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VW und seine Diesel-Tricks
Wer trägt die Verantwortung?

Nach den bekanntgewordenen Manipulationen der Diesel-Abgaswerte in den USA wird bereits der Ruf nach einem Rücktritt von VW-Konzernchef Winterkorn laut. Andere vermuten die wahren Verantwortlichen hingegen eher in den Vereinigten Staaten selbst.

Von Brigitte Scholtes | 21.09.2015
    Starker Verkehr auf dem Highway 101 in Los Angeles.
    Der Rückruf von knapp einer halben Million Diesel-Pkw verursacht bei VW hohe Kosten. (AFP / Mark Ralston)
    Die Manipulationen der Dieselabgaswerte in den USA schaden Volkswagen schon jetzt massiv. Der Aktienkurs des Unternehmens stürzte heute zwischenzeitlich um mehr als 20 Prozent ab. Das entspricht einem Börsenwert von 16 Milliarden Euro. Und das ist in etwa die Summe, die dem Autokonzern in den USA als Höchststrafe für seine Tricksereien drohen könnte. Nun beginnt die Suche nach den Verantwortlichen: Da wird schon der Ruf nach einem Rücktritt von Konzernchef Martin Winterkorn laut. So weit will Jürgen Pieper, Analyst des Bankhauses Metzler noch nicht gehen:
    "Wenn das sich schnell aufklären lässt und an bestimmten Personen festzumachen ist, dann nicht. Dazu muss man auch sagen, dass so ein Konzern eben auf so viele Schultern verteilt ist und so gewaltige Ausmaße hat, dass man auch nicht alles an einer Person festmachen sollte. Deswegen würde ich sagen: Stand heute – nein."
    IAA-Besucher: "Das Ganze ist typisch Autoindustrie"
    Die Verantwortlichen seien wohl zunächst in den USA zu suchen, meint der Autoexperte. Dort hatte die Umweltbehörde festgestellt, dass mithilfe einer Software das Abgaskontrollsystem bei offiziellen Emissionstests aktiviert, im normalen Betrieb aber wieder ausgeschaltet wurde. Der Schadstoffausstoß war dann 40 mal höher als offiziell angegeben. Mit einer Höchststrafe für diesen Betrug rechnen die meisten Experten zwar nicht, aber neben den Strafzahlungen dürfte auch noch Schadenersatz in Milliardenhöhe zu leisten sein. Und der Rückruf der knapp eine halbe Million Diesel-Pkw verursacht hohe Kosten. Zudem hat VW den Verkauf einiger Dieselmodelle in den USA gestoppt. Auf der IAA in Frankfurt heute zeigten sich die Messebesucher nicht sonderlich überrascht von den Tricksereien, die VW zur Last gelegt werden:
    "Das Ganze ist typisch Autoindustrie, da wird ja schon jahrzehntelang gemogelt. Das ist ja nichts Neues."
    "Ich finde das erschreckend, weil durch die Elektronik sind die Eingriffe ja überall möglich, und das wird vielleicht nicht der letzte Hersteller sein, der sowas macht."
    Der Ruf nicht nur von VW hat also jetzt schon auch unter deutschen Kunden gelitten. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler spricht von einem gewaltigen Imageschaden:
    "Weil es sich hier eben um eine auch ziemlich ausgefeilte und schon trickreiche Betrügerei handelt, die auch von einem höheren Manager abgesegnet worden sein muss, sonst kann man sich das Ganze nicht vorstellen, mit dem Ziel letztendlich auch die Verbraucher zu hintergehen, die Behörden zu hintergehen, das ist schon ein sehr harter Fall."
    Der Imageschaden könnte aber auch die Kreditwürdigkeit von VW belasten, warnte schon die Rating-Agentur Fitch. Und diese Affäre könnte sich auch auf Europa ausweiten, denn auch dort werde manipuliert, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, heute im Deutschlandradio Kultur: Das hätten etwa Messungen des International Council on Clean Transportation ergeben:
    "Die haben eigentlich das große Verdienst, im letzten Jahr eine erste umfassende Messung im letzten Jahr durchgeführt zu haben, und die haben dabei festgestellt, dass Euro-6-Dieselfahrzeuge, insbesondere von deutschen Herstellern, im Durchschnitt um 700 Prozent und in der Spitze um 2.500 Prozent, also um das 25-Fache, die Grenzwerte nicht einhalten."
    Die Deutsche Umwelthilfe möchte deshalb ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in Deutschland erreichen. Damit könnte die gesamte Dieseltechnik in Europa auf den Prüfstand kommen.