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Wachen über den marktwirtschaftlichen Wettbewerb

Es rührt keine Werbetrommeln, es gibt keine Eigenanzeigen auf. Es arbeitet still und unaufgeregt, früher in Berlin, seit dem 1. Oktober 1999 in Bonn: das Bundeskartellamt. Es ist eine selbstständige Bundesoberbehörde innerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.

Von Sten Martenson |
    Unter den vielen Behörden des Bundes scheint das Bundeskartellamt ein Mauerblümchendasein zu führen. Der sprichwörtliche Otto Normalverbraucher weiß nicht, wozu es gut ist. Selbst wenn er sich ins Internet begibt, um dort den Aufgabenkatalog nachzulesen, wird sich ihm nicht sogleich erschließen, wie unentbehrlich ein Amt ist, das Kartelle verbieten, Fusionen kontrollieren und ökonomischen Machtmissbrauch verhindern soll. Anschaulich beschreibt Ludwig Stiegler, Jurist und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, wie es im Lande aussähe, wenn es kein Kartellgesetz und kein Bundeskartellamt gäbe:

    Es wäre eine Wildwestwirtschaft. Wir wären zurück geworfen weit über 100 Jahre in die ganzen Exzesse der Gründerzeit. Wir hätten Konglomerate, wir hätten Machtmissbrauch, wir hätten Behinderung. Wir hätten im Grunde die Macht des Stärkeren und die Macht derer, bei denen besonders viel Kapital akkumuliert ist.

    Einer solchen Horrorvision hat der Bundestag 1958 einen Riegel vorgeschoben - mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz Kartellgesetz. Im Laufe von über vierzig Jahren ist es sechsmal überarbeitet, korrigiert, angepasst worden. Zuletzt im Jahre 1999. Und gegenwärtig wird schon an der nächsten Novellierung gearbeitet. Zu glauben, dass Wirtschaft auch ohne die ordnende Hand und die wachsamen Augen des Bundeskartellamtes funktioniert, wäre naiv, betonen Praktiker und Theoretiker übereinstimmend.
    Im letzten Tätigkeitsbericht der Behörde heißt es:

    Die vom Bundeskartellamt aufgedeckten Kartellabsprachen und Abwehrstrategien von marktbeherrschenden Unternehmen gegen Wettbewerb belegen, dass selbst in Deutschland mit seiner jahrzehntelangen ordnungspolitischen Erfahrung und Tradition der Wettbewerbsgedanke nicht selbstverständlich das Handeln der Marktakteure bestimmt.

    Die Hüter über den Wettbewerbsgedanken sind zwar zuversichtlich, dass dieser weltweit an Boden gewinnt. Aber von einem wirklichen Siegeszug kann eben nicht gesprochen werden, so lange selbst hochentwickelte Industrieländer, wie eben auch Deutschland, reichlich damit zu tun haben, Verstöße gegen das Wettbewerbsprinzip aufzudecken und zu ahnden. Und Wettbewerb ist der Schlüssel zu einem Wirtschaftssystem, das die Interessen der Unternehmen und der Verbraucher zu beider Gewinn und Zufriedenheit austarieren sollte. Der Präsident des Bundeskartellamtes Ulf Böge erläutert:

    Wir leben in einer Wettbewerbsgesellschaft, die deswegen als Wettbewerbsgesellschaft bezeichnet wird, weil über dieses System die ganze Frage der Produktion, der Verteilung und der Einkommensverhältnisse am günstigsten geregelt wird. Es ist ein gerechtes System über den Wettbewerb, wenn er fair gehandhabt wird. Das ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen. Wettbewerb sorgt für die kosteneffizientesten Produktionsweisen, das kommt den Verbrauchern zu gute. Und wir müssen darauf gucken, dass nicht marktmächtige Unternehmen ihre Stellung missbrauchen oder dass Kartellabsprachen gemacht würden, die zu Lasten der Verbraucher gehen.

    Das ist keineswegs nur graue Theorie. Die Zahl der Beispiele ist Legion. Etwa der Fall Lufthansa:

    Die Terroranschläge vom 11. September 2001 ließen die Nachfrage bei den Luftverkehrsgesellschaften zusammenbrechen. Viele von ihnen gerieten in Existenznot. Die veränderten Rahmenbedingungen begünstigten aber auch das Vordringen so genannter Billiganbieter. Traditionelle Luftverkehrsgesellschaften kamen unter Druck, ihre eigene Geschäftspolitik zu überdenken.


