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VW-Skandal
"VW sollte Vorreiter für Elektroautos werden"

Nach dem Abgas-Skandal sollte der Autobauer VW ein Zeichen in Sachen Umweltschutz setzen, sagte Bernd Irlenbusch, Professor für Wirtschaftsethik im DLF. Eine Möglichkeit wäre, darüber nachzudenken, wie man das Elektroauto voranbringe und hier als Vorreiter in Erscheinung treten könne.

Bernd Irlenbusch im Gespräch mit Thielko Grieß | 24.09.2015
    Das Logo von VW mit einer zerkratzten Glasplatte darüber.
    Der VW-Konzern ist angeschlagen. (dpa / Friso Gentsch)
    VW müsse ein Zeichen setzen, sagte Irlenbusch. Es kristallisiere sich nach diesem Skandal immer mehr heraus, dass das Bild, welches Volkswagen von sich in der Öffentlichkeit projiziere, nämlich ein umweltfreundliches Unternehmen zu sein, nicht zu 100 Prozent in das Bewusstsein der Mitarbeiter vorgedrungen sei, sagte der Wirtschaftsethiker. Das Vorantreiben des Elektroautos wäre ein Signal, was wirklich ernst gemeint ist, was im Sustainability Report" zur Umweltfreundlichkeit des Unternehmens stehe.
    Compliance oft nur Feigenblatt der Firmen
    Zur Unternehmensethik im Allgemeinen sagte Irlenbusch, dass sehr viele Mitarbeiter eigene Karriereziele verfolgen würden. Dieses führe dazu, dass sie Dinge machen würden, die nicht im Interesse des Unternehmens seien. Ob das bei beim aktuellen VW der Fall gewesen sei, sagte der Wirtschaftsethiker jedoch nicht.
    Auf die Frage, was Compliance-Management [Anm. der Redaktion: Unternehmenseinheiten für Einhaltung von Unternehmensrichtlinien] bewirken könne, sagte Irlenbusch: Man habe bei Unternehmen häufig den Eindruck hat, dass sie Compliance "mehr als Feigenblatt propagieren". Sie hätten Schulungsprogramme, wie sich Mitarbeiter in moralisch schwierigen Situationen verhalten sollten. Dieses werde nach außen getragen, "aber nicht von den Mitarbeitern verinnerlicht", so der Ökonom.

