Michael Köhler: Die Uhr scheint wieder auf Null gestellt zu sein, der Siegerentwurf für die Sanierung der Berliner Lindenoper ist vom Regierenden Bürgermeister zurückgezogen worden. Ein denkmalgerechterer Entwurf soll her. Von Anfang an war bekannt, dass es einen Widerspruch gibt. Zwischen der Sanierung, dem Erhalt eines Neorokokosaales aus der DDR-Zeit der 50er und einem modernen technischen Saal mit akustischen Bedingungen, sagen wir, wie in Oslo, Los Angeles oder Mailand. Die Frage ging an Stefan Rosinski, Direktor der Berliner Opernstiftung. Der Münchner Generalmusikdirektor Thielemann, den nicht wenige für den besten Wagner-Dirigenten zurzeit weltweit halten, hat im "Berliner Tagesspiegel" sich für den alten Saal ausgesprochen, obwohl oder gerade weil der nicht alles ermöglicht. Also, "Aida" und "Walküre", Verdi und Wagner sind vielleicht eine Nummer zu groß, sie passen in mehrerlei Hinsicht nicht hinein. Schließen Sie sich an?
Stefan Rosinski: Der Saal hat zwei ganz markante Probleme. Das eine ist die Frage des Nachhalls, was hier sehr in extenso diskutiert wurde, welche Resonanz entwickelt dieser Saal. Und da helfen wir heute elektroakustisch auf. Und das andere ist aber, hat was mit dem Klangvolumen, mit der Lautstärke zu tun. Und dadurch, dass das Raumvolumen im Verhältnis zur Zuschauerzahl zu klein ist, ist in den leisen Stellen verschwinden die Töne und in den lauten Stellen knallen die Töne weg. Also, sie gehen sofort in den schmerzhaften Bereich. Sie hören auf, Töne zu sein und werden Geräusche sozusagen. Und das kann man auch nicht elektroakustisch beheben und da kann man nur gegen anarbeiten, indem man den Saal größer macht. Im Übrigen hat auch Klangvolumen auch was mit einer optischen Erfahrung zu tun. Eine große Lautstärke in einem kleinen Raum erleben wir immer als disproportional und natürlich sind die großen Orchester des 19. Jahrhunderts und auch diese Klangvolumen, die die dann entwickeln, die finden sich sozusagen in diesem Saal ästhetisch nicht wieder.
Köhler: Herr Rosinski, wer Paulick ehrt, tut nicht nur was für die deutsch-deutsche Seele, er tut auch was für die Berliner Opernlandschaft. Und tut er am Ende damit nicht auch was für die deutsche Oper?
Rosinski: Ja, das Philosophieren darüber, ob eigentlich eine unterschiedlich ausgeprägte Programmatik in den Häusern auch Zuschauerbewegungen verändern würden, auch Zuspruch. Wir sind, letztendlich mal alle Häuser zusammengezählt, insgesamt nicht befriedigend ausgelastet. Wir sollten eigentlich mehr von unserem Angebot her, von dem Platzangebot her, mehr Menschen erreichen können. Die andere Frage, und das ist die richtige Frage, die Christian Thielemann stellt, ist nämlich "könnten wir nicht ein ungleich reicheres Repertoire anbieten und entwickeln, indem wir eine genauere Aufteilung machen?", weil sich gerade auch vor dem Druck der Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre, die Häuser natürlich sehr stark auf das populäre Repertoire fokussiert haben. Also die großen, die Hitparadennummern, die wir alle kennen, von "Zauberflöte" bis hin zu "Tristan und Isolde". Und dann haben wir Dubletten und Tribletten, was eigentlich auch nicht im Sinne des Konsumenten sein kann.
Köhler: Aber trägt der neue Vorschlag nicht Früchte für die Ausdifferenzierung der Berliner Opernhäuser? Also, man muss ja nicht gleich von einem Spielplandiktat sprechen, aber was bedeutet das für die Opernlandschaft? Nicht doch am Ende Klarheit?
Rosinski: Wenn man den Saal ernst nimmt, den Paulick-Saal, dann würde das bedeuten, dort ein ganz bestimmtes Format zu realisieren. Und das würde sich zwingend eigentlich differenzieren von dem, was man an der deutschen Oper machen müsste. Das heißt, wirklich eine Profilierung der Häuser zueinander, eine Absetzung, eine Aufteilung des Repertoires. Im Grunde müssten wir jetzt anfangen, eine intensive Diskussion über die Profile der Häuser zu führen.
Köhler: Herr Rosinski, halten Sie mal nicht hinterm Berg. Was wünschen Sie sich denn?