    Ein deutscher Billiganbieter, die Germania, hatte im November 2001 erstmals auf der Strecke zwischen Frankfurt und Berlin Einfachflüge für 99 Euro angeboten. Die Lufthansa, die diese Strecke bisher allein bediente, reagierte mit einem 100 Euro-Angebot. Das lag rund 60 Prozent unter dem bisher üblichen Economy-Tarif und war gemessen am Service günstiger als das der Germania. Diesen Preissprung nach unten unternahm die Lufthansa nur auf dieser Strecke und nur für einen Teil der angebotenen Sitzplätze.

    Das Bundeskartellamt ließ der Lufthansa diese unbillige Behinderung des Wettbewerbers Germania nicht durchgehen. Die Kartellwächter erkannten, dass die Lufthansa gezielt eine Verlustpreisstrategie verfolgte, um die Germania-Flieger aus dem Feld zu schlagen. Lufthansa wurde gezwungen, mindestens 35 Euro teurer zu sein als der Billiganbieter.

    Profitiert hat von diesem Eingriff des Kartellamts zu Gunsten des Wettbewerbs eindeutig der Verbraucher. Und es gab bei vielen Kommentatoren einen Lobgesang auf den Wettbewerb als Quelle von Wachstum und Beschäftigung. Ludwig Stiegler stimmt ein:

    Das Kartellamt sichert den Wettbewerb und nur der Wettbewerb ist wirklich eine dauerhaft verlässliche Rahmenbedingung für Wachstum und damit auch für Beschäftigung. Deshalb ist das Kartellamt in seiner Funktion eine ganz wichtige Struktursicherung unserer Wirtschaftsordnung für weiteres Wachstum, weil es eben Wettbewerb sichert, und der Wettbewerb ist nun mal das zentrale Stimulans jeder weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und des wirtschaftlichen Fortschritts.


    Das Kartellamt richtet sein Augenmerk aber nicht nur auf diese Form des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht. Seine Aufmerksamkeit gilt ebenso illegalen Kartellabsprachen. In der Vergangenheit kamen die Sünder überwiegend aus der Bauwirtschaft. Im Juli 2002 wurden bundesweit 30 Zementhersteller durchsucht. Im Raum Niederbayern gerieten Produzenten von Transportbeton unter Verdacht, gegen das Kartellrecht verstoßen zu haben.

    Die Zementunternehmen hatten nach Ansicht des Kartellamtes zum Teil seit Jahrzehnten wettbewerbswidrige Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen. Auf diese Weise wurde der Wettbewerb auf dem Markt fast völlig ausgeschaltet, heißt es in der Bonner Behörde. Zementabnehmer und Verbraucher seien massiv geschädigt worden. Wegen des Verdachts auf ein Kartell durchsuchte das Amt im vergangenen Jahr bei sieben Aktionen bundesweit rund 200 Unternehmen und Privatwohnungen. Neben der Zementindustrie waren davon auch Entsorgungsbetriebe und Pharmagroßhändler betroffen.

    Aber auch andere Branchen sind nicht frei von schwarzen Schafen: Die Erzeuger pyrotechnischer Artikel, sprich Feuerwerkskörper, zählen ebenso dazu wie eine Reihe von Papiergroßhändlern, denen Preis- und Kundenabsprachen zwischen Herstellern von Papptellern nachgesagt wurde.

    Unter den Verdacht unzulässiger Mauschelei gerieten im Sommer 2002 auch einige Unternehmen der Versicherungsbranche. Das Kartellamt begann zu prüfen, ob sie tatsächlich Prämienerhöhungen im industriellen Sach- und Haftpflichtversicherungsgeschäft abgesprochen hatten.


    Dass es sich hierbei sehr wohl um einen Schwerpunkt der Arbeit des Bundeskartellamtes handelt, zeigt die Tatsache, dass im März 2002 eine Sonderkommission Kartellbekämpfung gebildet wurde. Das Amt sah sich gezwungen, auf veränderte Formen illegaler Kartellabsprachen zu reagieren, nämlich darauf, dass Beweise über verbotene Absprachen immer häufiger nur noch in elektronischer Form vorliegen. Es mussten also Mitarbeiter auf die entsprechenden Verdachtsfälle angesetzt werden, die mit dieser Technologie vertraut sind.