    Das Interview in voller Länge
    Thielko Grieß: Es ist ein eigentlich immer währender Konflikt. Ein Unternehmen will und muss in diesem Wirtschaftssystem Gewinn erwirtschaften und es soll und muss zugleich Regeln einhalten. Das sind zwei Ziele, die miteinander in Konflikt geraten können. Neben gesetzlichen Grenzen geben sich Unternehmen zusätzlich eigene Grenzen, eigene Regeln, die dann beschreiben, woran sich die Mitarbeiter, auch Manager zu halten haben, woran sie sich zu orientieren haben. Compliance wird das in vielen Konzernen genannt, man könnte es auch Wirtschaftsethik nennen - klingt etwas ältlicher, meint aber Ähnliches.
    Bei Volkswagen ist all das offenkundig danebengegangen, beide Ziele miteinander in Einklang zu bringen. Der Betrug ist offensichtlich, sein Umfang ist nur noch unbekannt. - Ich bin jetzt telefonisch verbunden mit Bernd Irlenbusch, der Wirtschaftsethik lehrt an der Universität zu Köln. Herr Irlenbusch, guten Morgen.
    Bernd Irlenbusch: Guten Morgen, Herr Grieß.
    Grieß: Hat Volkswagen ein Problem mit seiner Unternehmensethik?
    Irlenbusch: Die Ermittlungen laufen ja bei Volkswagen noch, aber es scheint sich ja doch immer mehr herauszukristallisieren, dass das Bild, was Volkswagen von sich in der Öffentlichkeit immer projizieren wollte, dass sie ein sehr umweltfreundliches Unternehmen sind, dass dieses Bild nicht zu 100 Prozent in das Bewusstsein der Mitarbeiter vorgedrungen ist. Volkswagen hat in seinem Sustainability Report immer wieder betont, dass sie 2018 der umweltverträglichste Automobilhersteller der Welt sein wollen, und das ist in dem vorliegenden Fall natürlich kläglich verletzt worden.
    Bernd Irlenbusch, Wirtschaftsethiker der Uni zu Köln
    Bernd Irlenbusch, Wirtschaftsethiker der Uni zu Köln (Lisa Beller)
    Grieß: Nun kann man in einen Sustainability Report, der aus Papier besteht, ja sehr viel hineinschreiben. Der ist ja auch sehr geduldig. Aber wie bekommt man es hin, dass die Mitarbeiter das nicht nur lesen, sondern glauben und danach handeln?
    Regeln aus Wettbewerbsvorteile brechen
    Irlenbusch: Ja, das ist genau das Problem. Ein Unternehmen steht ja im Wettbewerb mit anderen Unternehmen und häufig ist es so, dass es scheint, dass man sich einen Wettbewerbsvorteil erkaufen kann dadurch, dass man ethische Regeln oder auch gesetzliche Regeln, wie es im vorliegenden Fall wohl der Fall ist, bricht. Und das ist ein Problem, dass ein Unternehmen kurzfristig häufig den Eindruck hat, dass man sich einen Wettbewerbsvorteil dadurch erhalten kann.
    Ein zweites Problem ist, dass Organisationen sehr komplex sind. Organisationen bestehen aus sehr vielen Mitarbeitern, die eigene Interessen verfolgen. Zum Beispiel Karriereziele haben die Mitarbeiter und diese Karriereziele führen häufig dazu, dass sie Dinge tun, die eigentlich nicht im Interesse des Unternehmens sind. Sie haben dann gewisse Erfolgsvorgaben und um diese zu erreichen, biegen sie auch schon mal die moralischen Vorstellungen, die das Unternehmen eigentlich propagiert, um dann selbst in einem guten Licht dazustehen, um zum Beispiel Umsatzzahlen zu erreichen, und das ist genau das Problem.
    Compliance oft nur Feigenblatt
    Grieß: Muss man das denn akzeptieren, dass so etwas passiert in einem so komplexen Konzern wie Volkswagen, oder gibt es doch irgendwo eine Chance für Compliance, wie es heißt?
    Irlenbusch: Das ist ja die große Aufgabe auch der Compliance-Manager, die jetzt in allen großen Unternehmen installiert werden. Das Problem ist, dass man häufig bei Unternehmen den Eindruck hat, gerade auch bei großen Unternehmen, dass sie das mehr als Feigenblatt propagieren, dass sie ein Compliance-Programm haben, dass Schulungen stattfinden, wie sich Mitarbeiter in moralisch schwierigen Situationen verhalten sollen. Diese Haltung, die wird dann mehr so nach außen getragen, aber ist nicht so richtig verinnerlicht von den Mitarbeitern. Das ist genau das schwierige Problem, dass man diese ethische moralische Haltung auch verinnerlicht und in das tägliche Handeln mit hineinnimmt. Das Problem entsteht ein bisschen dadurch, dass man hier einen Loyalitätskonflikt hat. Man ist ja schon verpflichtet, loyal und kooperativ mit den Kollegen zusammenzuarbeiten, und wenn man dann sieht, dass jemand etwas tut, was eigentlich den eigenen moralischen Vorstellungen nicht entspricht, dann hat man einen Konflikt, weil man will ja nicht die Kollegen irgendwie anschwärzen, aber andererseits sieht man, es ist nicht in Ordnung. Das aufzufangen, das ist genau das Problem.
    Grieß: Ich höre heraus, Herr Irlenbusch, dass es am Ende doch sehr auf den Einzelnen ankommt, den einzelnen Mitarbeiter, den einzelnen Manager.
    Irlenbusch: Ja.
    VW soll Elektroauto puschen
    Grieß: Ist die Tätigkeit, Autos zu verkaufen, ein ständiger Charaktertest?
    Irlenbusch: Ich denke schon, dass es viele, viele Möglichkeiten gibt, die Gesetze und auch moralische Vorschriften gerade im Hinblick auf Umweltschutz in der Automobilindustrie zu verletzen. Was jetzt, glaube ich, Not tut wäre, dass VW deutlich mal ein Zeichen setzt, dass es ganz wirklich innerlich auch mit dem Umweltschutz ernst macht, und eine Möglichkeit wäre, dass man jetzt da doch mal sehr verstärkt nachdenkt, wie man das Elektroauto zum Beispiel pushen kann als Signal, dass es wirklich ernst gemeint ist, was im Sustainability Report steht. Man hat ja immer ein bisschen den Verdacht, dass die Automobilbranche das Elektroauto so ein bisschen unter der Decke hält, weil die ganzen Dinge, die man sich angeeignet hat an Technologien, dann wertlos werden bei den Verbrennungsmotoren. Da wäre jetzt mal ein Signal gefragt von Volkswagen, da jetzt wirklich mal ernst zu machen mit dem Elektroauto, günstige Elektroautos für den Normalverbraucher auf den Markt zu bringen.
    Grieß: Und das kann auch glaubwürdig geschehen, wenn man sich so einen Slogan sozusagen an die Brust heftet, wir haben verstanden? Der ist, glaube ich, schon mal bei einem anderen Konzern verwendet worden.
    Irlenbusch: Das wäre ja dann wirklich auch mal ein tatsächliches Signal, dass sie wirklich verstanden haben. Wenn man wirklich ernsthaft als Vorreiter für Elektroautos in Erscheinung tritt, dann wäre das wirklich eine Tat und nicht nur Worte.
    Grieß: ... sagt Bernd Irlenbusch, Wirtschaftsethiker und Inhaber eines Lehrstuhls für genau das, für Wirtschaftsethik an der Universität zu Köln. Danke schön, Herr Irlenbusch, für Ihre Einschätzung heute Morgen.
    Irlenbusch: Vielen Dank, Herr Grieß.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.