Rosinski: Ich glaube, dass diese Stadt mit dem Verzicht auf den Umbau des Saales die Chance verloren hat, eine wirklich große Staatsoper zu etablieren, die auch großes Programm hätte spielen können. Und jetzt muss man darauf reagieren, dass hier ein kleiner Saal ist und da heißt es wirklich, das wäre mein Votum, darüber nachzudenken, wie diese Häuser unterschiedlich profiliert sein können in Zukunft, mit der Konsequenz, auch über die Führungsstrukturen der Stiftung nachzudenken.
Köhler: Das ist meine nächste Frage. Sind Sie in dem Prozess ausreichend konsultiert worden, oder, salopp gesagt, hatten Sie auf irgendeine Weise die Finger drin?
Rosinski: Die Entscheidungsbildung in Berlin ist ja sehr komplex. Ich habe das in der Form noch nie erlebt in einem Bundesland, dass die Dinge hier derart öffentlich verhandelt werden, dass es so viele Beiträger gibt, die Argumente hinzutragen, das erschwert und macht auch solche Diskussionen wenig übersichtlich. Und da ist dann irgendwann die eigene Stimme immer nur eine Stimme unter vielen.
Köhler: Man sollte auch nicht verachten, dass etwa drei Viertel oder sogar 80 Prozent der Gesamtkosten vom Bund getragen werden. Der will natürlich auch wissen, wo das bleibt. Und wenn ich das richtig gelesen habe, soll in die Sanierung, Renovierung des Opernsaales lediglich fünf Prozent getragen werden. Also, da gibt es auch ein Missverhältnis zwischen Wahrnehmung der Kulturleute, die natürlich nur auf einen tollen Opernsaal gucken, und der gesamten Baumaßnahmen, die nämlich aus weitaus mehr und anderem besteht.
Rosinski: Tatsächlich ist es so, dass der Saal heute, vor der Baumaßnahme wohlgemerkt, ungefähr mit zwölf Millionen Euro veranschlagt ist und der ganze Rest dann irgendwie 225 Millionen Euro kosten würde. Natürlich hängt alles mit allem da zusammen. Die ganze logistische Erschließung, die wir zum Teil ja dann unterirdisch machen wollen, die Ertüchtigung der Neben- und Unterbühnen, diese ganze Bühnentechnik, die wir da einbauen für viele, viele Millionen, mir kommt das jetzt ein bisschen vor, als würde man in einen VW-Käfer einen Porsche-Motor einbauen. Wir ertüchtigen das Haus, um Oper des 21. Jahrhunderts zu spielen und alles technische Machbare und Denkbare dort auch zu realisieren. Allerdings dann mit einem Zuschauersaal, der wirklich sehr bedingte Kapazitäten hat.
Köhler: Sagt Stefan Rosinski, Direktor der Berliner Opernstiftung.
Stefan Rosinski: Der Saal hat zwei ganz markante Probleme. Das eine ist die Frage des Nachhalls, was hier sehr in extenso diskutiert wurde, welche Resonanz entwickelt dieser Saal. Und da helfen wir heute elektroakustisch auf. Und das andere ist aber, hat was mit dem Klangvolumen, mit der Lautstärke zu tun. Und dadurch, dass das Raumvolumen im Verhältnis zur Zuschauerzahl zu klein ist, ist in den leisen Stellen verschwinden die Töne und in den lauten Stellen knallen die Töne weg. Also, sie gehen sofort in den schmerzhaften Bereich. Sie hören auf, Töne zu sein und werden Geräusche sozusagen. Und das kann man auch nicht elektroakustisch beheben und da kann man nur gegen anarbeiten, indem man den Saal größer macht. Im Übrigen hat auch Klangvolumen auch was mit einer optischen Erfahrung zu tun. Eine große Lautstärke in einem kleinen Raum erleben wir immer als disproportional und natürlich sind die großen Orchester des 19. Jahrhunderts und auch diese Klangvolumen, die die dann entwickeln, die finden sich sozusagen in diesem Saal ästhetisch nicht wieder.
Köhler: Herr Rosinski, wer Paulick ehrt, tut nicht nur was für die deutsch-deutsche Seele, er tut auch was für die Berliner Opernlandschaft. Und tut er am Ende damit nicht auch was für die deutsche Oper?