    Seit die Sonderkommission gegründet wurde, hat sie 149 Betriebe und 20 Wohnungen durchsucht – häufig in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden. Denn Kartellabsprachen, das zeigt die langjährige Erfahrung, gehen oft mit anderen Delikten wie Korruption, Erpressung oder Betrug einher.

    Für solche Verstöße verhängt das Bundeskartellamt häufig saftige Geldbußen. Sie richten sich sowohl gegen die an solchen illegalen Absprachen unmittelbar Beteiligten, aber auch gegen die Aufsichtspflichtigen in den betroffenen Unternehmen. Im Jahr 2001 betrug die Gesamtsumme der Bußgelder 21,8 Millionen Euro. 2003 ordnete die Wettbewerbsbehörde Bußgelder von mehr als 710 Millionen Euro an – wegen verbotener Kartellabsprachen. Ein schöner Batzen Geld. Doch in keinem Falle profitiert das Bundeskartellamt von diesen Millionen. Präsident Böge legt Wert auf die Feststellung:

    Die Bußgelder fließen nicht in den Haushalt des Bundeskartellamtes, sondern sie fließen in den allgemeinen Haushalt. Es gibt also kein Anreizsystem, was ich auch für falsch halten würde, Bußgelder zu verhängen, damit man den eigenen Haushalt verbessert.


    Den besorgten Einwand, ob nicht Unternehmen durch solche Bußgelder auch in Notlagen geraten könnten, kontert der oberste Kartellbeamte kurz und bündig:

    Ich finde eine solche Gefahr der Insolvenz besteht natürlich nicht, wenn keine Kartelle gebildet werden.

    Die Höhe der Geldbußen belegt dennoch, auch wenn es nicht das erklärte Ziel ist, dass diese Bundesoberbehörde ausgesprochen profitabel arbeitet. Der Jahreshaushalt beläuft sich auf knapp 16 Millionen Euro. Insgesamt 300 Beschäftigte weist der Personalplan der Behörde aus, die ihren Sitz im früheren Bundespräsidialamt in Bonn hat. Von den Mitarbeitern zählen 110 zum höheren Dienst, je zur Hälfte sind es Juristen und Ökonomen. Ulf Böge klagt nicht, dass sein Amt unterbesetzt ist:

    Die Anzahl der Menschen allein in einer Behörde ist auch nicht immer ausschlaggebend, sondern ausschlaggebend ist die Qualität, die von den Mitarbeitern kommt und ich glaube, da kann sich das Bundeskartellamt gut sehen lassen.

    Die kartellrechtlichen Entscheidungen werden in justizähnlichen Verfahren von so genannten Beschlussabteilungen gefällt, die für einzelne Wirtschaftsbranchen zuständig sind. Und das geht nicht immer konfliktfrei ab. Häufig kommt es vor, dass Unternehmen gegen Entscheidungen des Amtes vor Gericht ziehen. Dass Böges Haus aber auch mit der Politik über Kreuz geraten kann, zeigte sich zuletzt im Streit auf dem Berliner Zeitungsmarkt, der bis heute noch nicht ausgestanden ist.

    Fusionskontrollen gehören zum wichtigsten Arbeitsfeld des Kartellamtes. Es handelt sich hierbei um eine sehr wichtige, aber fast schon routinierte Tätigkeit. Zahlen machen das deutlich: Seitdem 1973 die Fusionskontrolle eingeführt wurde, haben die Wächter des Kartellamtes 139 Zusammenschlüsse von Firmen untersagt, weil sie zu einer marktbeherrschenden Stellung geführt hätten.

