hoch sind und auch aktiv sind. Bei chilenischen Vulkanen musst du auf alles gefasst sein, sagte unser Führer"

    Zum Aufwärmen und Entspannen geht es in eine spektakuläre Felsentherme: die Thermas geometricas! Durch einen engen Canyon fließt ein Bergbach, der vom Vulkan gewärmt wird. In diese Lava-Schlucht wurden terrassenförmig kleine Planschbecken hineingeschlagen. Man badet zwischen hundert Meter hohen Steilwänden! Das Wasser ist zwischen 20 und 40 Grad warm:

    "Das eine ist überirdisch, hier ist ein Wasserfall, der in den Pool hineinfällt - das warme Wasser kommt ja aus dem Boden raus. Der Vulkan ist ca. 15 Kilometer von hier entfernt. Wasser wird über vulkanische Kanäle verteilt und durch den Druck kommt das hier heraus."

    Aus den Felsspalten dampft und brodelt es. Kein Wunder, dass der Villarica für die indigene Bevölkerung der Gegend, die Mapuche-Indianer, ein mystischer Berg ist:

    "Rukapijjan sagen die Mapuche zu dem Vulkan. Eine Übersetzung ist: Haus des Teufels. Die Mapuche würden den Berg nie besteigen, wegen ihrer Ehrfurcht vor Geistern und den Verstorbenen."

    Seit Jahrhunderten siedeln die Mapuche rund um den Villarica-Vulkan . Die Gegend ist fruchtbar: guter Boden, viel Regen, genügend Sonne. Sie züchten Ziegen oder Lamas, weben Ponchos und stellen sich immer mehr auf die Besucher aus aller Welt ein. Die Familie der etwa 50-jährigen Anita Epulef lebt seit Generationen im Dorf Curarrehue mit Blick auf den Vulkan. Ihre Gäste begrüßt Anita mit Mate-Tee in schweren braunen Ton-Tassen:

    "Mate trinken ist ein Akt der Freundschaft und der Familienzusammengehörigkeit. Wir trinken viel Mate. Die einen mögen ihn süß, die anderen bitter. Ein Leben ohne Matetee ist für die Mapuche undenkbar!"

    Dann geht Anita in den Garten hinter dem Haus. Sie will ihren Gästen unbedingt ihre Hühner zeigen:

    "So rufe ich sie immer, damit sie zum Fressen kommen. Das sind araucanische Hühner und die legen grünblaue Eier."

    Ostereier für jeden Tag! Manche Touristen bleiben wochenlang, um das einfache Leben in einem Mapuche-Dorf zu genießen. Andere kommen nur zum Essen oder für einen Kochkurs. Gegessen wird in einem traditionellen Lehmhaus im Garten:

    "Wir haben ein echtes Mapuche-Menü vorbereitet: catutos, also Weizenfladen, dann Cochayuyos, das ist gebratener Seetang, Rühreier mit viel Chilli, dazu Sopapilla, Kürbisfladen mit scharfer Sauce, zum Abschluss noch ein Pudding aus Weizen. Das wird euch ganz bestimmt schmecken!"

    Die Sprache der Mapuche, das Mapudungun wird nicht aufgeschrieben, sondern nur gesprochen oder gesungen, also mündlich überliefert:

    Nach dem Essen singt der Lonco, eine Art Häuptling bei den Mapuche, ein Schlaflied. Für die Kleinen ist es Zeit, sich hinzulegen, in ihrem kunterbunten Haus. Oma Anita hat die Wände in fünf Farben angestrichen.

    Das sind unsere fünf Symbol-Farben: rot steht für das Blut der Mapuche blau für den Himmel, grün für die Natur, gelb für die Sonne. Und weiß für die Reinheit und den Schnee der Berge.