Rosinski: Ja, das Philosophieren darüber, ob eigentlich eine unterschiedlich ausgeprägte Programmatik in den Häusern auch Zuschauerbewegungen verändern würden, auch Zuspruch. Wir sind, letztendlich mal alle Häuser zusammengezählt, insgesamt nicht befriedigend ausgelastet. Wir sollten eigentlich mehr von unserem Angebot her, von dem Platzangebot her, mehr Menschen erreichen können. Die andere Frage, und das ist die richtige Frage, die Christian Thielemann stellt, ist nämlich "könnten wir nicht ein ungleich reicheres Repertoire anbieten und entwickeln, indem wir eine genauere Aufteilung machen?", weil sich gerade auch vor dem Druck der Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre, die Häuser natürlich sehr stark auf das populäre Repertoire fokussiert haben. Also die großen, die Hitparadennummern, die wir alle kennen, von "Zauberflöte" bis hin zu "Tristan und Isolde". Und dann haben wir Dubletten und Tribletten, was eigentlich auch nicht im Sinne des Konsumenten sein kann.
Köhler: Aber trägt der neue Vorschlag nicht Früchte für die Ausdifferenzierung der Berliner Opernhäuser? Also, man muss ja nicht gleich von einem Spielplandiktat sprechen, aber was bedeutet das für die Opernlandschaft? Nicht doch am Ende Klarheit?
Rosinski: Wenn man den Saal ernst nimmt, den Paulick-Saal, dann würde das bedeuten, dort ein ganz bestimmtes Format zu realisieren. Und das würde sich zwingend eigentlich differenzieren von dem, was man an der deutschen Oper machen müsste. Das heißt, wirklich eine Profilierung der Häuser zueinander, eine Absetzung, eine Aufteilung des Repertoires. Im Grunde müssten wir jetzt anfangen, eine intensive Diskussion über die Profile der Häuser zu führen.
Köhler: Herr Rosinski, halten Sie mal nicht hinterm Berg. Was wünschen Sie sich denn?
Rosinski: Ich glaube, dass diese Stadt mit dem Verzicht auf den Umbau des Saales die Chance verloren hat, eine wirklich große Staatsoper zu etablieren, die auch großes Programm hätte spielen können. Und jetzt muss man darauf reagieren, dass hier ein kleiner Saal ist und da heißt es wirklich, das wäre mein Votum, darüber nachzudenken, wie diese Häuser unterschiedlich profiliert sein können in Zukunft, mit der Konsequenz, auch über die Führungsstrukturen der Stiftung nachzudenken.
Köhler: Das ist meine nächste Frage. Sind Sie in dem Prozess ausreichend konsultiert worden, oder, salopp gesagt, hatten Sie auf irgendeine Weise die Finger drin?
Rosinski: Die Entscheidungsbildung in Berlin ist ja sehr komplex. Ich habe das in der Form noch nie erlebt in einem Bundesland, dass die Dinge hier derart öffentlich verhandelt werden, dass es so viele Beiträger gibt, die Argumente hinzutragen, das erschwert und macht auch solche Diskussionen wenig übersichtlich. Und da ist dann irgendwann die eigene Stimme immer nur eine Stimme unter vielen.
Köhler: Man sollte auch nicht verachten, dass etwa drei Viertel oder sogar 80 Prozent der Gesamtkosten vom Bund getragen werden. Der will natürlich auch wissen, wo das bleibt. Und wenn ich das richtig gelesen habe, soll in die Sanierung, Renovierung des Opernsaales lediglich fünf Prozent getragen werden. Also, da gibt es auch ein Missverhältnis zwischen Wahrnehmung der Kulturleute, die natürlich nur auf einen tollen Opernsaal gucken, und der gesamten Baumaßnahmen, die nämlich aus weitaus mehr und anderem besteht.
Rosinski: Tatsächlich ist es so, dass der Saal heute, vor der Baumaßnahme wohlgemerkt, ungefähr mit zwölf Millionen Euro veranschlagt ist und der ganze Rest dann irgendwie 225 Millionen Euro kosten würde. Natürlich hängt alles mit allem da zusammen. Die ganze logistische Erschließung, die wir zum Teil ja dann unterirdisch machen wollen, die Ertüchtigung der Neben- und Unterbühnen, diese ganze Bühnentechnik, die wir da einbauen für viele, viele Millionen, mir kommt das jetzt ein bisschen vor, als würde man in einen VW-Käfer einen Porsche-Motor einbauen. Wir ertüchtigen das Haus, um Oper des 21. Jahrhunderts zu spielen und alles technische Machbare und Denkbare dort auch zu realisieren. Allerdings dann mit einem Zuschauersaal, der wirklich sehr bedingte Kapazitäten hat.
Köhler: Sagt Stefan Rosinski, Direktor der Berliner Opernstiftung.