    Dass das nicht viel ist, zeigt sich daran, dass allein im Zeitraum 2001/2002 bei der Behörde fast 3200 solcher Firmenzusammenschlüsse angemeldet worden sind. Diese Anmeldung ist vorgeschrieben, wenn sich der Jahresumsatz der Unternehmen insgesamt über 500 Millionen Euro bewegt. Dabei handelt es sich nur selten um bekannte Namen, um Weltunternehmen. Aber oft geht es um interessante Entwicklungen, die Stoff für Spekulationen oder Analysen von Branchenmärkten liefern. Uwe Vorkötter, von Haus aus Wirtschaftsjournalist, erinnert sich an seine frühere Tätigkeit:

    Das Kartellamt war eine ideale Quelle für die Recherche, eine ausgesprochen offene Behörde, die Auskunft gegeben hat, Auskunft geben musste über Fusionsanfragen, die große Unternehmen hinterlegt hatten...Das war eine sehr gute, eine sehr intensive Zusammenarbeit. Die großen Kartellfälle der Republik, die ja damals nicht europäisch geregelt wurden, sondern noch mit dem nationalen Kartellrecht: Also die Übernahmestrategie von Daimler-Benz bei Dornier, bei MTU das waren alles Fälle, bei denen das Kartellamt ausgesprochen nützlich als Recherchequelle war.

    Jetzt, Jahre später, hat Vorkötter - mehr als ihm lieb sein könnte - mit dem Kartellamt zu tun. Der Wirtschaftsjournalist ist inzwischen Chefredakteur jener "Berliner Zeitung", die nach dem Willen des Holtzbrinck-Verlagskonzerns mit der anderen großen Tageszeitung auf dem Berliner Markt, mit dem "Tagesspiegel" fusionieren sollte. Doch das Vorhaben der Holtzbrinck-Strategen, Gruner+Jahr alle Kapitalanteile an der im Osten der Stadt erscheinenden "Berliner Zeitung" abzukaufen, wurde vom Bundeskartellamt torpediert. Die Entscheidung wurde eindeutig begründet: Entstehung marktbeherrschender Stellungen von Holtzbrinck auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen in Berlin und dem dortigen Markt für Stadtillustrierte.

    Für Fusionen auf dem Pressemarkt gelten strengere Bedingungen. Liegt die Umsatzschwelle in der Regel bei 500 Millionen Euro, so setzt die Schutzwirkung des Kartellrechts auf dem Mediensektor schon bei einem Umsatz von 25 Millionen Euro ein. Auf die geplante Fusion in Berlin konnte das Kartellamt also nur mit einem Veto reagieren. Trotzdem hat dieser Fall etliche Kontroversen über Sinn oder Unsinn strenger rechtlicher Gebote zumindest auf diesem Feld entfacht. Chefredakteur Vorkötter beschreibt das Problem:

    Die versuchte Fusion auf dem Berliner Zeitungsmarkt hat gezeigt, dass das derzeitige Kartellrecht eigentlich ja zu einer Konservierung der bestehenden Strukturen führt. Wenn das gegenwärtige Kartellrecht so bleibt, kann zum Beispiel auf dem Berliner Zeitungsmarkt überhaupt keine Bewegung entstehen. Das heißt, alle Blätter, die es hier gibt, werden durch das Kartellrecht vordergründig in ihrer Existenz geschützt. Hintergründig aber können sie nicht in ihrer Existenz geschützt werden durch ein Kartellrecht, weil die müssen betriebswirtschaftlich überleben.

    Das Kartellrecht also nur ein Feigenblatt für das Prinzip Wettbewerb, das in der betriebswirtschaftlichen Realität an seine Grenzen stößt? Verhindert es gar Partnerschaften, die der zu bewahrenden Meinungsvielfalt nicht widersprechen müssen? Die Politik will das Kartellrecht nicht einfach rigoros umkrempeln, aber erneut novellieren. SPD-Fraktionsvize Stiegler weiß von den wirtschaftlichen Probleme vieler, auch überregionaler Zeitungen in Deutschland:

    Hier zeigen sich Spannungen, die aufgelöst werden müssen. Einerseits sind die Verlage Wirtschaftsunternehmen, auf der anderen Seite sind sie wichtige Medienunternehmen und damit Teil des politischen und des kulturellen Lebens. Deshalb wird man nach Wegen suchen müssen, wie sie einerseits wirtschaftlich überleben, aber andererseits die Vielfalt der deutschen – und Presselandschaft erhalten bleibt.

    Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht diese Notwendigkeit auch, wundert sich aber, dass sich die Verleger nicht in der Lage sehen, sich auf eine gemeinsame Wunschliste zu verständigen. Der Ausweg über eine "Ministererlaubnis", den der Holtzbrinck-Verlag für sein Vorhaben, die Berliner Zeitung zu erwerben, zunächst einschlug, ist rechtlich zwar vorgesehen, aber dennoch nicht unumstritten. Im Kartellrecht gibt es für Streitfälle die Möglichkeit, über eine Ministererlaubnis doch das angestrebte Fusionsziel zu erreichen. Ministererlaubnis? Der Parlamentarische Staatssekretär im Clement-Ministerium, Gerd Andres, erläutert:

    Es gibt nicht nur das Kartellamt, sondern auch das Bundeswirtschaftsministerium fungiert als Kartellbehörde. Man kann bestimmte Kartellverfahren nicht nur unter Wettbewerbsbedingungen sehen, sondern man muss sie auch unter politischen Bedingungen sehen können.

    So geschah es etwa, als das Energieunternehmen EON sich die Ruhrgas einverleiben wollte. Obwohl sich die unabhängige Monopolkommission in einem Sondergutachten auf den Standpunkt des Bundeskartellamtes stellte, der Fusion nicht zuzustimmen, wurde im Sommer 2002 für dieses Geschäft eine Ministererlaubnis erteilt. Das Ministerium argumentierte, dass die Versorgungssicherheit Deutschlands durch diese Fusion verbessert werde. Chefredakteur Vorkötter, in dessen Zeitungsfall der Antrag des Holtzbrinck-Verlages auf eine Ministererlaubnis inzwischen zurückgezogen wurde, hat grundsätzliche Bedenken gegen dieses Instrument:

    Es ist im Grunde ein Fremdkörper und ein Anachronismus in unserem ganzen System. Wir haben ein rechtsstaatliches System, da werden Entscheidungen nach Recht und Gesetz getroffen. Und in keinem anderen Bereich gibt es das doch, dass am Ende, wenn das Recht nicht ausreicht, sich ein Minister über so eine Entscheidung hinwegsetzen kann.

    Verbündete in dem Bestreben, diesen Fremdkörper abzuschaffen, sieht der Chefredakteur nur in der Wissenschaft. Die Politik, so vermutet Vorkötter, wird auf diese Eingriffsmöglichkeit nicht verzichten, ganz gleich wer in Berlin regiert. Allerdings - von einem inflationären Missbrauch dieses Instruments kann nicht die Rede sein: In 30 Jahren sind insgesamt nur 17 Anträge auf Ministererlaubnis gestellt worden, sieben wurde entsprochen.

    Die Ministererlaubnis steht also bei der anstehenden Korrektur der 7. Novelle zum Kartellrecht nicht zur Disposition. Sie sollte aber Veränderungen enthalten, die die Fusionsmöglichkeiten auf dem Zeitungsmarkt regelt, vorausgesetzt, wie auch Wirtschaftsminister Clement betont, die Verlegerseite kann der Politik eine einvernehmliche Position anbieten.

    Wolfgang Clement will Pressefusionen in Zukunft erleichtern. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die erworbenen Blätter publizistisch selbständig bleiben. Geplant ist auch, die fusionsrechtlich relevanten Umsatzschwellen zu heben.

    Aber bei der Novelle geht es nicht nur und vor allem um Pressefusionen. Auslöser ist vielmehr eine Änderung des europäischen Kartellrechts, die am 1. Mai in Kraft tritt. Die Änderungen in Deutschland könnten im Sommer Gesetz werden. Einen entsprechenden Kabinettsbeschluss soll es im März geben.

    Diese 7. Novelle soll in erster Linie dem europäischen Einigungsprozess Tribut zollen. Ende 2002 ist das gemeinschaftsrechtliche Kartellrecht reformiert worden. Das Verhältnis von EU-Recht zu nationalem Recht wurde neu geordnet, die Zusammenarbeit zwischen der EU-Kommission und den nationalen Kartellbehörden, aber auch das Verhältnis dieser Behörden untereinander wurde neu geregelt. SPD-Politiker Stiegler:

    Wir haben eine europäische Harmonisierung im Kartellrecht. Wir werden in Zukunft stärker das europäische Recht zur Geltung bringen...Für viele Unternehmen ist ja der nationale Markt nicht mehr relevant, sondern ist der Weltmarkt relevant.